Prädikat (Grammatik)

Kernbestandteil in einem Satz, von dem Satzglieder abhängen
(Weitergeleitet von Satzaussage)

Prädikat (von lateinisch praedicatum, Partizip zu praedicare „ausrufen, rühmen“), in der traditionellen Grammatik auch Satzaussage, bezeichnet in der deutschen Grammatik in der Regel den Kernbestandteil in einem Satz, von dem ergänzende Satzteile abhängen (die Satzglieder wie Subjekt, Objekt, Adverbial). Der Begriff Prädikat ist allerdings mehrdeutig, und es sind verschiedene Definitionen im Umlauf.

Ein Prädikat enthält meistens ein oder mehrere Verben, jedoch bezieht sich der Begriff Verb auf eine Wortart, hingegen Prädikat auf die grammatische Funktion, die Verben im Satz haben. Neben Verben können auch andere Wortarten beteiligt sein; in manchen Sprachen ist das Auftreten eines Verbs im Prädikat nicht einmal zwingend.

In der Schulgrammatik besteht oft das Ziel, anschauliche Erklärungen des Prädikats anzubieten (etwa: „das Prädikat gibt an, was jemand tut“). Solche Erläuterungen fallen aber darauf zurück, die Bedeutung des Verbs zu beschreiben (und zwar nur des Vollverbs, bei dem es aber auch nicht immer um ein „Tun“ oder „Geschehen“ geht). Die Funktion namens Prädikat, die sich vielmehr in den verschiedenen Arten von Abhängigkeit der Satzglieder zeigt, ist jedoch nicht vollständig auf der Inhaltsebene erfassbar.

Das Prädikat ist generell der zentrale Bestandteil eines Satzes; Ausdrücke ohne Prädikat sind keine Sätze. (Beispielsweise werden die Wörter „Ja“ und „Nein“, die als Antwort auf eine Frage alleinstehend geäußert werden, nur als Satzäquivalente bezeichnet, nicht als Sätze.[1])

Der Begriff Prädikat kommt allerdings je nach Tradition in zwei unterschiedlichen Bedeutungen vor:

• In der deutschen Grammatik bezeichnet man als Prädikat eine Einheit, die aus einem finiten Verb ggf. zusammen mit weiteren nicht-finiten Verben oder auch bestimmten Elementen anderer Wortart besteht. Die Einteilung sieht man am klarsten nicht in Hauptsätzen, sondern in Nebensätzen, weil dort typischerweise alle Prädikatsbestandteile am Satzende beieinander stehen (im Beispiel ist „hat“ die finite Verbform in der 3. Person Sg. Präsens und „spazieren“ sowie die Partizipform „geführt“ sind infinite Formen).

(Konjunktion) Adverbial Subjekt Objekt Prädikat
…weil gestern niemand den Hund spazieren geführt hat

Der entscheidende Punkt ist hier, dass mehrere Verben zuerst zu einer Einheit zusammengefügt werden („zusammengesetztes Prädikat“), bevor Ergänzungen wie Subjekt oder Objekt angeschlossen werden.[2] Diese Eigenheit des Prädikatsbegriffs im Deutschen ist bei Sätzen mit nur einem Verb noch nicht sichtbar. – Im deutschen Hauptsatz können die Bestandteile des Prädikats getrennt auftreten, weil die finite Verbform nach vorne gestellt werden muss; die Bestandteile zählen dennoch weiterhin als eine Einheit. Zum Beispiel:

Vorfeld Prädikat (1. Teil) Adverbial Subjekt Objekt Prädikat (2. Teil)
Es hat gestern niemand den Hund spazieren geführt

Nach diesem Verständnis des Begriffs Prädikat kann man sagen, dass das Prädikat ein Satzteil ist, dem alle Satzglieder gesammelt gegenüberstehen und von dem sie grammatisch abhängen (also hier als: Objekt, Adverbial, Subjekt).[3] Insofern ist also das Prädikat der Kernbestandteil eines Satzes, und der Gesamtsatz kann vom Prädikat her aufgebaut werden. In Grenzfällen kann ein Satz auch allein aus einem Prädikat bestehen (z. B. in Imperativen: „Komm!“).

