Meeresbodenbergbau (kurz Meeresbergbau, im Bereich der Tiefsee auch Tiefseebergbau genannt) ist Bergbau, das heißt das Aufsuchen, Erschließen und Fördern von mineralischen Rohstoffen (Bodenschätzen) auf und unter dem Meeresboden.
Rohstoffvorkommen
BearbeitenMetallische Rohstoffe (Erze)
BearbeitenAuf und unter dem Meeresgrund gibt es aufgrund der andersartigen physikalischen Umgebung bedeutende Vorkommen einiger Erze und polymetallischer Mineral-Aggregate aus Metallen, die in der Erdkruste an Land nur selten oder meist in geringer, nicht abbauwürdiger Konzentration auftreten:
- Erzschlämme an Plattenrändern
- Cobaltreiche Kruste auf Tiefseebergen und an Gebieten mit vulkanischer Aktivität
- Tiefseeknollen:
- Eisen im Küstenvorfeld
- Massivsulfide bis 3000 m Tiefe
- Schwermineralseifen in Schelfgebieten
- Organische Rohstoffe und Phosphoritknollen bis 500 m Tiefe
Edelsteine
BearbeitenVor der Küste von Namibia und Südafrika werden Diamanten aus den Sedimentkörpern von Flüssen nach ihrer Einmündung in den Atlantik gewonnen, beispielsweise bei Alexander Bay.
Fossile Energierohstoffe
BearbeitenSeit langem verbreitet ist die Gewinnung von fossilen Rohstoffen für die energetische aber auch die stoffliche Verwertung aus dem Untergrund unter dem Meer.
- Erdöl
- Erdgas
- Methanhydrat (bisher kaum, jedoch hohes Zukunftspotential)
Die Erschließung der Vorkommen geschieht in der Regel durch eine Bohrinsel oder ein Bohrschiff, anschließend erfolgt die Förderung durch eine Förderplattform von der Wasseroberfläche aus.
Massenrohstoffe (Steine und Erden)
BearbeitenIm küstennahen Flachwasser werden teilweise Massenrohstoffe wie Sand oder Kies mit Schwimmbaggern gewonnen, die vor allem als Baustoff verwendet werden.
Wirtschaftliche Nutzung und Umweltfolgen
BearbeitenWegen des enormen Aufwandes wird Meeresbergbau hauptsächlich von hochtechnisierten Industrieländern betrieben, allen voran Japan. Um wirtschaftlich zu arbeiten, muss der Tiefseebergbau große Erzmengen fördern: zurzeit 5000 t Manganknollen (nass) pro Tag und pro Abbaueinheit. Pro 5000 t Manganknollen werden mindestens 1 km² des Meeresbodens abgebaut, was Umweltprobleme mit sich bringt:
- mechanische Zerstörung des Bodens durch Abbaugeräte
- Bildung von Trübungswolken, wobei bodenlebende Organismen (z. B. Schwämme) durch plötzliche Sedimentation abgedeckt werden
- Störung des biologischen Gleichgewichts in der Tiefsee durch Mineralentzug
Das Thema Tiefseeressourcen, Tiefseebergbau und seine ökologischen Folgen wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 2015 in die G7-Gespräche der Wissenschaftsminister eingebracht. Auf Grundlage der Forschungsergebnisse ist zu entscheiden, ob und wie ein Tiefseebergbau stattfinden kann. Voraussetzung sind internationale Standards, die höchste Ansprüche stellen, wie marine Ressourcen ökologisch verantwortlich erschlossen werden können.
Allerdings wurden im Dezember 2020 Bestrebungen von den Unternehmen DEME und Lockheed Martin bekannt, sich Zugriff auf Rohstoffe der Tiefsee, für die Entwicklungsländer Lizenzen haben, zu verschaffen, wobei noch keine globalen Umweltregeln für den Tiefseebergbau bestehen.[2]
Erforschung des Tiefseebergbaus
BearbeitenIm internationalen Forschungsprogramm JPI Oceans untersucht die Pilotmaßnahme „Ökologische Auswirkungen des Tiefseebergbaus“, ob ein Abbau der Manganknollen in der Tiefsee die dort lebenden Arten gefährden würde. Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, brachen Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes für marine Mikrobiologie, des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Alfred-Wegener-Institutes, des Marum und des Senckenberg Forschungsinstitutes im August 2015 mit dem Forschungsschiff Sonne zu einer Fahrt ins Perubecken im östlichen Pazifik auf, um die ökologischen Folgen eines Manganknollenabbaus in der Tiefsee haben würden. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass die bisherigen Lebensgemeinschaften in den Regionen, wo Manganknollen entfernt wurden, nicht mehr in der gleichen Artzusammensetzung vorkommen.
Zuständig für den Meeresboden außerhalb der 200-Seemeilen-Zone ist die Internationale Meeresbodenbehörde, wo die Wissenschaftler des JPIO-Projektes im Sommer 2016 ihre Ergebnisse präsentierten, damit diese in die Regularien zum Tiefseebergbau einfließen.
