Reichstag (Japan)

Parlament des Kaiserreichs Großjapan zwischen 1890 und 1947
(Weitergeleitet von Teikoku Gikai)

Das Teikoku-gikai (japanisch 帝国議会, zeitgenössische Schreibung 帝國議會), der Reichstag oder wörtlicher das „Parlament des Kaiserreiches“, war nach der Meiji-Verfassung von 1890 bis 1947 das Zweikammerparlament des Kaiserreichs Großjapan.

Das Herrenhaus in einem Farbholzdruck von 1899

Es bestand aus einem gewählten, bürgerlichen Unterhaus, dem Shūgiin (Abgeordnetenhaus, wörtlich etwa „Massenversammlungs-“ oder „[Massen-]Beratungskammer“ bzw. „-haus“), und einem adeligen Oberhaus, dem Kizokuin (Herrenhaus, wörtl. „Adelskammer“), dem Angehörige des Erbadels sowie vom Tennō ernannte Mitglieder, darunter auch einige von Spitzensteuerzahlern und akademischen Institutionen gewählte Mitglieder, angehörten. 1947 ersetzte das heutige nationale Parlament (Kokkai, wörtlich „Nationalversammlung“) den Reichstag; darin wurde das Herrenhaus durch ein ebenfalls gewähltes Oberhaus, das Sangiin (Senat, wörtlich „Rätekammer“), ersetzt und das Gleichgewicht der Kammern zugunsten des Unterhauses verschoben.

Geschichte

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Das kaiserliche Edikt von 1881, das die Erstellung einer Verfassung und die Schaffung eines Parlaments ankündigte.
 
Reichstagsmitarbeiter beim Süßkartoffelanbau vor dem Reichstagsgebäude im Juni 1946.

In der frühen Meiji-Zeit forderten verschiedene Gegner der Meiji-Oligarchie, insbesondere die Jiyū Minken Undō, die „Bewegung für Freiheit und Volksrechte“, in Petitionen, Versammlungen, Veröffentlichungen, Demonstrationen und Aufständen die Einrichtung einer gewählten Volksvertretung. 1881 verkündete die Oligarchie durch eine Verfügung des Tennō die Schaffung einer Verfassung und eines Parlaments innerhalb von zehn Jahren, Ergebnis war die an preußisches und in geringerem Maße britisches Vorbild angelehnte Meiji-Verfassung und die darin in Kapitel 3 ausgeführte Einrichtung des Reichstages. Danach war der Reichstag an der Legislative beteiligt, ein Gesetz bedurfte der Zustimmung beider Kammern und des Tennō. Außerdem konnte es den Haushalt beschließen, im Konfliktfall galt der Haushalt des Vorjahres. Der Premierminister und das Kabinett wurden weiterhin ernannt. Das Shūgiin wurde unter anfangs strengen Zensusbeschränkungen – etwa ein Prozent der Bevölkerung war bei der ersten Wahl 1890 wahlberechtigt – gewählt und konnte jederzeit durch Kabinettsbeschluss vom Tennō aufgelöst werden, allerdings brachten die daraus resultierenden Neuwahlen in den 1890er Jahren erneut Mehrheiten der liberalen, bürgerlichen Parteien.

Insbesondere nachdem sich im Jahr 1900 in Form der Rikken Seiyūkai eine dauerhafte Allianz zwischen Teilen der Meiji-Oligarchie, der Ministerialbürokratie und der liberalen Parteien gebildet hatte, verbesserten sich die anfangs oft konfliktreichen Beziehungen zwischen Unterhaus und Regierung. In der Taishō-Zeit entwickelte sich eine stärker parlamentarische Regierungsform, in der die Premierminister gewöhnlich mit Rücksicht auf die Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus berufen wurden, die sogenannte Taishō-Demokratie. Auch wurden die bereits mehrfach gelockerten Zensusbeschränkungen für das Shūgiin 1925 ganz abgeschafft und das allgemeine Männerwahlrecht eingeführt, in der Folge entwickelten sich auch erstmals nennenswerte „proletarische Parteien“ der Arbeiterbewegung. Aber die Einschränkungen parlamentarischer Macht durch die Verfassung waren unverändert: Die Berufung der Regierung war nicht formal an eine parlamentarische Mehrheit gebunden, und das Herrenhaus konnte liberale Gesetzentwürfe wie die Zulassung von Gewerkschaften oder das Frauenwahlrecht blockieren.

Nach dem Einmarsch in der Mandschurei 1931 war die Parteienherrschaft bald beendet und vor allem im Pazifikkrieg wurde die Regierung zentralisiert und dem Einfluss des Reichstags entzogen. Nach dem Krieg traf der Reichstag zu Beginn der Besatzungszeit Vorbereitungen für eine neue politische Ordnung. 1946 beschloss er mit dem Tennō den im Wesentlichen unveränderten Verfassungsentwurf der Besatzungsbehörden und damit das Ende des Kaiserreichs und seine eigene Abschaffung. Die Verfassung des Staates Japan trat im Mai 1947 in Kraft.

Liste der Reichstage

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Angegeben ist die eigentliche Sitzungsperiode des Reichstags; die Kammern individuell kamen teilweise schon einige Tage vorher zusammen, und die Schlusszeremonie des Reichstags fand oft einen Tag nach Ende der Sitzungsperiode statt, sofern nicht eine Unterhausauflösung die Sitzungsperiode vorzeitig beendete.

Legende Sitzungsart:

  • R: reguläre Sitzung (tsūjōkai)
  • S: Sondersitzung (tokubetsukai)
  • A: außerordentliche Sitzung (rinjikai)
Reichstage[1]
Nr. Art Eröffnung Schluss Kabinett (ernannt)
1. R 29. Nov. 1890 (nach 1. Shūgiin-Wahl, 1. Kizokuin-Wahlen) 7. März 1891 Yamagata I
2. R 26. Nov. 1891 25. Dez. 1891 (Auflösung des Shūgiin → 2. Shūgiin-Wahl) Matsukata I
3. S 6. Mai 1892 14. Juni 1892
4. R 29. Nov. 1892 28. Feb. 1893 Itō II
5. R 28. Nov. 1893 30. Dez. 1893 (Auflösung des Shūgiin → 3. Shūgiin-Wahl)
6. S 15. Mai 1894 2. Juni 1894 (Auflösung des Shūgiin → 4. Shūgiin-Wahl)
7. A 18. Okt. 1894 (nach Kriegsbeginn; in Hiroshima) 21. Okt. 1894
8. R 24. Dez. 1894 23. März 1895
9. R 28. Dez. 1895 28. März 1896
10. R 25. Dez. 1896 24. März 1897 Matsukata II
11. R 24. Dez. 1897 (nach 2. Kizokuin-Wahlen) 25. Dez. 1897 (Auflösung des Shūgiin → 5. Shūgiin-Wahl)
12. S 19. Mai 1898 10. Juni 1898 (Auflösung des Shūgiin → 6. Shūgiin-Wahl) Itō III
Ōkuma I
13. S/R 3. Dez. 1898 9. März 1899 Yamagata II
14. R 22. Nov. 1899 23. Feb. 1900
15. R 25. Dez. 1900 24. März 1901 Itō IV
16. R 10. Dez. 1901 9. März 1902 Katsura I
17. R 9. Dez. 1902 (nach 7. Shūgiin-Wahl) 28. Dez. 1902 (Auflösung des Shūgiin → 8. Shūgiin-Wahl)
18. S 12. Mai 1903 4. Juni 1903
19. R 10. Dez. 1903 11. Dez. 1903 (Auflösung des Shūgiin → 9. Shūgiin-Wahl)
20. A 20. März 1904 (nach Kriegsbeginn) 29. März 1904
21. R 30. Nov. 1904 (nach 3. Kizokuin-Wahlen) 27. Feb. 1905
22. R 28. Dez. 1905 27. März 1906
Saionji I
23. R 28. Dez. 1906 27. März 1907
24. R 28. Dez. 1907 26. März 1908
25. R 25. Dez. 1908 (nach 10. Shūgiin-Wahl) 24. März 1909 Katsura II
26. R 24. Dez. 1909 23. März 1910
27. R 23. Dez. 1910 22. März 1911
28. R 27. Dez. 1911 (nach 4. Kizokuin-Wahlen) 25. März 1912 Saionji II
29. A 23. Aug. 1912 (nach Tod von Kaiser Meiji, nach 11. Shūgiin-Wahl) 25. Aug. 1912
30. R 27. Dez. 1912 Katsura III (Bewegung zum Schutz der Verfassung)
26. März 1913 Yamamoto I (Siemens-Skandal)
31. R 26. Dez. 1913 25. März 1914
32. A 5. Mai 1914 (Budget der Trauerfeier für Kaiserinwitwe Shōken) 7. Mai 1914 Ōkuma II
33. A 22. Juni 1914 (Zusatzbudget für Marine) 28. Juni 1914
34. A 4. Sep. 1914 (nach Kriegseintritt) 9. Sep. 1914
35. R 7. Dez. 1914 25. Dez. 1914 (Auflösung des Shūgiin → 12. Shūgiin-Wahl)
36. S 20. Mai 1915 9. Juni 1915
37. R 1. Dez. 1915 28. Feb. 1916
38. R 27. Dez. 1916 25. Jan. 1917 (Auflösung des Shūgiin → 13. Shūgiin-Wahl) Terauchi
39. S 23. Juni 1917 14. Juli 1917
40. R 27. Dez. 1917 26. März 1918
41. R 27. Dez. 1918 (nach 5. Kizokuin-Wahlen) 26. März 1919 Hara
42. R 26. Dez. 1919 26. Feb. 1920 (Auflösung des Shūgiin → 14. Shūgiin-Wahl)
43. S 1. Juli 1920 28. Juli 1920
44. R 27. Dez. 1920 26. März 1921
45. R 26. Dez. 1921 25. März 1922 Takahashi
46. R 27. Dez. 1922 26. März 1923 Katō