• In anderen Traditionen, so in der englischen Grammatik[4][5] und der formalen Linguistik, kommt auch ein Begriff vor, bei dem Prädikat das Verb zusammen mit allen Ergänzungen außer dem Subjekt bezeichnet (also in vielen Fällen eine Verbalphrase). Dies entspricht auch dem Prädikatsbegriff in der aristotelischen Logik und wird daher in Lateingrammatiken und traditionellen Grammatiken anderer Sprachen oft vorausgesetzt. Prädikat ist hier alles, was über das Subjekt ausgesagt wird („prädiziert wird“). Diese Variante ist also nicht nur grammatisch, sondern auch logisch motiviert, und nur sie ist es eigentlich, in der das Prädikat als „Satzaussage“ bezeichnet werden kann. Für eine englische Entsprechung des obigen Beispiels ergibt sich die folgende Unterteilung (zur Frage, warum im Englischen oft dieser andere Prädikatsbegriff verwendet wird, siehe den späteren Abschnitt #Deutsch und Englisch im Vergleich):

Subjekt Prädikat
Prädikator[6] Objekt Adverbial
Nobody walked the dog yesterday

Das Prädikat im Deutschen

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Dem heutigen Kenntnisstand der Sprachwissenschaft über die deutsche Syntax entspricht die oben zuerst genannte Definition, die das Prädikat nur mit den eigentlich prädikativen Einheiten gleichsetzt, mit dem finiten Verb als Zentrum. In der Schulgrammatik war früher der Prädikatsbegriff an der zweiten, „aristotelischen“ Definition orientiert, er hat sich aber in letzter Zeit in Richtung der ersteren Konzeption gewandelt (wobei man manchmal sogar so weit geht, das Prädikat nur mit dem finiten oder dem valenztragenden Verb zu identifizieren).[7] Die Bezeichnung „Satzaussage“ wurde dennoch meist beibehalten.

Finite und infinite Verben

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Traditionell wird in deutschen Grammatiken oft eine Bedingung ausgesprochen, dass ein Prädikat immer ein finites Verb enthalten müsse.[8] Dies gerät jedoch in Widerspruch dazu, dass bestimmte Infinitivkonstruktionen als eigenständige Nebensätze einzustufen sind[9] (inkohärente Konstruktion des Infinitivs). Wenn es Sätze sind, müssen sie Prädikate enthalten. In neuerer Literatur wird die Existenz von infiniten Prädikaten daher durchaus vorausgesetzt.[10] Im Folgenden werden hier aber nur finite Sätze betrachtet.

Einfache und zusammengesetzte Prädikate

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Das Prädikat kann im Deutschen aus einem Wort (einteiliges Prädikat) oder aus mehreren Wörtern bestehen (mehrteiliges Prädikat). Mehrteilige Prädikate können ausschließlich aus Verben oder auch aus Verben und anderen Wortarten bestehen.

Einteilige Prädikate

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Bei einteiligen Prädikaten liegt nur ein Verb vor, das ein Inhaltswort ist (Vollverb); dieses bestimmt auch, welche Satzglieder mindestens noch benötigt werden. Beispielsweise erfordert das Verb schlafen nur ein Subjekt, während das Verb geben je nach Kontext ein Subjekt und mindestens ein, meist aber zwei Objekte erfordert. Eine Besonderheit des Deutschen ist, dass auch Modalverben (wie müssen, dürfen) manchmal als einziges Verb benutzt werden können, wie unten im vierten Beispiel:

  • „Du schläfst.“
  • „Die Band gab ein Konzert.“
  • „Er gab ihr einen Tipp.“
  • „Ich muss nachher noch in die Stadt.“

Im deutschen Aussagesatz steht ein solches einzelnes Verb als Prädikat dann in der Regel an zweiter Stelle im Satz, genauer gesagt in der Position der sogenannten linken Satzklammer. Diese Wortstellungsregel hängt allerdings nicht von der Funktion des Verbs als Prädikat ab, sondern von der Eigenschaft, finite Verbform zu sein (siehe im Artikel V2-Stellung #Herleitung von Verbzweitsätzen), und sie hängt außerdem noch vom Satztyp ab.

