Röntgen-Phasenkontrast-Bildgebung

bildgebende Verfahren unter Ausnutzung der Phasenverschiebung von Röntgenstrahlen beim Durchgang durch das Objekt

Röntgen-Phasenkontrast-Bildgebung bezeichnet eine Reihe von technischen Methoden, welche die Phasenverschiebung der Röntgenstrahlen beim Durchgang durch Materie für die Bildgebung nutzen. Da die Phasenverschiebung nicht direkt gemessen werden kann (Phasenproblem), müssen verschiedene Anordnungen von beugenden und absorbierenden Optiken genutzt werden, um die Phasenänderung durch Interferenz in eine messbare, laterale Intensitätsmodulation umzuwandeln. Unter Verwendung von kohärenten Strahlungsquellen und hochauflösenden Detektoren können auch Phasenbilder durch Rekonstruktion der Wellenpropagation gewonnen werden.

Vergleich von konventioneller (links) und phasenkontrast-basierter (rechts) Röntgenaufnahme eines in-ear Kopfhörers. Die Plastikstrukturen im Inneren sind im Phasenkontrast deutlicher zu sehen, während die stark absorbierenden Metallteile des Lautsprechers im konventionellen Bild einen starken Kontrast erzeugen.

Der entscheidende Vorteil der phasensensitiven Methoden liegt darin, dass sie röntgentransparente Objekte wie Weichteilgewebe sensitiver abbilden können.[1] Zusätzlich können streuende Objekte wie das Lungengewebe kontrastreich abgebildet werden. Dabei wird ausgenutzt, dass Röntgen-Kleinwinkelstreuung des durchleuchteten Objekts eine Schwächung des erzeugten Interferenzmusters bewirkt.[2] Aufgrund von Ähnlichkeiten zur Dunkelfeldmikroskopie wird das durch Streuung zustande kommende Bild auch als Röntgendunkelfeld bezeichnet. Herkömmliche Röntgenbildgebung wie z. B. die Radiographie oder Computertomographie basieren bis heute hingegen nur auf der Abschwächung der Strahlintensität (Lambert-Beer Gesetz) durch das abzubildende Objekt und erzeugen so nur einen niedrigen Kontrast zwischen Objekten ähnlicher materieller Zusammensetzung.

Die verschiedenen technischen Realisierungen zur Erzeugung von Röntgen-Phasenkontrast-Bildern werden insbesondere für Anwendungen in der Medizin, Biologie und Materialwissenschaften entwickelt. Potentielle klinische Anwendungen werden derzeit in vorklinischen Studien erschlossen.[3]

Physikalisches Prinzip

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Veranschaulichung von Absorption und Phasenverschiebung der Röntgenwelle beim Durchgang durch Vakuum und Materie mit dem komplexen Brechungsindex  .

Die Wechselwirkung der Röntgenstrahlung mit Materie wird bei der mathematischen Behandlung als Welle durch den komplexen Brechungsindex   beschrieben.[4] Die Schreibweise   für den Realteil hat sich etabliert, weil dieser für Röntgenstrahlen nur sehr geringfügig von 1 abweicht und die Notation der Abweichung als   vorteilhafter ist. Damit kann eine Röntgenwelle im Medium durch die folgende Wellenfunktion beschrieben werden:

 

Dabei ist  die Intensität beim Eintritt in das Medium,   der komplexe Brechungsindex,   die Wellenzahl und   die Eindringtiefe bzw. Koordinate der Propagationsrichtung. In der faktorisierten Darstellung ist sofort zu erkennen, dass der imaginäre Teil   die Abschwächung der Wellenintensität beim Durchgang durch Materie und der Realteil   die Phasenverschiebung erzeugt.[4] Von besonderem Interesse ist die Abhängigkeit von   und   von der Energie der verwendeten Strahlung und den Materialeigenschaften des durchstrahlten Objekts. Für Energien   und Elemente der Kernladungszahl   (was im diagnostisch relevantem Bereich liegt) ergeben Näherungen:[1][5]

 

 

Dabei ist   die Teilchendichte,   der Wirkungsquerschnitt der Phasenverschiebung,  der Wirkungsquerschnitt der Photoabsorption und   der klassische Elektronenradius. Entscheidend ist, dass  bei Materie geringer Dichte und Kernladungszahl, wie es bei organischen Stoffen der Fall ist, in etwa drei Größenordnungen höher ist als  .[5] Damit reagiert die Phase viel sensitiver auf geringe Dichteunterschiede und eignet sich besser zur Kontrasterzeugung in Weichteilgewebe. Außerdem ergibt sich in der Energieabhängigkeit von   und   ein weiterer Vorteil für die Phasenkontrasterzeugung. Mit steigender Energie nimmt   viel schneller ab als   und damit entsteht die Möglichkeit, Strahlung höherer Energie ohne starke Kontrasteinbußen zu verwenden.[1] Dies ist diagnostisch vorteilhaft, da bei höheren Energien ein kleinerer Bruchteil der Strahlung vom Körper absorbiert wird und so die Strahlendosis reduziert wird.

