Schlacht bei Château-Thierry

Schlacht der Koalitionskriege 1814
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Die Schlacht bei Château-Thierry war eine Schlacht des Sechs-Tage-Feldzuges der Befreiungskriege. Die Schlacht fand am 12. Februar 1814 bei Château-Thierry an der Marne in Frankreich statt. Sie wurde ausgetragen zwischen einer französischen Armee unter dem Kommando Napoleons und einem Kontingent der Schlesischen Armee, bestehend aus einem russischen Korps unter General von der Osten-Sacken und einem preußischen Korps unter General Yorck. Das Ergebnis war der Rückzug der Koalitionstruppen über die Marne bis Reims. Die Koalitionstruppen erlitten hohe Verluste, die napoleonischen Truppen nur geringe.

Schlacht bei Château-Thierry
Teil von: Befreiungskriege

Datum 12. Februar 1814
Ort Château-Thierry, Frankreich
Ausgang Rückzug des russischen Korps unter von Osten-Sacken und des preußischen Korps unter Yorck über die Marne bis Reims
Konfliktparteien

Frankreich 1804 Frankreich

Russisches Kaiserreich 1721 Russland
Preussen Konigreich Preußen

Befehlshaber

Frankreich 1804 Napoleon Bonaparte
Frankreich 1804 Michel Ney

Russisches Kaiserreich 1721 Fabian von der Osten-Sacken
Preussen Konigreich Ludwig Yorck von Wartenburg

Verluste

600

1.250 Preußen
1.500 Russen

Vorgeschichte

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Am Vortage hatte Napoleon die beiden gleichen Korps der Schlesischen Armee in der Schlacht bei Montmirail zum Rückzug nach Norden gezwungen und insbesondere dem russischen Korps von der Osten-Sacken hierbei schwere Verluste zugefügt. In der Nacht waren die Koalitionstruppen auf verschlammten, grundlosen Wegen auf Château-Thierry gezogen. Dort hatte General Yorck bereits am Vortage seine schwere Artillerie zurückgelassen und ebenso einen erheblichen Teil seiner Truppen, die die Zeit dazu genutzt hatten, eine zweite (Schiffs-)Brücke zum Übergang über die Marne zu errichten.

General Yorck verbrachte die Nacht bei dem kleinen Dorf Viffort, wo am nächsten Morgen General Sacken zu ihm stieß. General Sacken war der dienstältere Offizier und hatte bei gemeinsamen Aktionen den Oberbefehl.

Napoleon ließ seine Truppen in dieser Nacht ruhen und verbrachte sie selbst in einem Bauernhof.[1] Noch am Abend sandte er einen Kurier an Marschall MacDonald, der mit seinen Truppen bei Meaux, 51 km weiter westlich an der Marne stand, und wies diesen an, unverzüglich am Nordufer der Marne nach Château-Thierry zu marschieren, um den Koalitionstruppen den Übergang zu verwehren. MacDonald sollte aber zur Enttäuschung Napoleons nicht erscheinen.

Gefechtsverlauf

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Das Marnetal bei Château-Thierry

Napoleon ließ seinen Truppen am Morgen des 12. Februar 1814 ausreichend Zeit, um sich zu versorgen. Erst gegen 10.00 Uhr stellte er ein neues Kavallerie-Korps von wenigstens 4000 Reitern[2] zusammen, das er unter den Befehl des Marschall Ney stellte und den abziehenden Koalitionstruppen nachsandte. Diesen folgten dann ausgewählte Fußtruppen, darunter wenigstens eine Division der Alten Garde unter Marschall Mortier.

Yorck hatte mit seinen Truppen auf dringende Bitte Sackens hin die Deckung des gemeinsamen Rückzuges übernommen. Am Nordrand einer lang gestreckten Senke etwa 6 km südlich von Château-Thierry, in der ein Bach zur Marne fließt, hatte er mehrere Bataillone und seine Reservereiterei aufgestellt, insgesamt noch 24 Eskadrons, also 3.600 Reiter.[3] Der restlichen preußischen Reiterei unter Katzler, die bis dahin die Nachhut gebildet hatte, war erlaubt worden, nach Château-Thierry und über die Marne abzuziehen. Verstärkt wurde Yorcks Mannschaft durch einige russische Truppen und insbesondere russische Kavallerie, die ihm Sacken ausdrücklich zugesagt hatte.

