Prächtiger Dünnfarn

Farnart
(Weitergeleitet von Trichomanes speciosum)

Der Prächtige Dünnfarn (Vandenboschia speciosa) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Vandenboschia innerhalb der Familie der Hautfarngewächse (Hymenophyllaceae).[1]

Prächtiger Dünnfarn

Gametophyten des Prächtigen Dünnfarns in einer Felsspalte

Systematik
Farne
Klasse: Echte Farne (Polypodiopsida)
Ordnung: Hautfarnartige (Hymenophyllales)
Familie: Hautfarngewächse (Hymenophyllaceae)
Gattung: Vandenboschia
Art: Prächtiger Dünnfarn
Wissenschaftlicher Name
Vandenboschia speciosa
(Willd.) G.Kunkel

Lebenszyklus

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Wie typisch für Farne, existieren auch beim Prächtigen Dünnfarn im Zuge eines Generationswechsels jeweils aufeinanderfolgend eine haploide sich geschlechtlich fortpflanzende Generation, Gametophyt genannt, und eine sich über Sporen ungeschlechtlich fortpflanzende, diploide Generation, Sporophyt genannt, wobei der Sporophyt, wie typisch für alle höheren Pflanzen, größer und morphologisch stärker differenziert ist. Ungewöhnlich und bei europäischen Farnarten einzigartig ist beim Prächtigen Dünnfarn aber, dass der Gametophyt, neben der geschlechtlichen Fortpflanzung, sich auch über Gemmae genannte Brutkörperchen alternativ ebenfalls asexuell fortpflanzen kann. In diesem Fall folgt auf einen Gametophyt direkt ein weiterer Gametophyt. Da Gametophyten und Sporophyten auch in ihren ökologischen Ansprüchen unterschiedlich sind, gibt es Regionen des Verbreitungsgebiets, in denen ausschließlich Gametophyten vorkommen, ohne jemals die typischen Farnwedel (der Sporophyten-Generation) auszubilden. Diese können in Europa Hunderte von Kilometern von Vorkommen mit Sporophyten entfernt sein. Das Verbreitungsgebiet des Gametophyten ist also beim Prächtigen Dünnfarn weitaus größer als dasjenige, in dem auch Sporophyten ausgebildet werden.

Beschreibung

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Sporophyten
 
Sporophyt

Gametophyt

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Der Gametophyt des Prächtigen Dünnfarn wächst als filziges, matten- oder polsterfömiges Lager aus verzweigten Zellfäden. Die Einzelzellen erreichen dabei etwa 150 bis 300 Mikrometer Länge und 40 bis 55 Mikrometer Breite. Sie sind frisch grün gefärbt, nehmen bei Austrocknung aber eine blaugrüne Färbung an. Sie können von Einzelfilamenten, oft zwischen Moospflanzen, bis hin zu Matten von mehreren Quadratmeter Ausdehnung variieren. Die Polster sind recht stabil und besitzen bei Berührung etwa die Konsistenz von Wolle. Sie sind daran und an den stärkeren Fäden von Protonemae von Moosen zu unterscheiden. Am Substrat sind sie mit, braun gefärbten Rhizoiden verankert. Die kurz-fädigen, aus wenigen Zellen bestehenden Gemmae sitzen büschelförmig gehäuft auf besonderen, Gemmifer genannten Strukturen. Von den Gametophyten anderer Farne sind sie in Europa leicht an der fädigen Wuchsform unterscheidbar.[2]

Sporophyt

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Der Sporophyt des Prächtigen Dünnfarns[3][4][5][6] wächst als ausdauernde krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von bis zu 45 Zentimetern. Die Wedel entspringen, jeweils einzeln, langen, dünnen, auf der Oberfläche kriechenden Kriechsprossen (Rhizomen), die bedeckt sind von schwarz gefärbten, haarförmigen Schuppen. Die Rhizome erreichen etwa 2 bis 4 Millimeter Durchmesser, sie verzweigen sich oft, so dass umfangreiche, ausgedehnte Kolonien aus einzelnen Farnwedeln entstehen können. Die einzelnen Wedel erreichen 10 bis meist 20 bis 45 Zentimeter Höhe, ihre Spreite ist dreieckig-eiförmig bis eiförmig-lanzettlich im Umriss (solche schmalen Formen wurden aus Irland als var andrewsii Newm. beschrieben[3]) und etwa zwei Drittel länger bis genauso lang wie ihr, zumindest oberwärts geflügelter, Stiel. Die fein gekräuselte Spreite ist zwei- bis dreifach (bis vierfach) fiederteilig, mit stumpfen (selten zugespitzten) Zipfeln. Die eigentliche Spreite (Lamina) ist sehr dünn (nur eine einzelne Zelllage stark) und durchscheinend. Die Fiederung ist symmetrisch, nicht asymmetrisch wie bei der Gattung Hymenophyllum. Die auffällige Aderung erstreckt sich bis zur Spitze der Einzelloben und Pinnae. Die Sporangien sitzen am Spreitenrand in becher- bis röhrenartigen Sori an einer zentralen, borstenförmigen Achse, die haarförmig aus dem zweilippigen Indusium hervorragt; an älteren Sori sind diese Borstenhaare noch gut erkennbar.

