„Leere Tafel“ – Die Römer schrieben gewöhnlich auf Wachs-Täfelchen, die man radierte, indem man mit dem flachen Ende des Schreibgriffels (stilus) das Wachs wieder glättete. John Locke gebrauchte den Ausdruck, um den menschlichen Geist bei der Geburt, vor dem Erwerb jeglicher Kenntnisse, zu beschreiben.
Tabula votiva
„Votivtafel“ – An Wallfahrtsorten häufig zu sehende Bilder mit der Darstellung von Notlagen oder Wundern; auch Abbildungen von Gliedmaßen in Miniaturform. Die Votivtafeln sind Gott oder einem Heiligen gewidmet, um eine Bitte oder Dank auszudrücken.
„So so“, „einigermaßen“, „mittelmäßig“, auch „so gut es eben geht“ – Beispiele: „jeder erste und taliter qualiter beste“.
„Ein deutsches Lexikon zusammenzuschreiben, diesen albernen Gedanken habe ich lange aufgegeben; und ich würde ihn nun wohl am wenigsten wieder hervorsuchen, da ich ihn taliter qualiter von einem andern ausgeführt sehe. Aus diesem taliter qualiter wirst du indeß abnehmen, daß ich mit Adelungs Arbeit nicht ganz zufrieden bin.“ Gotthold Ephraim Lessing an Karl Gotthelf Lessing, den 2. Februar 1774.[1]
„Am Ende triumphiert die gute Sache!“ – Inschrift am Haus Paland im Erkelenzer Ortsteil Borschemich. Die Inschrift bezieht sich wahrscheinlich auf den Ausgang eines langen Rechts- oder Erbschaftsstreits. Ferner Wahlspruch von KurfürstGebhard I. von Waldburg.
Tandem patientia victrix.
„Endlich ist die Geduld Siegerin.“ – Dieser Wahlspruch ziert eine der Medaillen der Stadt Osnabrück mit Bildern der Friedensstifter von 1648.
„Sit pax in terris tandem (et) patientia victrix.“ („Friede sei endlich auf Erden und die Geduld siegreich.“) ist die Aufschrift auf den so genannten Friedenswunschdukaten der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1632.
Tandem vicisti, Galilaee.
„Am Ende hast du gewonnen, Galiläer.“ – Angeblich die letzten Worte des römischen Kaisers Julian, der vom Christentum zum Heidentum zurückgekehrt war. Als „Galiläer“ ist hier Jesus angesprochen. Der Spruch ist erst im 5. Jahrhundert bei Theodoret bezeugt, der Kirchengeschichte aus christlicher Perspektive schrieb. Bereits der Kirchenvater Hieronymus hatte Julians frühen Tod als verdiente Strafe für seinen Abfall vom Christentum gedeutet.
„So weit abgewälzt, wie weit angefochten.“ – Bezeichnet den Devolutiveffekt von Rechtsbehelfen.
Tantum religio potuit suadere malorum.
„So viel Übles hat Glauben anzuraten vermocht.“ – Warnung vor religiösem Wahn angesichts der Opferung Iphigenies vor der Abfahrt der Griechen nach Troja (Lukrez, De rerum natura, 1,101)
„Den (zu) spät Kommenden die Knochen“ – Die Rechte sind für die Aufgeweckten geschrieben, den zu spät Kommenden bleiben nur Knochen. Entspricht dem deutschen Sprichwort „Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss sehen, was übrig bleibt.“
„Einen Stier wird tragen, wer ein Kalb gehoben hat.“ – Dieses Zitat von Petronius spielt auf Milon von Kroton an, einen der berühmtesten Athleten (Ringer) der Antike. Der Legende zufolge stemmte er täglich ein Kalb. Mit dem heranwachsenden Tier wuchs seine Kraft, bis er schließlich den ausgewachsenen Stier stemmen konnte.
„Dich, Gott, loben wir.“ – Anfang eines Lob- und Dankgesangs der katholischen Kirche. Nach der Legende sollen die Heiligen Augustinus und Ambrosius von Mailand gemeinsam diesen Gesang komponiert haben. Er beginnt mit den folgenden Worten: „Te Deum laudamus. Te Dominum confitemur. Te aeternum patrem omnis terra veneratur.“ („Großer Gott, wir loben dich, Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.“)
Te intus et in cute novi.
„Dich kenne ich innen und unter der Haut.“ – Persius, Saturae 3,30.
Eigentlich ein Pleonasmus: Mit in cute ist nochmals gesagt, dass man das Innere, das unter der Erscheinung Verborgene, kennt, jemanden also ganz wörtlich durchschaut. Es handelt sich wohl um eine umgangssprachliche oder sprichwörtliche Wendung. Ähnlich spielerisch geht das deutsche „Ich kenne ihn in- und auswendig“ mit den Worten und Bedeutungen um.
Te ipsum cura, medice.
„Heil dich selbst, Arzt!“
Te semper, ut omnibus patet, immoderato amore complexa sum.
„Ich habe dich immer, wie alle wissen, in maßloser Liebe umarmt.“ – Die Äbtissin Heloisa in einem Brief an ihren früheren Geliebten, den Philosophen und Theologen Petrus Abaelardus.
„Erkenne dich selbst!“ – Übersetzung ins Lateinische der griechischen Inschrift Gnothi seauton (Γνῶθι σεαυτόν) am Apollotempel im Heiligtum von Delphi.
Auf diesen Ursprung weist z. B. Cicero[2] hin: „Iubet igitur nos Pythius Apollo noscere nosmet ipsos“ („So befiehlt uns also der Apollo von Delphi, uns selbst zu erkennen“).
„Geschlossene Zeit“ – In der katholischen Kirche Bezeichnung für die Bußzeiten im Kirchenjahr, die Fastenzeit und den Advent
Tempus curat omnia.
„Die Zeit heilt alles.“
Tempus edax rerum
„Die gefräßige Zeit“ – Zitat aus den Werken des Dichters Ovid. Davon abgeleitet ist die Redewendung Zahn der Zeit.
Tempus fert rosas.
„Zeit bringt Rosen.“ – Mit dieser sprichwörtlichen Redensart drückten die Paracelsisten ihren Zukunftsoptimismus hinsichtlich der Höherentwicklung der Heilkunst aus.
Tempus flendi et tempus ridendi
„Eine Zeit zu weinen und eine Zeit zu lachen“ – Zitat aus dem alttestamentlichen Buch Kohelet
Tempus fugit.
„Die Zeit flieht.“ – Die Zeit geht dahin, die Zeit rast; an Sonnenuhren oft ergänzt durch velut umbra („wie der Schatten“)
Tempus ipsum affert consilium.
„Die Zeit selbst bringt Rat herbei.“ – „Kommt Zeit, kommt Rat.“
Tempus peto
„Ich erbitte Zeit“ – Im Lateinunterricht altsprachlicher Gymnasien verwendeter Terminus, wenn man zur Toilette gehen musste. Die Antwort des Lehrers lautete in der Regel: „Habeas.“ („Du sollst sie haben.“)
„Grenze“ – Das Wort Terminus bezeichnet unter anderem ein Fachwort einer Fachsprache, die sprachliche Benennung eines gedanklich klar umrissenen, abgegrenzten Begriffs, in der römischen Mythologie den Gott der Grenzsteine oder das Ende einer Frist (daher „Termin“).
„Zeitpunkt, vor dem …“ – Terminus technicus für Datierungen: ein zeitlich gesicherter Sachverhalt, vor dem der zu datierende Vorgang geschehen sein muss.
Gelegentlich auch als Terminus, post quem non („Zeitpunkt, nach dem nicht …“) bezeichnet.
„Zeitpunkt, nach dem …“ – Terminus technicus für Datierungen: ein zeitlich gesicherter Sachverhalt, nach dem der zu datierende Vorgang geschehen sein muss.
Gelegentlich auch als Terminus, ante quem non („Zeitpunkt, vor dem nicht …“) bezeichnet.
„Das unbekannte Südland“ – Bezeichnung eines in der Antike postulierten, hypothetischen Südkontinentes. Geprägt hat den Namen Claudius Ptolemäus, der glaubte, dass alle Meere von Land umgeben seien, so wie das Mittelmeer und deshalb eine große im Süden liegende Landmasse voraussagte. Darauf zurück geht die Bezeichnung des australischen Kontinents.
„Niemandsland“ – Unbesiedeltes Land; Land, das niemandes Eigentum ist. Das Konzept der „terra nullius“ spielte eine wichtige Rolle bei der ideologischen Rechtfertigung von Kolonisation.
Terra, quae lacte et melle manabat
„Das Land, in dem Milch und Honig fließt“ – Bezeichnung des verheißenen Landes im 4. Buch Mose.
