Vielfarben-Tachurityrann

Art der Gattung Tachuris
(Weitergeleitet von Tachuris rubrigastra)

Der Vielfarben-Tachurityrann (Tachuris rubrigastra) ist eine Sperlingsvogelart aus der Familie der Tyrannen (Tyrannidae). Er ist der einzige Vertreter der Gattung Tachuris und seine Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern sind ungewiss. Er kommt im südlichen Südamerika und in der Andenregion in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Peru vor.[1]

Vielfarben-Tachurityrann

Vielfarben-Tachurityrann (Tachuris rubrigastra)

Systematik
Ordnung: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Unterordnung: Schreivögel (Tyranni)
Familie: Tyrannen (Tyrannidae)
Unterfamilie: Tachurisinae
Gattung: Tachuris
Art: Vielfarben-Tachurityrann
Wissenschaftlicher Name der Unterfamilie
Tachurisinae
Ohlson, Irestedt, Ericson & Fjeldså, 2013
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Tachuris
Lafresnaye, 1836
Wissenschaftlicher Name der Art
Tachuris rubrigastra
(Vieillot, 1817)

Merkmale

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Der Vielfarben-Tachurityrann erreicht eine Länge von 10 bis 11,5 cm und ein Gewicht von 6,5 bis 8 g. Wie der Name schon sagt, ist das Gefieder außerordentlich bunt. Die Kopfoberseite der Nominatform (T. r. rubrigastra) ist schwarz mit einem roten Mittelband (fast immer verdeckt) und goldgelben Überaugenstreifen an den Seiten. Die Kopfseiten sind schwarzblau. Die Iris ist blass bläulich, der Schnabel ist schwarz. Der obere Kehlenbereich ist weiß. Brust und Bauch sind gelb. Der Nacken ist ockerfarben und geht zum moosgrünen Rücken über. Es gibt einen schwarzen Streifen an den Seiten der Brust und einen roten Fleck im Steißbereich. Die Flügel sind schwärzlich mit einem markanten weißen Balken, der durch eine weiße Umrandung von Flügeldecken gebildet wird. Die äußeren Handschwingenfedern sind weiß. Der Schwanz ist schwarz. Die Beine sind schwarz; der Unterschenkelknochen ist auffallend lang. Weibchen sind im Vergleich zu den Männchen etwas blasser gefärbt. Der schwarze Fleck auf der Kopfoberseite ist kleiner. Jungvögeln fehlt das Blau der Gesichtsmaske, die grüne Oberseite kann gelb geschuppt sein, das Gelb auf Brust und Bauch ist blasser, Bruststreifen fehlen.

Unterarten

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Das Verbreitungsgebiet des Vielfarben-Tachurityrannen

Folgende Unterarten sind bekannt:[2]

  • Tachuris rubrigastra rubrigastra (Vieillot, 1817)[3] – südöstliches Brasilien (Santa Catarina und Rio Grande do Sul), Zentral- und Westchile (Atacama bis von Chiloé und Aysén), Argentinien (Misiones und von Santa Fe bis Buenos Aires und südlich bis Santa Cruz), Uruguay, im Winter auch in Paraguay. Alfred Laubmann erwähnte, dass seit Félix de Azara Beschreibung von Tachuris del rey[4] keine neueren Beobachtungen mehr für Paraguay vorliegen.[5] Vermutlich ist die Art deshalb dort auch im Winter eher selten.
  • Tachuris rubrigastra libertatis Hellmayr, 1920[6] – Westperu (Piura südlich bis Arequipa). Kehle und Bauch weißgelb gefärbt, Überaugenstreif grün und weniger auffällig.
  • Tachuris rubrigastra alticola (Berlepsch & Stolzmann, 1896)[7] – Zentral- und Südostperu (Region Junín südlich bis Puno), Westbolivien (La Paz, Oruro) und Nordwestargentinien (Jujuy bis Tucumán). Etwas größer als Nominatform, dunkler, mehr schwärzlich-grün gefärbter Rücken, Überaugenstreif ein blasseres Gelb.
  • Tachuris rubrigastra loaensis Philippi Bañados & Johnson, AW, 1946[8] – Nordchile (Antofagasta am Zusammenfluss der Flüsse Loa und San Salvador). Kleiner als die Nominatform, das Weiß an der Kehle ist ausgedehnter, Hals und Brust stärker gelblich-ocker gefärbt, Bauch blass grauweiß, Überaugenstreif grün, Schwanzrand heller weiß.

Lebensraum und Lebensweise

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Nest von Tachuris rubrigastra
 
Ein Vielfarben-Tachurityrann an der Lagoa dos Patos in Rio Grande do Sul (Brasilien)

Der Vielfarben-Tachurityrann kommt in Feuchtgebieten, in ausgedehnten Röhrichten, Sümpfen und an grasbewachsene Seeufern von Meereshöhe bis in Höhen von 4200 m in den Anden vor. Mögliche saisonale Wanderungen der Art sind noch nicht genau erforscht worden. Eventuell zieht ein Teil der südlichen Population im Südwinter nach Norden. Ihre Nahrung suchen die Vögel allein oder in Familienverbänden meist gut versteckt in dichten Büschen oder im Schilf. Dabei laufen oder hüpfen sie auf dem Boden, über dem Schlamm oder schwimmender Vegetation, klammern sich an Schilfstängeln fest, hängen kopfüber oder erbeuten Fluginsekten knapp über der Wasseroberfläche im Flug. Die Lautäußerungen des Vielfarben-Tachurityrannen bestehen aus einer schnellen Abfolge insektenartiger „Tic“-Töne und einem melodischen „piwup bzzzzt“ oder „piwup piwuprrrrp“ mit gurgelnden und summendem Elementen.[1]

Die Vögel brüten im Frühling und Sommer der südlichen Hemisphäre, Nester mit Eiern, Nestlinge und Jungvögel fand man im September, Oktober und Februar. Das kegelförmige, enge und tiefe Nest wird an einem einzelnen Schilfstängel befestigt, normalerweise über dem Wasser. Es wird aus nassen Schilfblattstücken gebaut, die nach dem Trocknen die Konsistenz von Pappe erreichen. Das Gelege besteht in der Regel aus drei, seltener aus vier Eiern.[1]

Systematik

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Tachuris rubrigastra, Zeichnung von Henrik Grönvold

Der Vielfarben-Tachurityrann wurde 1817 durch den französischen Ornithologen Louis Pierre Vieillot unter der Bezeichnung Sylvia rubrigastra erstmals wissenschaftlich beschrieben und damit den Grasmücken (Sylvia) zugeordnet.[3] Der Name der Art «rubrigastra» stammt aus dem Lateinischen («ruber, rubra» = rot und «gaster, gasteris» = Bauch) und bedeutet „rotbauchig“.[9] 1836 führte Frédéric de Lafresnaye die Gattung Tachuris ein, die seitdem monotypisch geblieben ist und heute in die Familie der Tyrannen (Tyrannidae) eingeordnet wird, die zu den Schreivögeln (Tyranni) gehört. Vollständig geklärt ist die systematische Stellung des Vielfarben-Tachurityrannen aber noch nicht. Seine Position scheint basal am Stammbaum der Tyrannen zu liegen.[10][11] Ohlson und Mitarbeiter stellen den Vielfarben-Tachurityrann in eine eigenständige Familie, die Tachurididae.[10] Winkler und Mitautoren geben ihr den Rang einer Unterfamilie innerhalb der Tyrannidae, die Tachuridinae.[12] Die Schreibweise Tachurididae ist jedoch inkorrekt da sich der Familienname von der Gattung Tachuris ableiten muss, deshalb wurde die Familie in Tachurisidae bzw. die Unterfamilie in Tachurisinae umbenannt.[13]