Als Napoleons vorrückende Truppen auf die preußischen trafen, begannen sie, diese im Osten zu umgehen. Als die Preußen diesem Umgehungsversuch entgegentraten, wurden sie von einem massiven Angriff der zahlenmäßig überlegenen französischen Kavallerie zurückgeworfen und mussten in Unordnung auf den Südhang des Marnetals zurückgehen. Die russische Reiterei trat zu keiner Zeit ins Gefecht ein und setzte sich nach Château-Thierry ab, um über die Marne zu gehen.[4] Das Gleiche tat auch die preußische Reservekavallerie, soweit sie der französischen Kavallerie entkommen konnte. Die verbliebene Infanterie musste sich unter ständig wiederholten Angriffen der französischen Kavallerie und anhaltenden Verlusten, nur unterstützt von fünf Eskadrons Husaren (ein Regiment), nach Château-Thierry hinein retten. Danach fiel die französische Reiterei rund um Château-Thierry am Südufer der Marne über jene Infanterieeinheiten her, die sich nicht geschlossen wehrten oder schnell genug über die Marnebrücken entkamen, wodurch Preußen wie Russen weitere erhebliche Verluste zugefügt wurden und ihr Rückzug in Unordnung geriet. Erst spät konnten einige Geschütze der Koalitionstruppen vom nördlichen Marneufer her die französische Kavallerie auf Abstand halten.

Am Abend wurde die Schiffsbrücke von den Koalitionstruppen eingezogen und das Mittelteil der alten Marnebrücke verbrannt, indem ein brennender Kahn darunter gezogen wurde. Zurückgelassen wurden ein erheblicher Teil des Gepäcks, viele Munitionswagen und einige Geschütze, die im Schlamm stecken geblieben waren.

Der Rückzug über die Marne erfolgte nicht zuletzt deshalb langsam und ungeordnet, weil die Soldaten der Koalition sich nicht davon abhalten ließen, die Stadt, die zum größeren Teil am nördlichen Marneufer liegt, nach Lebensmitteln zu durchsuchen, und alles, was sie fanden, auf gestohlenen Bauernwagen mitgehen zu lassen.

Die nächsten Tage

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Die Marne bei Château-Thierry

Instandsetzung der Marnebrücke

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Auf dem nördlichen Marneufer war eine russische Einheit zurückgelassen worden, die am Morgen des 13. Februar 1814 mit ihrem Sperrfeuer zunächst verhinderte, dass die Marnebrücke sofort wiederhergestellt werden konnte. Dann gelang es einem einzelnen französischen Soldaten, die winterlich kalte Marne, auf der Eisschollen trieben, zu durchschwimmen, einen Kahn zu entwenden und diesen an das Südufer zu bringen. Auf diesem Kahn, und später weiteren, setzten französische Soldaten im Musketenfeuer der Russen Fahrt um Fahrt über die Marne und vertrieben die Russen erfolgreich vom Marneufer.

Napoleon, der selbst in Château-Thierry anwesend war, ließ daraufhin sofort die alte Brücke wieder instand setzen und auch die Schiffsbrücke wiederherstellen. Dann sandte er eine Einheit unter Marschall Mortier hinter den abziehenden Russen und Preußen her.

Die Stimmung in der Region

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Durch die rücksichtslosen Plünderungen hatten sich die Koalitionstruppen bei den Bürgern Château-Thierrys so verhasst gemacht, dass diese verwundete Russen oder Preußen, die sie noch in den Straßen der Stadt fanden, so, wie sie waren, in das eiskalte Wasser der Marne warfen.[5] Auch bei der Instandsetzung ihrer Brücke halfen die Bürger Château-Thierrys aktiv und engagiert mit, insbesondere, indem sie das erforderliche Baumaterial herbeischafften. In der Stadt und der ganzen Region erhob sich Begeisterung über die Niederlage der Koalitionstruppen. Rundherum bewaffnete sich das Landvolk und unterstützte offen die napoleonischen Truppen: Wohin diese kamen, wurden ihnen Pferde und Wagen zur Unterstützung angeboten.

Yorck und Sacken hingegen war es tagelang nicht möglich, Berichte an ihren vorgesetzten Feldmarschall Blücher zu senden, da alle Kuriere abgefangen wurden und in Gefangenschaft gerieten. Yorck war immerhin so klug, bewaffnet aufgegriffene Bauern nicht zu bestrafen und dadurch die feindselige Stimmung im Lande nicht weiter anzuheizen.[6]

Der Zustand der Koalitionstruppen

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Es war ein elender Zug von Russen und Preußen, der weit auseinandergezogen nach Norden zog und dessen Spitze zwei Tage später am 14. Februar 1814 im 58 km entfernten Reims eintraf. Unter den Preußen war jeder zweite krank oder konnte wegen schlechtem oder fehlendem Schuhwerk nicht mehr marschieren und bewältigte die Strecke nach Reims nur auf einem Bauernwagen.