Sogenannte trennbare Verben werden nicht als einteiliges Prädikat bezeichnet, sondern als mehrteiliges,[11] auch wenn sie in gewissem Sinn ein einziges Wort darstellen. Der Grund ist die Verteilung auf zwei Positionen, genau wie bei den Beispielen der nachfolgenden Abschnitte:

  • „Ich mache die Tür zu.“ („zumachen“ = „schließen“)

Hier zeigt sich ebenfalls, dass in der Zweitposition nicht „das Prädikat“ als solches steht, sondern nur der finite Teil des Prädikats (oder sogar nur des Verbs). Nur bei einteiligen Prädikaten ist der Unterschied zwischen Finitum und Prädikat nicht sichtbar.

Mehrteilige Prädikate aus mehreren Verben

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Mehrteilige Prädikate, die nur aus Verben bestehen, enthalten neben dem Vollverb noch Hilfsverben oder Modalverben, selten auch ein weiteres Vollverb. Solche mehrteiligen Prädikate erscheinen im deutschen Aussagesatz (als Hauptsatz) auf zwei Positionen verteilt: Das finite Verb besetzt wiederum die zweite Position, dies ist aber nun ein Hilfs- bzw. Modalverb; die übrigen Verben des zusammengesetzten Prädikats stehen getrennt davon, normalerweise in Endposition, in einer infiniten Form. Infinite Verben erscheinen niemals in der Zweitposition (linke Satzklammer).

Beispiele (finiter Prädiktatsteil fett und infinite Prädikatsteile kursiv gesetzt):

  • „Ich habe es gefunden.
zusammengesetztes Prädikat mit Vollverb und Perfekt-Hilfsverb habe
  • „Man wird ja sehen.
Vollverb mit Futur-Hilfsverb wird
  • „Wir dürfen heute zum Glück ausschlafen.
… mit Modalverb dürfen
  • „Es wird wohl nicht genehmigt worden sein.
Modalverb wird, Perfekt-Hilfsverb sein, Passiv-Hilfsverb werden (in der Perfekt-Form worden) und Partizipform des Vollverbs genehmigen (als infinite Verbform in der Passivkonstruktion)
  • „Der Hund kam keuchend angerannt.
zusammengesetztes Prädikat aus zwei Vollverben (die Partizipform keuchend fungiert hier hingegen als Adverbial)

In didaktischen Grammatiken wird dieser Satzbau oft so beschrieben, dass man die Zweitposition des finiten Verbs als Ausgangspunkt nimmt und sagt, dass die restlichen Bestandteile des Prädikats „ans Satzende verschoben werden.“[12][13] In der wissenschaftlichen Grammatik ist es aber unstreitig, dass die Endposition des Prädikats die zugrundeliegende ist und dass die Hauptsatzbildung, gerade umgekehrt, in einer Voranstellung des finiten Verbs besteht.[14] (Siehe auch den Artikel V2-Stellung). Die Nebensatzstruktur ist dann einfach die Version ohne Verb-Voranstellung:

  • „ ...dass es wohl nicht genehmigt worden sein wird.“

Die Abfolge bzw. Hierarchie der Verben am Satzende zeigt auch, welches der Hilfsverben finit sein muss und somit nach vorne gestellt wird: Dies ist jeweils das Verb rechts außen in der Folge. (Zu diesen Abhängigkeitsbeziehungen und zu möglichen Umstellungen bei Verben am Satzende siehe: Deutsche Grammatik #Reihenfolge der Verben). Es ist also nicht nötig, bei der linken Satzklammer verschiedene Typen zu unterscheiden, je nachdem ob ein Passiv-, Perfekt- oder ein anderes Hilfsverb dort steht, und es herrscht auch keine Wahlfreiheit zwischen solchen Typen, wenn es mehrere Hilfsverben gibt.