Gefährdung

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Der Vielfarben-Tachurityrann gilt als ungefährdet und ist in einigen Gegenden, z. B. in der Region Junín in Peru oder am Titicacasee relativ häufig, während er in dazwischenliegenden ungeeigneten Lebensräumen vollständig fehlt. Er ist auch in verschiedenen Schutzgebieten vertreten.[14]

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Einzelnachweise

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  1. a b c B. M. Clock: Many-colored Rush Tyrant (Tachuris rubrigastra). Version 1.0. In Birds of the World (J. del Hoyo, A. Elliott, J. Sargatal, D. A. Christie, and E. de Juana, Editors). Cornell Lab of Ornithology, Ithaca, NY, USA 2020, doi:10.2173/bow.mcrtyr1.01.
  2. IOC World bird list Tyrant flycatchers
  3. a b Louis Pierre Vieillot: Nouveau dictionnaire d'histoire naturelle, appliquée aux arts, à l'agriculture, à l'économie rurale et domestique, à la médecine, etc. Par une société de naturalistes et d'agriculteurs. Band 11. Deterville, Paris 1817 (biodiversitylibrary.org).
  4. Félix de Azara: Apuntamientos para la historia natural de los páxaros del Paragüay y Rio de la Plata. Band 2. Impr. de la viuda de Ibarra, Madrid 1805 (biodiversitylibrary.org).
  5. Alfred Laubmann: Die Vögel von Paraguay. Band 2. Strecker und Schröder, Stuttgart 1940, S. 112 (google.de).
  6. Carl Eduard Hellmayr: Herr C. E. Hellmayr sprach unter Vorlage von Belegexemplaren über neotropische Vögel und beschrieb folgende Formen. In: Anzeiger der Ornithologische Gesellschaft in Bayern. Band 1, Nr. 3, 1920, S. 15–20 (biodiversitylibrary.org).
  7. Hans Hermann Carl Ludwig von Berlepsch, Jan Sztolcman, John Gerrard Keulemans: On the Ornithological Research of M. Jean Kalinowski in Central Peru. In: Proceedings of the General Meetings for Scientific Business of the Zoological Society of London for the Year 1896. Band 12, Nr. 3, 1896, S. 322–388 (biodiversitylibrary.org).
  8. Rudulfo Amando Philippi Bañados, Alfred William Johnson in Jack Davies Goodall: Die Vögel von Paraguay. Band 1. Platt Establecimientos Gráficos, Buenos Aires 1946, S. 183–184.
  9. rubrigastra The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  10. a b Jan I. Ohlson, Martin Irestedt, Per G. P. Ericson, Jon Fjeldså: Phylogeny and classification of the New World suboscines (Aves, Passeriformes). In: Zootaxa. Band 3613, Nr. 1, 2013, ISSN 1175-5326, S. 1-35, doi:10.11646/zootaxa.3613.1.1.
  11. Jose G. Tello, Robert G. Moyle, Daniel J. Marchese, Joel Cracraft: Phylogeny and phylogenetic classification of the tyrant flycatchers, cotingas, manakins, and their allies (Aves: Tyrannides). In: Cladistics. Band 25, Nr. 5, 2009, ISSN 0748-3007, S. 1-39, doi:10.1111/j.1096-0031.2009.00254.x.
  12. David W. Winkler, Shawn M. Billerman, Irby J. Lovette: Bird Families of the World: A Guide to the Spectacular Diversity of Birds. Lynx Edicions, Barcelona 2015, ISBN 978-84-941892-0-3, S. 313.
  13. Ismael Franz: A family-group name correction in Aves: Tachurisidae instead of Tachurididae Ohlson, Irestedt, Ericson & Fjeldså, 2013. In: Zootaxa. Band 3941, Nr. 4, 2015, S. 593–594, doi:10.11646/zootaxa.3941.4.9 (PDF).
  14. Tachuris rubrigastra in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2016. Eingestellt von: BirdLife International, 2016. Abgerufen am 14. November 2022.