Relativierung (Mengenlehre)

Begriff der Mengenlehre
(Weitergeleitet von Transitives Prädikat)

Im mathematischen Gebiet der Mengenlehre bedeutet Relativierung, dass man mengentheoretische Aussagen in Bezug auf eine Eigenschaft, die die insgesamt betrachteten Mengen einschränkt, betrachtet. Derartige Relativierungen spielen eine wichtige Rolle in der Modelltheorie der Mengenlehre.

Definitionen

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Wir betrachten in diesem Kapitel die Mengenlehre in der Sprache der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre (kurz ZF), diese besteht aus   für die Elementbeziehung, der Gleichheit   von Mengen und den üblichen logischen Symbolen   sowie Variablen   für Mengen. Die daraus korrekt gebildeten Formeln bzw. Aussagen sind Untersuchungsgegenstand der Mengenlehre. Alle anderen Symbole der Mengenlehre sind darauf aufbauend definierbar, so zum Beispiel die Teilmengenbeziehung

 

Ferner sei ein Prädikat   gegeben, das heißt eine mengentheoretische Aussage mit einer freien Variablen. Ist   eine Menge, so kann man diese an die Stelle der freien Variablen setzen, und wir schreiben einfach  , wenn daraus eine auf   zutreffende Aussage entsteht. Ein einfaches und zugleich wichtiges Beispiel ist das Prädikat  , wobei   eine gegebene Klasse oder Menge und   die freie Variable ist. In diesem Fall bedeutet   einfach, dass   ein Element von   ist.

Wir wollen nun mengentheoretische Formeln   bzgl.   relativieren, das heißt auf alle   mit   einschränken, indem wir zu einer Formel   übergehen, die genau diese Einschränkung vornimmt und die  -Relativierung von   heißt. Wir definieren   wie folgt über den Aufbau der Formel   aus oben genannten Symbolen[1]:

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Dabei sind   und   mengentheoretische Formeln, die auch Parameter, das heißt weitere freie Variablen, enthalten dürfen. So sind die letzten beiden Definitionen nur für solche   sinnvoll, die   als freie Variable enthalten (sollte   in   auch als gebundene Variable auftreten, so ist diese entsprechend umzubenennen, diese übliche Vereinbarung wird hier stillschweigend angenommen). Wie obige Definition zeigt, sind nur die Quantoren   und   von der  -Relativierung betroffen, was der intuitiven Vorstellung einer Einschränkung auf   entgegenkommt.

Beispiel

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Als Prädikat   nehmen wir  , also die Zugehörigkeit zu einer Klasse  . Wir wollen die  -Relativierung auf die Formel

 

anwenden. Dies ist übrigens eine im ZF-Mengenuniversum wahre Aussage, wenn man für den Parameter   die leere Menge nimmt, denn es wird dann ausgesagt, dass jede von der leeren Menge verschiedene Menge ein Element enthält, aber das spielt für die folgende Relativierung keine Rolle. Das   ist natürlich als   zu übersetzen. Als erstes müssen wir die Regel für den Allquantor anwenden und erhalten

 

Auf den noch zu relativierenden Teil der Formel wird nun die Regel für   angewendet:

 

Nun haben wir noch zwei zu relativierende Formelteile. Der linke Teil bereitet wegen der  -Regel keine Schwierigkeiten, der rechte Teil enthält wieder einen Quantor und ist entsprechend zu behandeln:

 

und in einem letzten Schritt erhalten wir

 

Abhängig von   muss diese Aussage nicht mehr wahr sein, selbst wenn man   wählt, denn die relativierte Aussage behauptet, dass jedes von   verschiedene Element aus   ein Element aus   enthält, und das hängt natürlich von   ab.