47. A 11. Dez. 1923 (Maßnahmen zum Großen Kantō-Erdbeben) 23. Dez. 1923 Yamamoto II
48. R 27. Dez. 1923
31. Jan. 1924 (Auflösung des Shūgiin → 15. Shūgiin-Wahl) Kiyoura (2. Verfassungsschutzbewegung)
49. S 28. Juni 1924 18. Juli 1924 Katō
50. R 26. Dez. 1924 30. März 1925
51. R 26. Dez. 1925(nach 6. Kizokuin-Wahlen) 25. März 1926
Wakatsuki I
52. R 26. Dez. 1926 25. März 1927
53. A 4. Mai 1927 (Maßnahmen zur Finanzpanik) 8. Mai 1927 Tanaka
54. R 26. Dez. 1927 21. Jan. 1928 (Auflösung des Shūgiin → 16. Shūgiin-Wahl)
55. S 23. Apr. 1928 6. Mai 1928
56. R 26. Dez. 1928 25. März 1929
57. R 26. Dez. 1929 21. Jan. 1930 (Auflösung des Shūgiin → 17. Shūgiin-Wahl) Hamaguchi
58. S 23. Apr. 1930 13. Mai 1930
59. R 26. Dez. 1930 27. März 1931
Wakatsuki II
60. R 26. Dez. 1931 21. Jan. 1932 (Auflösung des Shūgiin → 18. Shūgiin-Wahl) Inukai
61. A 20. März 1932 (Nachtragshaushalt für Mandschurei, Shanghai) 24. März 1932
62. A 1. Juni 1932 (Anerkennung der Mandschurei, v. a. ländl. Investitionsprogramm (jikyoku kyōkyū)) 24. März 1932 Saitō
63. A 23. Aug. 1932 (Investitionsprogramm; nach 7. Kizokuin-Wahlen) 4. Sep. 1932
64. R 26. Dez. 1932 25. März 1933
65. R 26. Dez. 1933 25. März 1934
66. A 28. Nov. 1934 (Muroto-Taifun, Ernteausfall in Tōhoku) 10. Dez. 1934 Okada
67. R 26. Dez. 1934 25. März 1935
68. R 26. Dez. 1935 21. Jan. 1936 (Auflösung des Shūgiin → 19. Shūgiin-Wahl)
69. S 4. Mai 1936 26. Mai 1936 Hirota
70. R 26. Dez. 1936
31. März 1937 (Auflösung des Shūgiin → 20. Shūgiin-Wahl) Hayashi
71. S 25. Juli 1937 7. Aug. 1937 Konoe I
72. A 4. Sep. 1937 (Rüstungshaushalt u. a. zu Kriegsbeginn) 8. Sep. 1937
73. R 26. Dez. 1937 26. März 1938
74. R 26. Dez. 1938
25. März 1939 Hiranuma
75. R 26. Dez. 1939(nach 8. Kizokuin-Wahlen) Abe
26. März 1940 Yonai
76. R 26. Dez. 1940 25. März 1941 Konoe II
Konoe III
77. A 16. Nov. 1941 20. Nov. 1941 Tōjō
78. A 16. Dez. 1941 (zum Beginn des „Großostasienkrieges“/Ausweitung des Krieges auf USA und Alliierte) 17. Dez. 1941
79. R 26. Dez. 1941 25. März 1942
80. A 27. Mai 1942 (nach 21. Shūgiin-Wahl) 28. Mai 1942
81. R 26. Dez. 1942 25. März 1943
82. A 16. Juni 1943 18. Juni 1943
83. A 26. Okt. 1943 28. Okt. 1943
84. R 26. Dez. 1943 24. März 1944
85. A 7. Sep. 1944 11. Sep. 1944 Koiso
86. R 26. Dez. 1944 25. März 1945
87. A 9. Juni 1945 12. Juni 1945 Suzuki
88. A 4. Sep. 1945 5. Sep. 1945 Higashikuni
89. A 27. Nov. 1945 18. Dez. 1945 (Auflösung des Shūgiin → 22. Shūgiin-Wahl) Shidehara
90. A 20. Juni 1946 (Verfassungsberatung) 11. Okt. 1946 Yoshida I
91. A 26. Nov. 1946 25. Dez. 1946
92. R 28. Dez. 1946 31. März 1947 (Auflösung des Shūgiin)

Literatur

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  • Peter Duus (Hrsg.): The Cambridge History of Japan. Vol. 6: The Twentieth Century. Cambridge University Press, 1991. Part I: Domestic Politics.
  • Marius B. Jansen: The Making of Modern Japan. Harvard University Press, 2002.
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Einzelnachweise

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  1. Hidehisa Ōyama: 『帝国議会の運営と会議録をめぐって』, S. 46–48 in Reference (refarensu, Zeitschrift der Nationalen Parlamentsbibliothek) 2005.5