Mikrografie (Kalligrafie)

(Weitergeleitet von Schriftmalerei (Kalligrafie))
Dies ist die gesichtete Version, die am 26. September 2024 markiert wurde. Es existieren 6 ausstehende Änderungen, die noch gesichtet werden müssen.

Mikrografie in der jüdischen Tradition

Bearbeiten

Mikrografie ist eine winzige Schrift, die in abstrakte Muster geschrieben oder in figürliche Formen gebracht wird, beispielsweise in die Form von Tieren, Blumen oder menschlichen Figuren. Dies ist eine jüdische Form der Verschönerung biblischer Texte, die im späten 9. Jahrhundert entwickelt und erstmals von jüdischen Schreibern im Heiligen Land und in Ägypten verwendet wurde. Das früheste datierte Beispiel der Mikrographie ist der

Ben Ascher-Kodex der Propheten (datiert 895–6 n. Chr., Kairo).[1]

Ursprünglich wurde diese winzige Schrift als Randnotiz in Bibelhandschriften verwendet und vermittelte die Masora, die traditionelle Art, den Bibeltext zu schreiben und/oder zu lesen. Die Informationen umfassten das Zählen und Auflisten jedes Wortes in der hebräischen Bibel, wie oft es verwendet wurde und wo es sonst in der Bibel in genau derselben grammatikalischen Form erschien. Der Zweck dieser Informationen bestand darin, die Genauigkeit des heiligen Textes zu bewahren und zu stabilisieren. In den frühesten Bibelkodizes war die Verzierung normalerweise geometrisch und abstrakt, aus Respekt vor der ikonoklastischen Natur der lokalen islamischen Kunst. Später wurde sie auch häufig in Tiere und Blumen umgewandelt.[1]

Diese jüdischen Ritualschreiber waren bereits im Schreiben in winziger Schrift versiert. Zu ihrem Handwerk gehörte es, Bibelverse in kleiner Schrift für Mesusot und als Einlagen für Tefillin zu schreiben. Als die Standardform heiliger Bücher von der Rolle zum Kodex wechselte, erhielt der Schreiber die Freiheit, Vokalpunkte, Kantillationszeichen und masoretische Notizen in die Ränder einzufügen. Er erhielt auch die Freiheit, die Bibel im Stil der Zeit zu verzieren. Die Umwandlung der Randnotizen in Designs war ein Ventil für die kreativen Talente der Schreiber. Diese Schreibinnovation wurde schließlich zur Tradition.[1]

Laut Professor Laila Avrin (1935–1999), einer Expertin für Mikrographie, verbreitete sich diese jüdische Kunstform nach Jemen und dann nach Europa, wo sie zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert den Höhepunkt ihrer Popularität erreichte und einen einzigartigen Stil zeigte. Die Verwendung des eigenen Alphabets zu dekorativen Zwecken und der Glaube an die Heiligkeit des geschriebenen Wortes sind nicht nur den Juden vorbehalten. Doch ist an der jüdischen Mikrographie einzigartig, dass der winzige Text normalerweise die Umrisse des Motivs zeichnet.[1]

Während die Mikrografie zunächst nur zur Freude von Bibellesern und -gelehrten eingesetzt wurde, da sie eine dekorative Methode zur Darstellung der Masora war, wurde sie in späteren Jahrhunderten auch zu einer Technik, mit der die Schönheit von Bibel- und Gebetbuchmanuskripten hervorgehoben und ein breiteres Publikum angesprochen wurde. Mit der Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts wurden weniger Bibelmanuskripte hergestellt. Bleidrucke konnten die mikrografischen Details, die mit der Feder möglich waren, nicht reproduzieren. Jüdische Schreiber fanden aber kreative Anwendungsmöglichkeiten für die alte Kunst. Sie benutzten nun die Lithografiepresse für die kostengünstige Verbreitung ihrer mikrografischen Entwürfe. Da zu gehörten verzierte Eheverträge, verschiedene Bibeltexte, biblische Szenen, heilige Stätten in Jerusalem sowie Porträts von Königen, berühmten Rabbis und jüdischen Autoren. Die Beschriftung dieser moderneren Mikrografien ist sehr kunstvoll, klar und leserlich. Die Leser studieren die Seite eingehend, um herauszufinden, welcher Text zur Erstellung des Bildes verwendet wurde, wo der Text beginnt und ob Wörter fehlen.[1]

Mikrografie in der christlichen und der profanen Welt

Bearbeiten

Als Schriftmalerei oder Schreibmalerei bezeichnet man die Malerei mit der Feder. Sie verdankt ihren Ursprung den Schönschreibern (auch: Kalligrafen, Literalmaler, Schreibmeister oder Modisten), die bald nach der Erfindung der Buchdruckerkunst besonders in Nürnberg tätig waren.

Zuerst erfanden sie die Mikrografie (Kleinschreiberei), deren Erzeugnisse auf kleinstem Raum geschrieben und in Ringe gefasst wurden. Bei den zugrundeliegenden Texten handelt es sich oft um das Vaterunser oder einzelne Psalmen.

Später suchte man durch die klein geschriebenen Wörter und Zeilen die Striche des Stifts und Pinsels nachzuahmen und bildete so Figuren und ganze Bildnisse, genannt kalligrafische Bilder, Literalbilder oder Schriftbilder. Die Schrift enthielt dann gewöhnlich die Geschichte der abgebildeten Person, eine Lobschrift derselben oder biblische Stellen.

Kalligrafische Bilder sind unter anderem von Hans Wechter, Bernard de Paris, Etienne de Blégny und Jean Midolle überliefert.

Literatur

Bearbeiten
  • Wilhelm Wattenbach: Das Schriftwesen im Mittelalter. 2. Auflage. S. Hirzel, Leipzig 1875.
  • Eugen von Philippovich: Kuriositäten, Antiquitäten. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber. Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1966.
  1. a b c d e Anchi Hoh: Micrography in the Jewish Tradition, 5. Februar 2018; abgerufen am 26. September 2024.