Mengentheoretische Symbole

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Um auch Formeln relativieren zu können, die neben den oben genannten Symbolen auch sogenannte definierte Symbole wie Teilmenge  , kartesisches Produkt  , Durchschnitt   und so weiter enthalten, muss man zunächst die Rückübersetzung in die Symbole der oben festgelegten Sprache vornehmen und dann relativieren. Dadurch lässt sich der Begriff  -Relativierung auch auf solche Formeln ausdehnen, zum Beispiel

 

wobei die letzte Gleichheit eine rein logische Umformung ist. Auch dieses Beispiel zeigt, dass sich Aussagen, wie hier eine Teilmengenbeziehung, bei Relativierungen durchaus ändern können. Ein weiteres Beispiel ist

 

Ist zum Beispiel  ,   das Prädikat   und setzt man  , so sind die Aussagen   und   im ZF-Mengenuniversum falsch, die  -Relativierungen hingegen sind wahr, denn   enthält keine Elemente, auf die das Prädikat   zutrifft.

Absolutheit

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Wir haben gesehen, dass sich der Wahrheitswert einer Aussage durchaus ändern kann, wenn man zu einer  -Relativierung übergeht. Aussagen, bei denen das nicht der Fall ist, heißen  -absolut. Ist   eine Aussage mit Parametern   (und keinen weiteren), so sagt man[2]

  ist  -absolut, falls

 

das heißt, der Wahrheitswert der Aussage   bleibt bei  -Relativierung für alle Parameter  , die dem Prädikat   genügen, erhalten. Entsprechend heißt ein Satz, das heißt eine Aussage   ohne Parameter,  -absolut, wenn  .

Für „  ist  -absolut“ sagt man auch „  spiegelt  “. Ein wichtiger Satz ist das sogenannte Reflexionsprinzip, nach dem jede Aussage bereits durch eine Stufe   der Von-Neumann-Hierarchie gespiegelt wird, wobei hier natürlich das Prädikat „ “ gemeint ist.

Eine Formel heißt aufwärts absolut für eine Menge  , falls

 

und abwärts absolut, falls die umgekehrte Implikation

 

gilt. Offenbar ist eine Formel genau dann absolut für eine Menge, wenn sie zugleich aufwärts und abwärts absolut ist.

Transitive Prädikate

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Eine Klasse   heißt transitiv, falls für alle   auch  . Die Stufen der Von-Neumann-Hierarchie sind Beispiele transitiver Mengen. Für transitive Klassen   lassen sich weitere Absolutheitsaussgen beweisen. Die  -Formeln in der Levy-Hierarchie sind alle mengentheoretischen Formeln (der oben festgelegten Sprache), die durch folgende Regeln gebildet werden können

  • Jede Formel ohne Quantoren ist eine  -Formel
  • Sind   und    -Formeln, so auch   und  .
  • Ist   eine  -Formel, so auch   und  .

Mit diesen Begriffsbildungen gilt folgender Satz[3]:

  • Ein transitives Prädikat spiegelt jede  -Formel.

Beispiele solcher  -Formeln sind

  •  , das heißt  
  •  , das heißt  
  •   ist Nachfolger von  , das heißt   bzw.  

Derartige Aussagen sind also  -absolut für jede transitive Klasse  . Man kann zeigen, dass Aussagen der Art „  ist Potenzmenge von  “ oder „  ist eine Kardinalzahl“ nicht von diesem Typ sind. Daher spielen transitive Relativierungen, das heißt Relativierungen nach transitiven Prädikaten, eine wichtige Rolle in der Modelltheorie der Mengenlehre.

Einzelnachweise

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  1. Heinz-Dieter Ebbinghaus: Einführung in die Mengenlehre, Spektrum Verlag 2003, ISBN 3-8274-1411-3, Kap X, Definition 1.1
  2. Heinz-Dieter Ebbinghaus: Einführung in die Mengenlehre, Spektrum Verlag 2003, ISBN 3-8274-1411-3, Kap X, Definition 1.3
  3. Thomas Jech: Set Theory, Springer-Verlag (2003), ISBN 3-540-44085-2, Lemma 12.9