Die Prädikatsteile, die aus infiniten Verben bestehen, sind im Aussagesatz zusätzlich auch noch umstellbar: Sie können wahlweise auch ins Vorfeld verschoben werden (genauso wie Satzglieder und ggf. zusammen mit solchen; siehe auch: Verbalphrase #Nachweis infiniter Verbalphrasen). Diese Umstellungen lassen sich nur von der End-Position des Prädikats aus systematisch beschreiben:

  • „Man wird ja wohl noch fragen dürfen.“
→ „Fragen wird man ja wohl noch __ dürfen.“
  • „Wir werden den Opa nicht Auto fahren lassen.“
→ „Auto fahren werden wir den Opa nicht __ lassen.“
oder: „Auto fahren lassen werden wir den Opa nicht __.“

Mehrteilige Prädikate mit nichtverbalen Elementen

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Bei mehrteiligen Prädikaten mit Prädikativ verbindet sich ein sogenanntes Kopula­verb mit Ergänzungen anderer Wortart. Satzbeispiele sind:

  • „Wikipedia ist super.“
  • „Alles wird ab jetzt anders.“
  • „Julia ist immer noch Studentin.“

Daneben gibt es auch weitere Typen von mehrteiligen Prädikaten, nämlich Prädikate mit resultativen Adjektiven oder Funktionsverbgefüge mit Substantiven oder anderen Wortarten (siehe die verlinkten Artikel für Einzelheiten).

(Vergleiche außerdem die Anmerkung über trennbare Verben weiter oben).

Inhaltliche Bestimmungsversuche

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Inhaltliche Bestimmungsversuche, wie sie besonders in Schulbüchern häufig sind, liefern keine systematische Erklärung für den Begriff Prädikat – etwa wenn formuliert wird: „Das Prädikat drückt aus, was getan wird oder geschieht.“[15]

Zum ersten sind Bedeutungseigenschaften nicht unabhängig für das Prädikat als solches bestimmbar, sondern entsprechen einfach der Bedeutung der vorkommenden Verben. Eine Aufzählung von Bedeutungstypen ist dann nicht einfach zu erstellen, denn die möglichen Verbbedeutungen sind äußerst vielfältig und es geht keineswegs immer um ein Geschehen:

  • „Dirk nimmt den Datenhelm.“ (Handlung/Geschehen, da „etwas nehmen“ hier eine Handlung bezeichnet)
  • „Der Ball ist rund.“ (Zustand oder Eigenschaft, aufgrund der Bedeutung von Kopulaverb + Adjektiv)
  • „Das Auto wiegt nur 700 kg.“ (Bestimmung eines Messwerts, aufgrund des Verbs „wiegen“)
  • „Es könnte gleich regnen.“ (Angabe einer Möglichkeit, aufgrund des Modalverbs „könnte“)

Solange auf die vom Verb ausgedrückten Inhalte abgestellt wird, wäre der Begriff Prädikat nicht eigens erforderlich.[16]

Ein zweites Problem besteht darin, auf welchen Bereich des Satzes man sich mit Prädikat oder Satzaussage bezieht. Die Wortherkunft von „Prädikat“ (lat. praedicare) entstammt der Vorstellung, dass das Prädikat eine Aussage macht (und zwar über einen Gegenstand, das Subjekt). Diese Wortherkunft bezieht sich jedoch auf die Logik des Aristoteles, nicht auf die Satzstruktur des Deutschen. Im Deutschen umfasst das Prädikat nur einen sehr engen Bereich von Satzteilen um das finite Verb herum (siehe die genauere Begründung im nächsten Abschnitt). Eine Aussage des Satzes, oder auch eine Beschreibung eines Geschehens, ist oft nicht allein durch das Prädikat in diesem engen grammatischen Sinn gegeben, sondern nur im Zusammenspiel mit den Ergänzungen, die vom Prädikat abhängen, erkennbar. Es trifft zwar zu, dass die Wortbedeutung vieler Verben eine Eigenschaft von Ereignissen ausdrückt, aber nicht, dass dies schon „die (komplette) Beschreibung“ eines Ereignisses sein müsste. Beispielsweise ergeben sich mit dem Verb „brechen“ sehr verschiedene Arten des Geschehens je nachdem, ob es heißt „das Brot brechen“, „einen Rekord brechen“ oder „ein Versprechen brechen“.[17]