Die Wedel des Prächtigen Dünnfarn sind langsam wachsend und immergrün, sterile Wedel können mehrere Jahre alt werden.

Der Chromosomensatz ist 2n = 144.

Verbreitung

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Das Verbreitungsgebiet, in dem Sporophyten des Prächtigen Dünnfarns registriert wurden, ist auf die makaronesische Inselwelt und wenige Reliktvorkommen des küstennahen atlantischen Westeuropa beschränkt, es umfasst die Kapverdische Inseln, die Azoren, die Kanarischen Inseln, Madeira, den Süden, Westen und Nordwesten der Iberische Halbinsel (mit südlichstem Vorkommen in den Aljibe-Bergen unmittelbar nördlich von Gibraltar[7]), das Baskenland und das Armorikanische Massiv in Westfrankreich[8], Irland (vor allem den Südwesten der Insel, County Kerry) und wenige isolierte Vorposten im Westen von Großbritannien und Italien. Innerhalb dieses Gebiets ist die Art meist auf wenige Sonderstandorte beschränkt und überall selten, so dass sie zu den seltensten europäischen Farnarten gerechnet wird.

Erstmals 1992 im französischen Zentralmassiv[8] wurde überraschenderweise festgestellt, dass der Gametophyt des Prächtigen Dünnfarn viel weiter verbreitet ist, und insbesondere in Europa weit nach Osten hin vorkommt. Als Botaniker daraufhin eine gezielt Nachsuche begannen, wurde der Prächtige Dünnfarn bereits 1993 in den Vogesen, in Luxemburg und in der Südpfalz in Deutschland gefunden.[9] Später wurde er weiter östlich, etwa im Elbsandsteingebirge (sowohl auf deutscher wie auch auf tschechischer Seite) registriert. Die östlichsten bekannten Fundorte sind zwei 2002 gefundene Stellen in den Sudeten im äußersten Westen von Polen.[10] Der Gametophyt ist auch im Verbreitungsgebiet der Sporophyten häufiger, er kommt etwa in Italien von Ligurien bis zur Toskana und weiter verbreitet in Großbritannien, bis in den Osten von Schottland, vor.

Aus Deutschland sind Funde von Gametophyten bis 1998 bekannt geworden aus dem Pfälzerwald, der Eifel, dem Bergischen Land (Teufelsklippen bei Solingen) dem Nordschwarzwald, dem Spessart, dem Elbsandsteingebirge und Zittauer Gebirge[2], immer auf Sandsteinfelsen, fast durchweg des Buntsandstein. Seither wurden noch eine Reihe weiterer Vorkommen entdeckt, etwa in Südniedersachsen (Reinhäuser Wald)[11] oder im hessischen Odenwald, Taunus, Burgwald und Werraland[12]. Eine Verbreitungskarte für Deutschland (Stand 2013) ist bei Floraweb[13] angegeben. Mit Ausnahme einiger wenige Millimeter langer Exemplare im Pfälzerwald[9] wurden noch nie Sporophyten in Deutschland nachgewiesen.

Standorte

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Der Prächtige Dünnfarn wächst auf Felsstandorten auf saurem (selten neutralem) Gestein, häufig Sandstein, in luftfeuchten, schattigen Lagen, oft im Eingangsbereich von Höhlen oder Felsüberhängen oder im Spritzwasserbereich von Wasserfällen, oft in dunklen, wenig belichteten Bereichen, meist innerhalb von Waldgebieten.[3] In Andalusien erreicht sie Höhenlagen von 500 bis 700 Metern.[14] Sie fehlt auf exponierten Standorten mit Windeinfluss und auf Kalkgestein.[2] Nur in Makaronesien gibt es auch halb-epiphytische Vorkommen auf bemoosten Baumstämmen.[15]

Naturschutz

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Der Prächtige Dünnfarn ist Arten von gemeinschaftlichem Interesse nach Anhang II und Anhang IV der FFH-Richtlinie der Europäischen Union[16] und aufgeführt im Anhang I der Berner Konvention. Das bedeutet, dass die Staaten der EU besondere Schutzgebiete im Rahmen des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 für den Farn ausweisen sollen, aber auch alle Vorkommen abseits von Schutzgebieten besonderem Artenschutz unterliegen.