In seinem ersten Bericht an Blücher schrieb Yorck:

„Ich kann nicht verhehlen, dass mein Korps im höchsten Grade fatiguirt (ermüdet) und die Fußbekleidung in dem traurigsten Zustand ist, so dass außerordentlich viele Leute zurückbleiben und ich fürchten muss, die Hälfte des Korps liegen zu lassen.“

General Yorck nach dem Gefecht bei Château-Thierry an Feldmarschall Blücher[7]

In den nächsten Tagen versuchte Yorck überwiegend vergeblich, Besserung zu schaffen. In seinem ersten Tagesbefehl in Reims schilderte er offen die Missstände, die er zu tadeln hatte:

„Mit größtem Missfallen habe ich die ungeheure Vermehrung der Bagagen des Korps wahrgenommen: Eine unzählige Menge Landfuhrwerke sind mit Weinfässern, altem Fleisch, verdorbenem Brot, einzelnen Säcken, Weibern, Schuhkranken u.s.f. beladen.“

General Yorck in seinem Tagesbefehl vom 14. Februar 1814 in Reims[8]

Napoleon folgte Yorck und Sacken mit dem Gros seiner Truppen nicht nach. Er hatte neue Meldungen von seinem Marschall Marmont vorliegen, der berichtete, dass Blücher mit zwei Korps von Bergères-lès-Vertus nach Westen aufgebrochen sei und ihn bedränge. Napoleon kehrte noch am 13. Februar 1814 nach Montmirail zurück zu seinem nächsten Schlag gegen Preußen und Russen.