Das Prädikat eines Satzes (im Sinne der deutschen Grammatik) erscheint dementsprechend auch nicht separat als Antwort auf eine Frage nach der Art eines Geschehens:[18]

  • „Was tut Dirk“? – „Er nimmt den Datenhelm“ / „Den Datenhelm nehmen“ / ?? „Nimmt.“ / ?? „Nehmen.“

Die Antwort auf eine Frage nach einem Geschehen besteht meist sogar in einem vollständigen Satz.

Das Prädikat als Satzglied?

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In einigen älteren Grammatiken des Deutschen wird das Prädikat als ein „Satzglied“ bezeichnet (z. B. von Helbig & Buscha).[19] Dies kann dadurch motiviert werden, dass es einen unmittelbaren Bestandteil in der Aufteilung des Satzes darstellt, wie auch in der Tabellendarstellung weiter oben unter #Begriff. Zu beachten ist aber, dass diese Redeweise mit der heute üblichsten Definition von Satzglied nicht vereinbar ist, nämlich als ein Satzteil, der vom Prädikat abhängt und ins Vorfeld verschiebbar ist.[20] (Auch wenn Teile des Prädikats ins Vorfeld verschiebbar sind, gilt es nicht für „das Prädikat“ als ganzes.) Von vielen Autoren wird das Prädikat daher dezidiert nicht als Satzglied bezeichnet.[21][22]

Auch der Fragetest, der im vorhergehenden Abschnitt angesprochen wurde, zeigt, dass das Prädikat sich anders verhält als die Satzglieder: Das Prädikat im Sinn der deutschen Grammatik ist nicht separat erfragbar, im Gegensatz zu den eigentlichen Satzgliedern, für die klare Fragetests existieren (siehe den Artikel Ergänzungsfrage). Eine zu den Satzgliedtests analoge „Frageprobe“ für das Prädikat (in der Form „Was tut...?“) wird daher auch in der didaktischen Fachliteratur kritisch gesehen.[23]

Deutsch und Englisch im Vergleich

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Die Existenz von zwei verschiedenen Definitionen von Prädikat ist nicht willkürlich, sondern der Prädikatsbegriff der germanistischen Tradition zielt auf eine Besonderheit der deutschen Grammatik, nämlich dass die Verben des Deutschen sich zu einem sogenannten komplexen Prädikat (zusammengesetzten Prädikat) zusammenfinden können (siehe im Abschnitt #Begriff). Die Syntax der Verben und Hilfsverben im Englischen ist jedoch anders strukturiert, hier verbindet sich jedes Verb bzw. Hilfsverb zunächst mit der gesamten direkt nachfolgenden Ergänzung[24] (im Gegensatz zu einer schulgrammatisch verbreiteten Redeweise, die auch von allen Verben des englischen Satzes zusammengefasst als „dem Prädikat“ spricht).

Dies kann durch Klammerung wie folgt verdeutlicht werden:

Deutsch: (dass) du den Hund [spazierenführen musst].
Englisch:       You [must [walk the dog]].

Ein Beleg für diesen Unterschied ist, dass im Englischen Adverbien zwischen Verben und Hilfsverben eingeschoben werden können, im Deutschen nicht. Hieraus kann man schließen, dass zwischen den englischen Verben syntaktische Grenzen verlaufen (die in der obigen Klammerung angedeutet sind), zwischen den Verben des deutschen Prädikats jedoch nicht:[25]

Englisch: The new law [may            [have          [been  badly [formulated]]]].
          The new law [may   possibly [have   indeed [been  badly [formulated]]]].
Deutsch: (dass) das Gesetz vielleicht        wirklich    schlecht [formuliert * worden * ist].