2021 riefen in einem offenen Brief über 350 Meeresforscher und Beschäftigte aus verwandten Wissenschaftszweigen zu einem sofortigen Moratorium aller unterseeischen Bergbauvorhaben auf, um zunächst weitere Risikoforschung bezüglich womöglich irreversibler Biodiversitätseinbußen zu ermöglichen.[3]
Am 9. Januar 2024 stimmte das norwegische Parlament dafür, große Gebiete im Nordatlantik für den Tiefseebergbau zu öffnen. Das 281 000 Quadratkilometer umfassende Areal liegt zwischen Ostgrönland und Spitzbergen. Norwegische Geowissenschaftler prognostizieren dort abbaufähige rund 45 Millionen Tonnen Zink sowie 38 Millionen Tonnen Kupfer. Zudem soll die Meereskruste große Mengen an Gold, Silber, Mangan, Eisen, Titan, Kobalt, Nickel und Zirkonium, aber auch seltene Erden wie Neodym, Yttrium und Dysprosium enthalten.[4] Die Befürworter dieser Entscheidung verweisen darauf, bei dem Abbau werde man Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Norwegens Vorkommen von Mineralien und seltenen Erden sei für den grünen Wandel hin zu erneuerbaren Energien von überragender Bedeutung. Zudem sichere der Abbau die eigene Versorgung. Die Gegner des Beschlusses erachten diesen als unverantwortlich. Denn über den Großteil des betroffenen Gebiets wisse man kaum etwas, auch habe man keine Vorstellung, welche Auswirkungen der Tiefseebergbau auf das Meeresleben habe.[5]
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Henning Jessen: Staatenverantwortlichkeit und seevölkerrechtliche Haftungsgrundsätze für Umweltschäden durch Tiefseebodenbergbau. Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 02/2012, 71 (PDF)
- Sebastian Scholz: Rohstoffversorgung durch Meeresbergbau. In: Schiff & Hafen, Heft 5/2011, Seehafen-Verlag, Hamburg 2011, ISSN 0938-1643, S. 72–76.
- Uwe Jenisch: Tiefseebergbau in der vorkommerziellen Phase. In: Schiff & Hafen, Heft 11/2014, DVV Media Group, Hamburg 2014, ISSN 0938-1643, S. 36–39.
- Peter E. Halbach, Andreas Jahn: Metalle aus der Tiefsee – aussichtsreiche Quelle oder Illusion? In: Schiff & Hafen, Heft 2/2015, S. 36–41, DVV Media Group, Hamburg 2015, ISSN 0938-1643.
- Juergen B. Donges: The economics of deep-sea mining. Springer, Berlin 1985, ISBN 0-387-15144-3.
- Yves Fouquet et al.: Deep Marine Mineral Resources. Springer, Dordrecht 2014, ISBN 978-94-017-8562-4.
- Rahul Sharma: Deep-Sea Mining – Resource Potential, Technical and Environmental Considerations. Springer, Cham 2017, ISBN 978-3-319-52556-3.
- Kirsten F. Thompson, Kathryn A. Miller, Duncan Currie, Paul Johnston, David Santillo: Seabed Mining and Approaches to Governance of the Deep Seabed. Frontiers in Marine Science, 2018, https://doi.org/10.3389/fmars.2018.00480
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Meeresbodenbergbau im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- FONA-Podcast: Die Tiefsee als Schatzkammer der Menschheit
- JPI Oceans: Ecological Aspects of Deep-Sea Mining
- JPI Oceans: Ecological Aspects of Deep Sea Mining (GEOMAR)
- Bettina Wurche: Ein Kahlschlag auf 5000 Meter Tiefe in Spektrum.de vom 20. Juni 2023
- Thomas Krumenacker: Ein Schatz zum Greifen fern in Spektrum.de vom 21. Juni 2023
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Meeresatlas 2017 - Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean, dort S. 35
- ↑ spiegel.de vom 4. Dezember 2020, Umweltschützer warnen vor Zugriff von Konzernen auf die Tiefsee, abgerufen am 27. Dezember 2020.
- ↑ Deep-Sea Mining Science Statement. Abgerufen am 29. Juni 2021 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Alex Rühle: Rohstoffe : Norwegen will seltene Erden aus der Tiefsee fördern, Das Parlament in Oslo plant, Lizenzen zu vergeben, um Rohstoffe am Boden des Nordatlantik abzubauen. Umweltverbände und Ozeanologen reagieren entsetzt. In: https://www.sueddeutsche.de/. Süddeutsche Zeitung GmbH Hultschiner Straße 8 81677 München, 9. Januar 2024, abgerufen am 12. Januar 2024.
- ↑ Julian Staib: Tiefseebergbau für den grünen Wandel, Warum Umweltschützer Norwegens Entscheidung trotzdem scharf kritisieren in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. Januar 2024, Seite 6