Literatur

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  • Friedrich Saalfeld: Allgemeine Geschichte der neuesten Zeit. Seit dem Anfange der französischen Revolution. Brockhaus, Leipzig 1819 (4 Bände).
  • Karl von Damitz: Geschichte des Feldzuges von 1814 in dem östlichen und nördlichen Frankreich bis zur Einnahme von Paris. Als Beitrag zur neueren Kriegsgeschichte. Mittler, Berlin 1842/43 (3 Bände).
  • Friedrich Christoph Förster: Geschichte der Befreiungs-Kriege 1813, 1814, 1815. Band 2. G. Hempel, Berlin 1858.
  • Ludwig Häusser: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Grossen bis zur Gründung des deutschen Bundes. Salzwasser-Verlag, Paderborn 2012, ISBN 978-3-86382-553-9. (Nachdr. d. Ausg. Berlin 1863)
  • Heinrich Ludwig Beitzke: Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren 1813 und 1814. Band 3: Der Feldzug von 1814 in Frankreich. Duncker & Humblot, Berlin 1855.
  • Joseph Edmund Woerl: Geschichte der Kriege von 1792 bis 1815. Herder’sche Verlagshandlung, Freiburg/B. 1852.
  • Carl von Plotho: Der Krieg in Deutschland und Frankreich in den Jahren 1813 und 1814. Teil 3. Amelang, Berlin 1817.
  • Johann Sporschill: Die grosse Chronik. Geschichte des Krieges des verbündeten Europas gegen Napoleon Bonaparte in den Jahren 1813, 1814 und 1815. Band 2, Westermann, Braunschweig 1841. (2 Bde.)
  • Karl von Müffling: Zur Kriegsgeschichte der Jahre 1813 und 1814. Die Feldzüge der schlesischen Armee unter dem Feldmarschall Blücher. Von der Beendigung des Waffenstillstandes bis zur Eroberung von Paris. 2. Auflage. Mittler, Berlin 1827.
  • Karl von Müffling: Aus meinem Leben. Zwei Theil in einem Band. VRZ-Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-931482-48-0. (Nachdr. d. Ausg. Berlin 1851)
  • Karl Rudolf von Ollech: Carl Friedrich Wilhelm von Reyher, General der Kavallerie und Chef des Generalstabes der Armee. Ein Beitrag zur Geschichte der Armee mit Bezug auf die Befreiungskriege 1813, 1814 und 1815. Band 1. Mittler, Berlin 1861.
  • Theodor von Bernhardi: Denkwürdigkeiten aus dem Leben des kaiserl. russ. Generals von der Toll. Wiegand, Leipzig 1858/66 (4 Bände).
  • Alexander Iwanowitsch Michailowski-Danilewski: History of the Campaign in France in the Year 1814. Trotman Books, Cambridge 1992, ISBN 0-946879-53-2. (Nachdr. d. Ausg. London 1839; vom Autor aus dem Russischen übersetzt)
  • Modest Iwanowitsch Bogdanowitsch: Geschichte des Krieges 1814 in Frankreich und der Sturzes Napoleon’s I.; nach den zuverlässigsten Quellen. Band 1. Schlicke-Verlag, Leipzig 1866.
  • Jacques MacDonald: Souvenirs du maréchal Macdonald duc de Tarente. Plon, Paris 1821.
  • Auguste Frédéric Louis Viesse de Marmont: Mémoires du duc de Raguse de 1792 à 1832. Perrotin, Paris 1857 (9 Bände).
  • Agathon Fain: Souvenirs de la campagne de France (manuscrit de 1814). Perrin, Paris 1834.
  • Antoine-Henri Jomini: Vie politique et militaire de Napoléon. Racontée par lui-même, au tribunal de César, d’Alexandre et de Frédéric. Anselin, Paris 1827.
  • Guillaume de Vaudoncourt: Histoire des campagnes de 1814 et 1815 en France. Castel, Paris 1817/26.
    • deutsche Übersetzung: Geschichte der Feldzüge von 1814 und 1815 in Frankreich. Metzler, Stuttgart 1827/28.
  • Alphonse de Beauchamp: Histoire des campagnes de 1814 et de 1815. Band 2, Édition Le Normand, Paris 1817.
  • Frédéric Koch: Mémoires pour servir a l’histoire de la campagne de 1814. Accompagnés de plans, d’ordres de bataille et de situations. Maginet, Paris 1819.
  • Maurice Henri Weil: La campagne de 1814 d’après les documents des archives impériales et royales de la guerre à Vienne. La cavalerie des armées alliées pendant la campagne de 1814. Baudouin, Paris 1891/96 (4 Bände).
  • Henry Houssaye: 1814 (Librairie Académique). 94. Auflage. Perrin, Paris 1947 (EA Paris 1905).
    • deutsche Übersetzung: Die Schlachten bei Caronne und Laon im März 1814. Bearbeitet nach dem französischen Geschichtswerk „1814“. Laon 1914.
  • Maximilian Thielen: Der Feldzug der verbündeten Heere Europa’s 1814 in Frankreich unter dem Oberbefehle des k.k. Feldmarschalls Fürsten Carl zu Schwarzenberg. k.k. Hofdruckerei, Wien 1856.
  • August Fournier: Napoleon I. Eine Biographie. Vollmer, Essen 1996, ISBN 3-88851-186-0. (Nachdr. d. Ausg. Wien 1906)
  • Archibald Alison: History of Europe from the commencement of the French Revolution to the restoration of the Bourbons in 1815. Band 11: 1813–1814. 9. Auflage. Blackwood, Edinburgh 1860.
  • Francis Loraine Petre: Napoleon at Bay. 1814. Greenhill, London 1994, ISBN 1-85367-163-0 (Nachdr. d. Ausg. London 1913).
  • David G. Chandler: Campaigns of Napoleon. Weidenfeld & Nicolson, London 1998, ISBN 0-297-74830-0. (EA London 1966)
  • David Chandler: Dictionary of the Napoleonic wars. Greenhill, London 1993, ISBN 1-85367-150-9. (EA London 1979)
  • Stephen Pope: The Cassell Dictionary of Napoleonic Wars. Cassell, London 1999, ISBN 0-304-35229-2.
  • Gregory Fremont-Barnes: The Napoleonic Wars. Band 4: The Fall of the French Empire 1813–1815. Osprey Publ., Oxford 2002, ISBN 1-84176-431-0.
  • François-Guy Hourtoulle: 1814. La campagne de France; l’aigle blessé. Histoire & Collections
    • englische Übersetzung: 1814. The Campaign for France; the wounded eagle. Éditions Histoire & Collections, Paris 2005, ISBN 2-915239-55-X.
  • Michael V. Leggiere: The Fall of Napoleon. Band 1: The Allied Invasion of France 1813–1814. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-87542-4.
  • Andrew Uffindell: Napoleon 1814. The Defence of France. Pen & Sword Military, Barnsley 2009, ISBN 978-1-84415-922-2.
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Einzelnachweise

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  1. Alison, Vol XII, S. 497 ff.
  2. Förster S. 690.
  3. A. Mikhailofsky-Danilefsky, Archibald Alison: History of Europe from the commencement of the French Revolution to the restoration of the Bourbons in 1815. Band 11: 1813–1814. 9. Auflage. Blackwood, Edinburgh 1860
  4. Einige preußische Autoren deuten an, dies sei bereits eine Folge der anhaltenden Differenzen zwischen den kommandierenden Generälen Osten-Sacken und Yorck gewesen. Der russische Autor Mikhailofsky-Danilefsky hingegen berichtet, die preußische Kavallerie sei gegen russischen Rat so schlecht geführt worden, dass ein Einsatz der russischen Reiter sinnlos geworden war.
  5. vgl. Houssaye
  6. Förster S. 695 f.
  7. Förster S. 698 ff.
  8. Förster S. 697.