Sankt-Florian-Prinzip

Verhaltensweise, potentielle Bedrohungen oder Gefahrenlagen nicht zu lösen, sondern auf andere zu verschieben
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Das Sankt-Florian-Prinzip (österreichisch: Floriani-Prinzip) oder die Sankt-Florian-Politik bezeichnet Verhaltensweisen, potentielle Bedrohungen oder Gefahrenlagen nicht zu lösen, sondern auf andere zu verschieben. Die englischsprachige Entsprechung ist NIMBY, ein Akronym für not in my backyard („nicht in meinem Hinterhof“).

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Statue von Sankt Florian beim Löschen eines brennenden Hauses

Ursprung

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Früher war es üblich, die Hilfe des Heiligen Florian anzurufen, der als Schutzpatron für die Abwendung von Feuer und Dürre zuständig ist. Volkstümliche Verbreitung fand ein vermeintlich frommer Spruch, der vermutlich von einer ironisch gemeinten Votivtafel stammt und das Prinzip prägnant erläutert:

„Heiliger Sankt Florian / Verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an!“[1]

Oftmals findet sich der Heilige Florian als Lüftlmalerei auf Wohn-, Feuerwehr- oder Bauernhäusern. Meist wird er als überlebensgroße Gestalt abgebildet, die aus einem Eimer Wasser auf ein brennendes Gebäude schüttet.

Einer anderen Vermutung nach entstammt der gleiche Spruch einem Spottlied, das Leute vor Jahrhunderten dichteten, die zum Salzburger Dom wallfahrenden Pinzgauern abweisend gegenüberstanden.[2]

 
Autofahrer fordern Verkehrslärmschutz vor der eigenen Haustüre

Der Ausdruck wird – meist in abwertender Weise – für Situationen oder Prinzipien verwendet, bei denen Teile der Bevölkerung bestimmte überregional bedeutsame Infrastruktur zwar grundsätzlich befürworten und oft auch selbst nutzen wollen, aber deren Errichtung in der Nähe des eigenen Wohnorts abgelehnt wird, weil die Personen selbst lokal Nachteile empfinden. Dabei wird nicht nach einer für die Bevölkerungsgesamtheit optimalen Lösung gestrebt, sondern lediglich einseitig versucht, die Nachteile für sich selbst zu verhindern und auf andere Bevölkerungsgruppen abzuwälzen, was Verwendern des Begriffs unredlich erscheint. Es wird anderen Personen eine Geisteshaltung unterstellt, nach der sie die Vorteile moderner Technologie zwar nutzen, im eigenen Umfeld aber keine Nachteile in Kauf nehmen wollen (vgl. Trittbrettfahrerproblem). Es wird versucht, diese Nachteile auf andere Mitglieder der Gesellschaft abzuwälzen, was in vielen Fällen auch erreicht wird, wenn sie sich stark genug Gehör verschaffen können. Dass dieser Effekt jedoch keineswegs automatisch eintritt, zeigen verschiedene europäische Umfragen zur Errichtung von Windparks zur Windenergienutzung.[3]

Das Verhalten wird im deutschsprachigen Raum seit 2010 teilweise mit dem (ebenfalls abwertend gemeinten) Begriff der Wutbürger in Verbindung gebracht oder sogar gleichgesetzt, wenn Bürgerproteste vorrangig lokal geprägt sind.

Der englische Begriff NIMBY erschien erstmals um 1980.[4]

Beispiele

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Als typisches Beispiel wird oftmals ein Lobbyismus angeführt, bei dem finanzkräftige Gruppen sich gegen ein Vorhaben starkmachten, um vorrangig ihr Eigentum oder ökonomische Interessen zu schützen (Eigenheimbesitzer, Eigentümer von Geschäften, am Tourismus Beteiligte usw.). Besonders häufig wird das Sankt-Florian-Prinzip in Deutschland in Verbindung mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und des Ausbaus der Stromnetzes gebracht. Auch der Müllexport, die Ausbildung ethnischer Ghettos oder die Schaffung von großen, abgelegenen Flüchtlingseinrichtungen seien auf diese Haltung zurückzuführen.