(An den Stellen, die durch * markiert sind, kann kein Adverb stehen)

In den englischen Beispielen, so wie You [must [walk the dog]], ist nun eine Zweiteilung des Satzes zu sehen zwischen dem Subjekt You (bzw. The new law) und dem Rest. Dies legt eine „aristotelische“ Auffassung von Prädikat nahe, nämlich als „Satz minus Subjekt“. Diese klassische Zweiteilung des Satzes (die in der Linguistik auch als „S = NP + VP“ notiert wird) ist wiederum in der Grammatik des Deutschen nicht verwendbar,[26] weil häufig das Subjekt nicht dem gesamten Rest als einer Einheit gegenübergestellt werden kann (der dann eine Verbalphrase (VP) bilden würde). Alle Satzglieder des Deutschen hängen vom zusammengesetzten Prädikat als Ganzem ab (die sogenannte Kohärente Konstruktion) und können dabei in den verschiedensten Reihenfolgen auftreten. So kann sich das Nominativsubjekt im Deutschen auch tief im Inneren des Satzes befinden:[27]

Adverbial Dativobjekt Subjekt Prädikat
…wenn gestern Kunden ein falscher Betrag genannt worden ist

Wenn als „Prädikat“ eine Verbalphrase angesetzt werden soll, erfordert dies, dass das Subjekt außerhalb davon steht, weil nur in diesem Fall eine solche Einheit über das Subjekt „prädiziert“ wird.

Prädikate ohne Verb

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In manchen Sprachen können reguläre Sätze gebildet werden, ohne dass ein Verb darin erscheint. Ein Beispiel hierfür ist das Russische. Anders als im Deutschen muss dort im Präsens kein Kopulaverb wie das deutsche sein erscheinen, sondern Adjektive oder Substantive können alleine in prädikativer Funktion stehen. Das Adjektiv hat im Russischen eine spezielle Form für den prädikativen Gebrauch. Beispiele:

Он инженер.
On inžener     „Er (ist) Ingenieur.“
Инженер болен.
Inžener bolen  „(Der) Ingenieur (ist) krank.“

Vergleiche aber:

больной инженер
boľnoj inžener  „(der) kranke Ingenieur“

Siehe auch

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Literatur

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  • Duden. Die Grammatik. 8. Auflage. Dudenverlag, Mannheim 2009, ISBN 978-3-411-04048-3.
  • Matthias Granzow-Emden: Deutsche Grammatik verstehen und unterrichten. 3. Auflage. Narr/Francke/Attempto, Tübingen 2019, ISBN 978-3-8233-8134-1.
  • Hubert Haider: The Syntax of German (= Cambridge Syntax Guides). Cambridge University Press, Cambridge (UK) 2010, ISBN 978-0-521-86525-8.
  • Dietrich Homberger: Das Prädikat im Deutschen: Linguistische Terminologie in Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 1993, ISBN 3-322-92479-3.
  • Birgit Mesch, Björn Rothstein (Hrsg.): Was tun mit dem Verb? Über die Möglichkeit und Notwendigkeit einer didaktischen Neuerschließung des Verbs. Walter de Gruyter, Berlin 2015, ISBN 978-3-11-039338-5.
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Wiktionary: Prädikat – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Satzaussage – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Siehe z. B. Roland Schäfer: Einführung in die grammatische Beschreibung des Deutschen. 3. Auflage. Language Science Press, Berlin 2018. ISBN 978-3-96110-116-0. Online frei zugänglich. S. 188.
  2. Hierüber herrscht in der deutschen Grammatik incl. Grammatiktheorie breite Einigkeit, trotz einzelner anders strukturierter Darstellungen. Siehe insbesondere: Dudengrammatik 2009, S. 460f. / Rand-Nr. 651. – Karin Pittner, Judith Berman: Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. 4. Auflage. Narr, Tübingen 2010, Kapitel 8.1. – Haider (2010), Kapitel 7.2. – Stefan Müller: Head-driven Phrase Structure Grammar. Eine Einführung. 3. Auflage. Stauffenburg, Tübingen 2013. Kapitel 15.
  3. Dudengrammatik 2009, S. 844 / Rand-Nr. 1309f.
  4. Rodney Huddleston, Geoffrey K. Pullum: The Cambridge grammar of the English language. Cambridge University Press, Cambridge (UK) 2002. Siehe S. 20, 25, 26, 48.
  5. Bas Aarts, Liliane Haegeman: English Word Classes and Phrases. In: Bas Aarts, April MacMahon (eds.): The Handbook of English Linguistics. Blackwell, Oxford 2006, S. 117–145. Siehe v. a. S. 128, 136.
  6. So (d. h. „predicator“) genannt in der englischen Grammatik: Rodney Huddleston, Geoffrey K. Pullum: The Cambridge grammar of the English language. Cambridge University Press, Cambridge (UK) 2002. S. 48. Im Deutschen findet sich auch die Bezeichnung „Prädikatsverb“ (so Christian Lehmann: Skript „Syntaktische Funktionen“, abgerufen am 9. Februar 2022).
  7. Matthias Granzow-Emden: Musterbildung in der Grammatik am Beispiel des Verbs. In: Birgit Mesch, Björn Rothstein (Hrsg.) (2015), S. 107–133. Siehe S. 121, Fußnote 27. – Einen prinzipiell gleichartigen Befund, bei jedoch oft wenig expliziten Angaben, ergibt die Sichtung von Sprachlehrwerken in: Birgit Mesch, Yvonne Dammert: Verbwissen in der Primarstufe, in demselben Sammelband, S. 1–43. Siehe hierfür vor allem S. 17f. (Abschnitt 3.3.2)
  8. Siehe z. B. Elke Hentschel (Hrsg.): Deutsche Grammatik ( = De Gruyter Lexikon). Walter de Gruyter, Berlin 2010. Stichwort „Prädikat“ S. 253f. – Infinite Nebensätze werden in diesem Werk (S. 319, unter dem Lemma „Satz“) unter der Rubrik „Nebensatzäquivalente“ geführt, aber zugleich alternativ auch als „Infinitivsätze“ bezeichnet.
  9. Ausführlich zur Analyse als vollgültige Nebensätze: Wolfgang Sternefeld: Syntax. Eine morphologisch motivierte generative Beschreibung des Deutschen. 3. Auflage. Stauffenburg, Tübingen 2009, Band 1, S. 197ff. (= Kapitel III.5.2 Infinitivische CPs).
  10. Maria Averintseva-Klisch, Steffen Froemel: Der komplexe Satz. (= Linguistik und Schule, 13). Narr / Francke / Attempto, Tübingen 2022, ISBN 978-3-8233-8222-5. S. 11.
  11. Elke Hentschel (Hrsg.): Deutsche Grammatik ( = De Gruyter Lexikon). Walter de Gruyter, Berlin 2010. Stichwort „Mehrteiliges Prädikat“ S. 178.