Allgemeiner ausgedrückt kann die vom durchstrahlten Objekt erzeugte Phasenverschiebung entlang eines Weges mit der Verteilung   relativ zur Propagation im Vakuum beschrieben werden durch das Integral:[6]

 

wobei   die Wellenlänge der einfallenden Strahlung bezeichnet. Da die Phasenverschiebung sich durch eine Projektion von   in Strahlrichtung ergibt, ist eine dreidimensionale Messung von   durch Rekonstruktion nach dem tomographischen Prinzip zugänglich.[7] Allerdings wird aufgrund von technischen Einschränkungen die Phase meist nur modulo   gemessen, weshalb verschiedene Entfaltungsalgorithmen zum Einsatz kommen.

Die Schwierigkeiten bei der Erfassung der Phasenverschiebung bei Röntgenstrahlen ergeben sich aufgrund von mehreren Aspekten, weshalb sich auch verschiedene technische Realisierungen entwickelt haben. Grundsätzlich ist für die Bildgebung nur eine Intensitätsmessung möglich, bei der jedoch die Information über die Phasenlage verloren geht. Daher muss das abbildende System entweder direkt die extrem kleinen Winkelabweichungen der Brechung des Strahls auflösen können oder die Phasenverschiebung muss interferometrisch in eine laterale Intensitätsmodulation umgewandelt werden, die dann von einem Detektor aufgelöst werden kann. Beides stellt hohe Anforderungen an die räumliche Kohärenz und Monochromatizität der Strahlenquelle und erschwert eine kosten- und zeiteffiziente Verfügbarkeit der Methode. Durch Einsatz von Röntgenoptiken wie z. B. Gittern konnten die Anforderungen jedoch erheblich gelockert werden, sodass eine routinemäßige Anwendung in Klinik und Industrie denkbar geworden ist.[8]

Einzelnachweise

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  1. a b c R. A. Lewis: Medical phase contrast x-ray imaging: current status and future prospects. In: Physics in Medicine & Biology. Band 49, Nr. 16, 2004, ISSN 0031-9155, S. 3573, doi:10.1088/0031-9155/49/16/005.
  2. F. Pfeiffer, M. Bech, O. Bunk, P. Kraft, E. F. Eikenberry: Hard-X-ray dark-field imaging using a grating interferometer. In: Nature Materials. Band 7, Nr. 2, 2008, ISSN 1476-4660, S. 134–137, doi:10.1038/nmat2096.
  3. Andre Yaroshenko, Katharina Hellbach, Martin Bech, Susanne Grandl, Maximilian F. Reiser: Grating-based X-ray dark-field imaging: a new paradigm in radiography. In: Current Radiology Reports. Band 2, Nr. 7, 1. Juli 2014, ISSN 2167-4825, S. 57, doi:10.1007/s40134-014-0057-9.
  4. a b McMorrow, Des.: Elements of modern X-ray physics. 2nd ed Auflage. Wiley, Hoboken 2011, ISBN 978-0-470-97395-0.
  5. a b Martin Bech: X-ray imaging with a grating interferometer. (PDF) 2009, abgerufen am 27. März 2018.
  6. Atsushi Momose: Recent Advances in X-ray Phase Imaging. In: Japanese Journal of Applied Physics. Band 44, 9R, 8. September 2005, ISSN 1347-4065, doi:10.1143/jjap.44.6355/meta.
  7. Grating-based X-ray phase contrast for biomedical imaging applications. In: Zeitschrift für Medizinische Physik. Band 23, Nr. 3, 1. September 2013, ISSN 0939-3889, S. 176–185, doi:10.1016/j.zemedi.2013.02.002 (sciencedirect.com [abgerufen am 27. Dezember 2017]).
  8. Franz Pfeiffer, Timm Weitkamp, Oliver Bunk, Christian David: Phase retrieval and differential phase-contrast imaging with low-brilliance X-ray sources. In: Nature Physics. Band 2, Nr. 4, 2006, ISSN 1745-2481, S. 258–261, doi:10.1038/nphys265.