Überwiegend wird das Argument im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von Infrastruktur vorgebracht, beispielsweise bei Kraftwerken aller Art (auch Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen), Hochspannungsleitungen, Verkehrsinfrastruktur (Straßen, Brücken, Eisenbahnstrecken, Kanäle, Flughäfen), Unterkünften für marginalisierte Gruppen (Flüchtlingsunterkünfte, Obdachlosenheime, Gefängnisse), Großtechnischen Anlagen (Fabriken, Klärwerke, Anlagen zur Entsorgung oder Lagerung von (radioaktiven) Abfällen) sowie Mobilfunkstationen.

Verwandte Akronyme zu NIMBY

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Neben NIMBY haben sich eine Reihe nicht ganz ernst gemeinter Abkürzungen zur Beschreibung des Widerstandsphänomens herausgebildet, so zum Beispiel:

Bei Anwohnern und Aktivisten:

  • LULU – Locally unpopular land use – Lokal unbeliebte Landnutzung
  • PITBY – Put it in their back yard – Baut es in deren Hinterhof
  • NIMFYE – Not in my front yard either – Auch nicht vor meiner Haustür
  • NIMFOS – Not in my field of sight – Nicht in meinem Sichtbereich
  • QUIMBY – Quit urbanizing in my back yard – Hört auf mit der Verstädterung in meiner Gegend
  • GOOMBA – Get out of my business area – Raus aus meiner Gegend
  • GOMER – Get out (of) my emergency room

Bei Politikern:

  • NIMD – Not in my district – Nicht in meinem Landkreis/Wahlkreis
  • NIMTOO – Not in my term of office – Nicht während meiner Amtszeit
  • NIMEY – Not in my election year – Nicht in meinem Wahljahr
  • WIIFM – What’s in it for me? – Was ist für mich drin?

Bezeichnung allgemeinen Widerstands:

  • NOPE – Not on planet earth – Nicht auf diesem Planeten
  • NIABY – Not in anybody’s back yard – In niemandes Hinterhof
  • BANANA – Build absolutely nothing anywhere near anybody – Baut gar nichts irgendwo in der Nähe von irgendwem
  • CAVE – Citizens against virtually everything – Bürger gegen eigentlich alles

Siehe auch

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Literatur

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  • Felix Butzlaff, Christoph Hoeft, Julia Kopp: „Wir lassen nicht mehr alles mit uns machen!“ Bürgerproteste an und um den öffentlichen Raum, Infrastruktur und Stadtentwicklung. In: Franz Walter u. a.: Die neue Macht der Bürger. Was motiviert die Protestbewegungen? Reinbek 2013, S. 48–93.
  • Herbert Inhaber: Slaying the NIMBY dragon. Transaction, New Brunswick, NJ / London 1998
  • Stine Marg, Christoph Hermann, Verena Hambauer, Ana Belle Becké: „Wenn man was für die Natur machen will, stellt man da keine Masten hin“ Bürgerproteste gegen Bauprojekte im Zuge der Energiewende. In: Franz Walter u. a.: Die neue Macht der Bürger: Was motiviert die Protestbewegungen? Reinbek 2013, S. 94–138.
  • Gregory E. McAvoy: Controlling technology: Citizen rationality and the NIMBY syndrome. Georgetown University Press, Washington 1999
  • P. Michael Saint, Robert J. Flavell, Patrick F. Fox: NIMBY wars: the politics of land use. Saint University Press, Hingham, Mass. 2009.
  • Rainer Stempkowski, Hans Georg Jodl, Andreas Kovar: Projektmarketing im Bauwesen. Strategisches Umfeldmanagement zur Realisierung von Bauprojekten. Manz, Wien 2003.
  • Michael C. Thomsett: NIMBYism: Navigating the politics of local opposition. CenterLine, Arlington, 2004.

Einzelnachweise

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  1. Heiliger Florian: "... schon unser Haus, zünd' andere an". Abgerufen am 2. August 2023.
  2. Notruf Feuerwehr 2004, Seite 48, Brandrat Schinnerl, Adnet
  3. z. B. FORSA-Umfrage Verbraucherinteressen in der Energiewende. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands, 8/2013
  4. NIMBY: Did you know? Word Origin. In: One-Word-A-Day. Archiviert vom Original am 10. Februar 2008; abgerufen am 7. Oktober 2021.
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Commons: Nimby – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien