In der Mathematik, insbesondere in der Funktionalanalysis ist ein Spektralmaß eine Abbildung, die gewissen Teilmengen einer fest gewählten Menge orthogonale Projektionen eines Hilbertraums zuordnet. Spektralmaße werden verwendet, um Ergebnisse in der Spektraltheorie linearer Operatoren zu formulieren, wie z. B. den Spektralsatz für normale Operatoren. Daneben wird der Begriff, jedoch mit anderer Bedeutung, in der Stochastik verwendet.

Definition

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Es seien   ein Messraum,   ein reeller bzw. komplexer Hilbertraum,   der Banachraum der stetigen linearen Operatoren auf   und   die Menge der orthogonalen Projektoren von  . Ein Spektralmaß für das Tripel   ist eine Abbildung   mit den folgenden Eigenschaften:

  1. Es gilt  . Dabei ist   die Identität auf  .
  2. Für jedes   ist  , d. h.   ist Projektor-wertig.
  3. Für alle   ist   mit   ein komplexes bzw. signiertes Maß auf  .

Das Quadrupel   heißt ein Spektralmaßraum.

Häufig wird die auf diese Weise definierte Abbildung   auch als Zerlegung der Einheit   (engl.: resolution of identity) bezeichnet. Auch ist es üblich von einem Projektor-wertigen Maß (engl.: projection-valued measure, häufig kurz PVM) zu sprechen.

Ist   ein topologischer Raum,   seine Topologie und   seine Borelalgebra, so heißt ein Spektralmaß  , dem der Borelsche Messraum   zugrunde liegt, ein Borelsches Spektralmaß. Ist speziell   bzw.  , so heißt das Borelsche Spektralmaß ein reelles bzw. komplexes Spektralmaß. Der Träger eines Borelschen Spektralmaßes ist als

 

definiert. Dies ist das Komplement der größten offenen Teilmenge   von  , für die   ist.

Eigenschaften

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Es sei   ein Spektralmaß für das Datum  . Dann gelten die folgenden Aussagen:

  •  
  • Modularität: Es gilt   für alle  .
  • Multiplikativität: Es gilt   für alle  . Insbesondere kommutieren die Projektoren   und   miteinander und das Bild von   ist senkrecht zum Bild von  , wenn   gilt.

Insbesondere ist jedes Spektralmaß ein endlich additives vektorielles Maß.

Setzt man   für  , so gilt für alle   aufgrund der Polarisationsidentität

 

im komplexen Fall bzw.

 

im reellen Fall. Insbesondere sind die Maße   bekannt, wenn die Maße   bekannt sind, so dass man häufig nur mit diesen arbeitet.

Äquivalente Definition

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Häufig findet man die folgende Charakterisierung von Spektralmaßen in der Literatur als Definition. Eine Abbildung   ist genau dann ein Spektralmaß, wenn

  1.   gilt,
  2.   projektorwertig ist und
  3. für jede Folge   von  -messbaren, paarweise disjunkten Mengen
 
im Sinne der starken Operatortopologie gilt. Diese Eigenschaft wird gelegentlich als punktweise  -Additivität bezeichnet.

Die Bezeichnung Zerlegung der Einheit für   lässt sich nun wie folgt erklären. Ist   eine abzählbare Zerlegung von   in  -messbare Mengen, so gilt

 

bzw.

 

wobei   die orthogonale Summe im Sinne von Hilberträumen der Familie   von abgeschlossenen Unterräumen ist. Dies entspricht der Tatsache, dass die Eigenräume eines normalen Operators des   eine orthogonale Summenzerlegung von   bilden.

Beispiele

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Es sei   ein normaler linearer Operator. Dann ist das Spektrum von   nicht leer und besteht aus den Eigenwerten von  . Die Eigenräume zu den paarweise verschiedenen Eigenwerten von   stehen senkrecht aufeinander und besitzen   als (innere) direkte Summe. Dies ist äquivalent dazu, dass

 

gilt. Dabei ist   die orthogonale Projektion von   auf den Eigenraum von   zum Eigenwert  . Aus dieser Darstellung von   erhält man die

 

„Spektralauflösung“ von   Das Spektralmaß von   ist

 .

Ist   ein beliebiger normaler Operator, so kann das Spektrum von   kontinuierlich sein oder sich in einem Punkt häufen und man ersetzt obige Summe durch einen kontinuierlichen Summationsbegriff, nämlich durch ein (operatorwertiges) Integral.

  • Jeder normale Operator   eines Hilbertraumes bestimmt ein Spektralmaß. Nach dem Spektralsatz für normale Operatoren ist der Operator   eindeutig durch dieses Spektralmaß beschrieben.
  • Es sei L2[0,1] der Hilbertraum der im Lebesgueschen Sinne quadrat-summierbaren Funktionen auf dem Einheitsintervall   und   die Borelalgebra von  . Für eine wesentlich beschränkte Funktion   auf   bezeichne   den durch Multiplikation mit   induzierten Operator auf  . Bezeichnet   die charakteristische Funktion für eine Borelmenge   des Einheitsintervalls und setzt man  , so wird hierdurch ein Spektralmaß   für das Tupel   definiert. Dieses ist das Spektralmaß des Multiplikationsoperators  .

Integration bezüglich eines Spektralmaßes

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Es sei   ein Spektralmaßraum. Mithilfe der zu   assoziierten komplexen Maße   kann man für gewisse  -messbare Funktionen   einen (in der Regel unbeschränkten) linearen Operator

 

des Hilbertraumes   erklären. Dieser Operator wird als Spektralintegral von   und der Prozess, durch den er aus   entsteht, als Integration von   bzgl. des Spektralmaßes   bezeichnet.

Spektralmaß eines normalen Operators

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Es seien   ein Hilbertraum und   ein normaler Operator mit Spektrum  . Dann erklärt man wie folgt ein Spektralmaß   auf der Borelalgebra   von  . Es sei   der Funktionalkalkül der beschränkten Borelfunktionen von  . Da   ein Morphismus von  -Algebren ist, ist für jede Borelmenge   des Spektrums von   durch   eine orthogonale Projektion von   gegeben. Man kann zeigen, dass   ein Spektralmaß ist, das Spektralmaß des normalen Operators  . Der Spektralsatz für normale Operatoren besagt nun, dass

 

gilt. Dabei steht auf der rechten Seite dieser Gleichung das Spektralintegral der beschränkten Borelfunktion   bzgl. des Spektralmaßes  .

Spektralschar

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Definition der Spektralschar

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Eine Familie   von orthogonalen Projektoren   heißt eine Spektralfamilie oder Spektralschar, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  •  .
  •  .
  • Die Familie   ist rechtsseitig stetig, in dem Sinne, dass   gilt.
  • Die Familie   ist monoton wachsend: Gilt  , so gilt  . Diese Bedingung ist äquivalent zu der folgenden Bedingung: Für alle   gilt  .

Dabei sind alle auftretenden Limiten im Sinne der starken Operatortopologie, also punktweise zu betrachten.

Beziehung zum Spektralmaß

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Der Begriff der Spektralfamilie ging historisch dem Begriff des Spektralmaßes voraus und wurde von John von Neumann unter der Bezeichnung Zerlegung der Einheit eingeführt. Der Zusammenhang zwischen beiden Begriffen ist wie folgt gegeben: Zu jedem reellen Spektralmaß   gehört genau eine Spektralschar   und umgekehrt. Dabei bestimmen sich das Spektralmaß   und die Spektralschar   gegenseitig durch die Beziehung

 

Der Träger der Spektralschar   ist die Menge

 

Mithilfe einer Spektralschar, deren Träger kompakt ist, kann man in Anlehnung an das Stieltjes-Integrals für eine stetige Funktionen   einen, als

 

notierten, Operator definieren. Dieser ist eindeutig dadurch bestimmt, dass er die Beziehung

 

erfüllt, wobei nun rechter Hand ein herkömmliches Stieltjes-Integral steht. Es gilt dann

 ,

wenn   das zu   gehörige Spektralmaß bezeichnet.

Spektralmaß eines beschränkten selbstadjungierten Operators

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Die Spektralschar eines beschränkten selbstadjungierten Operators hat kompakten Träger in  , wobei

 

bzw.

 

sei.   wird manchmal als Spektralprojektion bezeichnet. Man stellt sich das Bild dieser orthogonalen Projektion als eine Art verallgemeinerten Eigenraum vor.

Spektralmaß unbeschränkter selbstadjungierter Operatoren (Quantenmechanik)

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Die messbaren Größen der Quantenmechanik entsprechen (fast ausschließlich unbeschränkten, dicht definierten) wesentlich selbstadjungierten Hilbertraum-Operatoren auf separablen Hilberträumen („Observablen“, → Mathematische Struktur der Quantenmechanik), und zwar mit einer Spektralzerlegung in drei Teile, im Einklang mit den obigen Aussagen:

  1. Der erste Anteil ist das Punktspektrum (das Spektrum ist abzählbar; die Physiker bezeichnen es irreführenderweise als „diskret“). Hier hat man es mit Summen zu tun.
  2. Der zweite Anteil ist das absolut-kontinuierliche Spektrum (das Spektrum ist kontinuierlich-überabzählbar; die Physiker nennen es einfach „kontinuierlich“). An die Stelle von Summen treten hier gewöhnliche Integrale.
  3. Sehr selten kommt ein singulär-kontinuierlicher Spektralanteil hinzu (das Spektrum ist eine Cantormenge). Hier muss man mit Stieltjes-Integralen arbeiten (erzeugt durch nicht-differenzierbare monoton-wachsende Funktionen).

Alle Observablen zeigen eine solche Aufteilung und besitzen übliche Spektralmaße und übliche Spektralprojektionen. Die oben genannte Kompaktheit des Spektrums gilt aber nicht.

Die Aufteilung in drei Teile ergibt insgesamt, bei Gewichtung mit den Quadraten aus den Beiträgen der Eigenfunktionen bzw. der verallgemeinerten Eigenfunktionen, genau den Wert 1, im Einklang mit der Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Quantenmechanik.

Im Fall eines reinen Punktspektrums entsprechen die Spektraleigenschaften dem Postulat von der Vollständigkeit der Eigenfunktionen (Entwicklungssatz). Im Falle eines zusätzlichen absolut-kontinuierlichen Spektralanteils arbeiten die Physiker, wie erwähnt, mit sog. verallgemeinerten Eigenfunktionen und Wellenpaketen (der Zusammenhang mit dem Spektralmaß ergibt sich aus der Distributionstheorie über sog. Gelfandsche Raumtripel). Ein singulär-kontinuierlicher Spektralanteil wird gewöhnlich überhaupt nicht diskutiert, außer z. B. in Kristallen mit speziellen „inkommensurablen“ Magnetfeldern. Näheres in einschlägigen Lehrbüchern der Quantenmechanik und der Maßtheorie reeller Funktionen.

Literatur

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