Nach der Abschätzung der IUCN gilt der Prächtige Dünnfarn 2017 als LC = „Least Concern“ = „nicht gefährdet“[17], es wird aber auf Bedrohungen aufgrund der besonderen Standortansprüche und des langsamen Wuchses aufmerksam gemacht, so dass die Bestandsentwicklung weiter geprüft werden soll. Als Bedrohungsfaktoren werden Einflüsse der Forstwirtschaft, Freizeitaktivitäten (z. B. Klettersport), aber auch Besammeln durch Botaniker und Pflanzenliebhaber angegeben.

Der Prächtige Dünnfarn war im 19. Jahrhundert, im Viktorianischen Zeitalter, in England aufgrund ihrer Seltenheit in Sammlungen und Gewächshäusern reicher Engländer sehr begehrt, ihr Besitz galt als Statussymbol. Die meisten englischen Vorkommen wurden in dieser Zeit daher für den Pflanzenhandel geplündert.[2]

Taxonomie

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Die Erstveröffentlichung erfolgte 1810 unter dem Namen (Basionym) Trichomanes speciosum durch Carl Ludwig Willdenow. Erste Funde, von Richard Richardson in Yorkshire, England stammen schon aus dem Jahr 1724, wurden aber noch irrtümlich der (tropisch verbreiteten) Trichomanes radicans (einem Synonym von Vandenboschia radicans) zugeordnet.

Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass die artenreiche, mehr als 250 Arten umfassende Gattung Trichomanes in traditioneller Abgrenzung polyphyletisch ist und diese Verwandtschaftsgruppe neu gegliedert werden muss. Der Prächtige Dünnfarn gehört dabei einer Klade an, die bei Ebihara et al. 2006 als eigenständige Gattung Vandenboschia Copeland aufgefasst wird. Diese war, in einem etwas anderen Umfang, traditionell als Untergattung von Trichomanes aufgefasst worden. Innerhalb der Gattung gehört sie, mit etwa 15 anderen Arten, der Untergattung Vandenboschia s. str. an. Diese Art gehört seit Ebihara et al. 2006 als Vandenboschia speciosa (Willd.) G.Kunkel zur Gattung Vandenboschia Copeland[18] Dies wurde beispielsweise durch Kadereit et al. 2016 bestätigt.[19][7][1]

Die Neukombination zu Vandenboschia speciosa (Willd.) G.Kunkel wurde bereits 1966 durch Günther W. H. Kunkel in Ber. Schweiz. Bot. Ges. Band 76, S. 48 veröffentlicht.[1]

Einzelnachweise

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  1. a b c Michael Hassler: Datenblatt Vandenboschia speciosa bei World Ferns. - Synonymic Checklist and Distribution of Ferns and Lycophytes of the World. Version 12.10 Februar 2022.
  2. a b c d F. J. Rumsey, A. C.Jermy: The independent gametophytic stage of Trichomanes speciosum Willd. (Hymenophyllaceae), the Killarney Fern and its distribution in the British Isles. In: Walsonia, Volume 22, 1998, S. 1–19.
  3. a b c C. N. Page: The Ferns of Britain and Ireland. Cambridge University Press, 2nd edition 1997, ISBN 0-521-58380-2, S. 375–380.
  4. Clive Stace: New Flora of the British Isles. Cambridge University Press, 3rd edition 2010, ISBN 978-1-139-48649-1, S. 16.
  5. D. A. Webb: Trichomanes L. S. 13. In: T. G. Tutin, V. H. Heywood, N. A. Burges, D. M. Moore, D. H. Valentine, S. M. Walters, D. A. Webb (Hrsg.): Flora Europaea. Volume 1: Psilotaceae to Platanaceae. 2., überarb. Auflage. 1993, ISBN 0-521-41007-X. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  6. M. Laínz: Vandenboschia. S. 73–74. In: S. Castroviejo, M. Laínz, G. López González, P. Montserrat, F. Muñoz Garmendia, J. Paiva, L. Villar (Hrsg.): Flora Iberica. Plantas vasculares de la Península Ibérica e Islas Baleares. Band 1: Lycopodiaceae-Papaveraceae, Real Jardín Botánico, Madrid, 1986. ISBN 84-00-06221-3.
  7. a b Samira Ben‐Menni Schuler, María del Carmen García‐López, Inmaculada López‐Flores, Marta Nieto‐Lugilde, Víctor N. Suárez‐Santiago: Genetic diversity and population history of the Killarney fern, Vandenboschia speciosa (Hymenophyllaceae), at its southern distribution limit in continental Europe. In: Botanical Journal of the Linnean Society, Volume 183, 2017, S. 94–105.
  8. a b S. Loriot, S. Magnanon, E. Deslandes: Trichomanes speciosum (Hymenophyllaceae, Pteridophyta) in northwestern France. In: Fern Gazette, Volume 17, 6-8, 2006, S. 265–281.
  9. a b Helga Rasbach, Kurt Rasbach, Claude Jêrome: Über das Vorkommen des Hautfarns Trichomanes speciosum (Hymenophyllaceae) in den Vogesen (Frankreich) und dem benachbarten Deutschland. In: Carolinea – Beiträge zur naturkundlichen Forschung in Südwestdeutschland. Band 51. Karlsruhe 1993, S. 51–52 (zobodat.at [PDF; 1,4 MB; abgerufen am 19. April 2023]).
  10. Krzysztof Świerkosz, Kamila-Reczyñska, Marek-Krukowski: Killarney fern Trichomanes speciosum Willd. in Poland (2002–2008), the state of population and protection perspective. In: E. Szczêniak, E. Gola (Hrsg.): Club mosses, horsetails and ferns in Poland, resources and protection. Polish Botanical Society & Institute of Plant Biology, University of Wrocław, Wrocław, 2008, S. 47–56.
  11. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz – NLWKN, 2010: Prächtiger Dünnfarn (Trichomanes speciosum). Vollzugshinweise zum Schutz von Pflanzenarten in Niedersachsen.
  12. Marion Eichler, Martina Kempf: Nachuntersuchungen zur Verbreitung des Prächtigen Dünnfarns (Trichomanes speciosum) in Hessen (Art des Anhangs II der FFH-Richtlinie) im Jahr 2010. Gutachten, im Auftrag von Hessen-Forst, FENA Servicezentrum für Forsteinrichtung und Naturschutz 2012.
  13. Trichomanes speciosum Willd., Prächtiger Dünnfarn. auf FloraWeb.de
  14. Gabriel Blanca, Baltasar Cabezudo, Miguel Cueto, Carlos Fernández López, Concepción Morales Torres: Flora Vascular de Andalucía Oriental. Volumen 1: Selaginellaceae-Ceratophyllaceae. Consejería de Medio Ambiente, Junta de Andalucía, Sevilla, 2009, ISBN 978-84-92807-13-0. S. 56–57.
  15. Jean-Yves Dubuisson, Harald Schneider, Sabine Hennequin: Epiphytism in ferns: diversity and history. In: Comptes Rendus Biologies, Volume 332, 2009, S. 120–128.
  16. Michael Koltzenburg: Vandenboschia speciosa. In: Schmeil-Fitschen: Die Flora Deutschlands und angrenzender Länder. 98. Auflage. Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2024. ISBN 978-3-494-01943-7. S. 131.
  17. Trichomanes speciosum in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2021.3. Eingestellt von: Maarten Christenhusz, R. Bento Elias, R. Dyer, Y. Ivanenko, G. Rouhan, F. Rumsey, H. Väre, 2017. Abgerufen am 20. Februar 2022.
  18. Atsushi Ebihara, Jean-Yves Dubuisson, Kunio Iwatsuki, Sabine Hennequin, Motomi Ito: A Taxonomic Revision of Hymenophyllaceae. In: Blumea, Volume 51, Issue 2, 2006, S. 221–280. doi:10.3767/000651906X622210
  19. Joachim W. Kadereit, Dirk C. Albach, Friedrich Ehrendorfer, Mercè Galbany-Casals, Núria Garcia-Jacas (2016): Which changes are needed to render all genera of the German flora monophyletic? In: Willdenowia, Volume 46, Issue 1, S. 39–91. doi:10.3372/wi.46.46105
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