Terribilis est locus iste. Hic domus Dei est et porta caeli.
„Ehrfurcht gebietend ist dieser Ort! Hier ist das Haus Gottes und die Pforte des Himmels “ – Die zitierten Worte stammen vom biblischen Stammvater Jakob, der im Traum die Himmelsleiter gesehen hatte, auf der die Engel auf- und niederstiegen. (vgl. Gen 28,17.22 EU)
„Der dritte Punkt in einem Vergleich“ – Zwei Dinge, die miteinander verglichen werden, haben eine dritte Größe gemeinsam, die ihre Vergleichbarkeit bewirkt.
Tertium non datur.
„Es gibt kein Drittes“ – logisches Axiom, nach dem ein Satz nur wahr oder falsch sein kann und nichts anderes.
„Ich fürchte den Leser eines einzigen Buches.“ – Dieser Spruch wird in etwas unterschiedlicher Formulierung von der Antike bis in die Neuzeit angeführt:
„Timeo/cave hominem/lectorem/virum unius libri.“ (auch: „Cave ab homine …“)
„Ich fürchte einen / hüte dich vor einem Menschen/Leser/Mann mit nur einem einzigen Buch!“
Die ältesten lateinisch schreibenden Autoren, die mit diesem Dictum in Zusammenhang gebracht werden, sind Plinius der Jüngere, Seneca, Quintilian und Augustinus. Der wahre Urheber ist für keine dieser Formulierungen eruierbar.[4]
„Heb die festen Aussagen auf, und du hast das Christentum aufgehoben.“ – Sentenz aus Martin Luthers programmatischer Schrift De servo arbitrio. Mit diesem Satz wendet sich Luther gegen den hermeneutischen Skeptizismus des Erasmus von Rotterdam, der, um Ausgleich bemüht, die Möglichkeit letztgültiger Satzaussagen in Frage stellt.
Tolle, lege
„Nimm und lies.“ – Oft zitierter Spruch um den Kirchenlehrer Augustinus von Hippo, der dies in seinen „Bekenntnissen“ schildert. In einem Zustand religiöser Unruhe und Ungewissheit ging er in den Garten. Er legte sich unter einen Feigenbaum und weinte. Plötzlich hörte er eine Kinderstimme, die immer wieder rief: „Nimm und lies!“ Da er etwas Ähnliches über den Wüstenheiligen Antonius gelesen hatte, verstand er, was gemeint war: Gott gab ihm den Befehl, ein Buch aufzuschlagen und die Stelle zu lesen, auf die sein Blick als erste fallen würde. Er ging zurück, schlug die Paulusbriefe auf und las: „Nicht in Fressen und Saufen, nicht in Wollust und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet den Herrn Jesus Christus an und pflegt das Fleisch nicht zur Erregung eurer Lüste.“ (Römer 13, 13–14).
„Sich irren um den ganzen Himmel“ – „Sich ganz gewaltig irren“. Den Ausdruck liest man zum ersten Mal, und dort bereits als Sprichwort zitiert, bei Macrobius (Saturnalia 3.12.10). Es handelt sich vielleicht um die lateinische Nachbildung eines bei Aristophanes überlieferten ähnlichen griechischen Dictums.[6]
„Die ganze Welt agiert als Schauspieler.“ – „Die ganze Welt ist ein Theater.“ Inschrift auf dem Globe Theatre in London, das vor allem durch Aufführungen von Werken William Shakespeares einen bedeutenden Platz in der Theatergeschichte einnimmt. Die Aufschrift ließ Shakespeare selbst anbringen. Das Motto geht auf eine Petronius-Paraphrase in Johannes von Salisburys Hauptwerk Policraticus zurück, in dem es heißt: „Quod fere totus mundus iuxta Petronium exerceat histrionem.“ („Dieses ungefähr gemäß Petronius [zitiert]: Die ganze Welt übt sich als Schauspieler.“) Aus Shakespeares Theaterstück As you like it (Wie es euch gefällt, 1599) stammt die folgende englische Version:[7]
„All the world’s a stage, And all the men and women merely players.“
„Die ganze Welt ist eine Bühne, Und alle Männer und Frauen sind nur Spieler.“
Totus tuus
„Ganz der deine“ – Wahlspruch des Papstes Johannes Paul II., der damit seine Marienverehrung ausdrückte
„Den eigenen Verstand überschreiten und sich der Welt bemächtigen“ – Inschrift auf der Fields-Medaille, abgewandeltes Zitat des Astrologen Marcus Manilius (Astronomicon 4,392).
„Übertragung des Reichs“ – Theorie des Mittelalters und der frühen Neuzeit, der zufolge ein Weltreich das andere ablöst, basierend auf der aus dem Buch Daniel stammenden Vier-Reiche-Lehre (Dan 2,39-40 EU).
„Drei gute Mütter gebären drei schlimme Kinder: die Wahrheit den Hass, der Frieden die Trägheit, allzu große Vertrautheit den Überdruss.“ – ocium ist eine mittellateinische Schreibvariante zu otium.
„Drei bilden eine Gruppe.“ – Der oströmische Kaiser Justinian I. veranlasste 528 n. Chr. eine Sammlung von Rechtsvorschriften, das spätere Corpus Juris Civilis. Dort wird der römische Jurist und Suffektkonsul Lucius Neratius Priscus wie folgt zitiert: „Neratius Priscus tres facere existimat collegium“(„Neratius Priscus erklärt, dass drei ein Kollegium ausmachen“).[8] Damit wurde festgestellt, dass es mindestens dreier Stimmberechtigter bedarf, um einen Mehrheitsbeschluss herbeiführen zu können.
Seit dem Mittelalter gab es an den Universitäten die Regel, dass außer dem Dozenten mindestens noch zwei Studenten anwesend sein mussten, damit eine Vorlesung gehalten werden konnte.
Tria mala aeque nocent. Sterilitas, morbus, vicinus.
„Drei Übel schaden gleichermaßen: Unfruchtbarkeit, Krankheit und der Nachbar“ – Palladius in seinem Werk „Vom Landbau“ über die Weinkultur und meint damit: Den Reben schaden am meisten ein unfruchtbarer Boden, Rebkrankheiten und die Unterpflanzung unpassender Kulturen. (Rutilius Taurus Aemilianus Palladius, de re rustica 1,6.)
„Ich war du, du wirst ich sein“ – „Was du bist, war ich; was ich bin, wirst du sein.“ Inschrift auf einem Grabstein, die an die Unausweichlichkeit des Todes erinnert.
„Weiche du nicht den Übeln, sondern du sollst ihnen kühner entgegengehen!“ – Vergil, Äneis, 6,95.
Tu quoque fili?
„Auch du, mein Sohn?“ – Julius Caesar zugeschrieben, als er Marcus Iunius Brutus unter den Attentätern sah. Cäsar soll diesen Ausruf aber auf Griechisch getan haben: (Καὶ σὺ τέκνον; – „Auch du, mein Kind?“).
Tua me ad religionis habitum iussio, non divina traxit dilectio.
„Dein Befehl brachte mich zur Nonnentracht, nicht die Liebe zu Gott.“ – Die Äbtissin Heloisa in einem Brief an ihren früheren Geliebten, den Philosophen und Theologen Petrus Abaelardus.
„Um deine Sache geht es.“ – Es handelt sich hier um ein verkürztes Horaz-Zitat:[9] „Nam tua res agitur, paries cum proximus ardet.“ („Denn um deine Sache geht es, wenn die Wand des Nachbarn brennt.“)
„Die Tunica ist näher als der Mantel.“ – Diese Redensart aus einer Komödie des römischen Dichters Plautus[10] entspricht dem deutschen Sprichwort „Das Hemd ist näher als der Rock“.
„Du beurteilst den Charakter anderer nach deinem eigenen.“ – Der Satz stammt aus einer Komödie des Dichters Plautus[11]. Er entspricht dem deutschen Ausdruck „von sich auf andere schließen“.
„Schändlich ist es, in der Heimat zu leben und diese nicht zu kennen.“ – oft klassischen Autoren der Antike zugeschrieben, aber wohl erst im 18. Jahrhundert entstanden
„Ein fester Turm ist mir Gott.“ – Motto des schottischen Kelly-Clans, nach Psalm 61 (in der Vulgata Psalm 60), Vers 4, wo es lautet:
Quia factus es spes mea, turris fortitudinis a facie inimici. – „Denn Du bist geworden meine Hoffnung, ein Turm der Festigkeit gegen des Feindes Gesicht.“
↑Ausführlich über Autoren, Wortlaut und unterschiedliche Interpretationen Fritsch, Andreas: Timeo lectorem unius libri. In: Vox Latina 19 (1983), S. 309 ff.