  12. Vgl. Granzow-Emden (2019), S. 94. Vgl. S. 98, wo die SOV-Analyse des deutschen Satzes aus der wissenschaftlichen Grammatik zwar zusätzlich erwähnt, aber für den didaktischen Ansatz des Buches verworfen wird.
  13. Der Rest des Prädikats „rutscht ans Satzende“: Ulrike Holzwarth-Raether, Ute Müller-Wolfangel: Duden. Die Grundschulgrammatik. Dudenverlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-411-71882-5, S. 89.
  14. „Die Verbbewegungsanalyse, die im Rahmen der Transformationsgrammatik von Bierwisch (1963, 34) [...u.a. ...] entwickelt wurde, ist heute praktisch Standard in allen Grammatikmodellen“ (hier wird auch HPSG eingeschlossen). Zitat aus Stefan Müller: Grammatiktheorie. Stauffenburg, Tübingen 2010. S. 108.
  15. Lehrbuch Deutsch plus 7, Cornelsen Verlag 2006, zitiert in Granzow-Emden (2019), S. 290f. Hieran angelehnt auch die nachfolgende Kritik.
  16. Granzow-Emden (2019) schlägt daher vor, den Prädikatsbegriff in den gängigen didaktischen Anwendungen einfach wegzulassen.
  17. Zum besonderen Beitrag des direkten Objekts für die Ereignisbeschreibung vgl.: Angelika Kratzer: Severing the external argument from its verb. In Johan Rooryck, Laurie Zaring (eds.): Phrase structure and the lexicon. Kluwer, Dordrecht 1996. S. 109–138.
  18. Granzow-Emden (2019), S. 290f.
  19. Siehe die ausführliche Übersicht in Homberger (1993) und dessen Zusammenfassung auf S. 129.
  20. Vgl. Birgit Mesch, Yvonne Dammert: Verbwissen in der Primarstufe, in Mesch & Rothstein (Hrsg.)(2015), S. 5, Fußnote 6.
  21. Siehe z. B. Karin Pittner, Judith Berman: Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. 4., aktualisierte Auflage. Narr, Tübingen 2010, S. 39f.
  22. So letztlich auch, mit Erwähnung abweichender Terminologien: Grammatisches Informationssystem des IDS Mannheim, online: Wissenschaftliche Terminologie/Satzglied. Abgerufen am 6. Dezember 2022.
  23. So auch kurz: Miriam Langlotz: Grammatikdidaktik. In: Birgit Mesch, Florian Radvan, Björn Rothstein (Hrsg.): Kernbegriffe der Sprachdidaktik Deutsch: Ein Handbuch. Schneider Verlag, Baltmannsweiler 2019, ISBN 978-3-7639-6543-4, S. 122–145. Siehe S. 131.
  24. Hierzu ausführlich: Haider (2010), Kapitel 7.
  25. Beispiel aus Haider (2010), S. 17, vereinfacht; englische Version dort zitiert aus der Grammatik von Quirk et al. (1985)
  26. Sie wird in Einführungsbüchern dennoch oft verwendet; ein Beispiel ist Imo (2016), S. 137ff. Da diese Zweiteilung für das auf S. 140 analysierte Beispiel undurchführbar ist, wird dort ein Syntaxbaum mit überkreuzenden Ästen gezeichnet, ohne dass diese Darstellung näher definiert wird. – Wolfgang Imo: Grammatik. Eine Einführung. J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2016. ISBN 978-3-476-02612-5. – Für den Stand der Forschung, der dem entgegensteht, siehe z. B. Haider (2010), Kap. 1.4. Auch das Feldermodell des deutschen Satzes verwendet eine Aufteilung, die mit der NP-VP-Aufteilung inkompatibel ist.
  27. Siehe Haider (2010), Kap. 6.2.3 (S. 259): Der Nominativ wird hier dem Passivsubjekt einfach in derselben Position zugewiesen wie der Akkusativ des direkten Objekts im entsprechenden Aktivsatz. – Die Wortstellung des Beispiels lässt sich folglich nicht als Scrambling des Dativobjekts wegerklären, also als eine Bewegung, die das Objekt vor das Nominativsubjekt führt. Sowohl definite als auch indefinite Dativobjekte (z. B. indefinites „wem“) hätten zunächst die gleiche Stellung relativ zum Nominativ. Zum Nachweis, dass Folgen mit verbnahem Nominativ die Grundwortstellung bilden können, siehe auch: Hubert Haider: Mittelfeld Phenomena, in: M. Everaert & H. van Riemsdijk (eds.): The Blackwell Companion to Syntax, Blackwell, Oxford 2006, Vol. 3, S. 204–274, Abschnitt 2.2.2. – Siehe auch: Subjekt (Grammatik) #Subjekte, die nicht hierarchisch höchste Ergänzung des Verbs sind.