Die Pèlerinage de Chrétienté (deutsch Pilgerweg der Christenheit) von Paris nach Chartres ist die bekannteste Wallfahrt des katholischen Traditionalismus in Frankreich. Sie wird jährlich von der Organisation Notre-Dame de Chrétienté veranstaltet und zieht Tausende Gläubige aus Frankreich, aber auch aus dem Ausland an. Die Wallfahrt startet in der Kathedrale Notre Dame de Paris und endet in der mittelalterlichen Kathedrale Notre Dame de Chartres. Neben ihrer religiösen Bedeutung hat die Wallfahrt auch eine historische, kulturelle und soziale Dimension, die weit über den katholischen Traditionalismus hinausgeht.
Geschichte der Wallfahrt
BearbeitenDie Wurzeln der Wallfahrt reichen bis ins Mittelalter zurück, als die Kathedrale von Chartres ein bedeutendes Ziel für Pilger war. Die Kathedrale, die der Gottesmutter Maria geweiht ist, beherbergt eine der ältesten und verehrtesten Marienreliquien, die sogenannte Sancta Camisia, ein Gewand, das Maria bei der Geburt Christi getragen haben soll. Bereits im 12. Jahrhundert zog Chartres Pilger aus ganz Europa an und in diesem Rahmen wurde der Bau der großen Kathedrale im vergleichsweise kleinen Chartres notwendig.[1]
Im 20. Jahrhundert wurde die Tradition der Wallfahrt durch die katholische Bewegung des Traditionalismus neu belebt. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) und den damit verbundenen liturgischen Reformen entdeckten vor allem Anhänger der tridentinischen Messe die Wallfahrt als Ausdruck ihres Glaubens. Inspiriert von der polnischen Wallfahrt nach Tschenstochau fand 1983 die erste Wallfahrt statt und wird seitdem von der Gemeinschaft „Notre-Dame de Chrétienté“ organisiert, die dem katholischen Traditionalismus zuzurechnen ist.[2]
Verlauf der Wallfahrt
BearbeitenDie Wallfahrt findet traditionell am Pfingstwochenende statt. Sie beginnt in Paris, oft mit einer Messe in einer bedeutenden Kirche der Stadt, und endet in Chartres nach einer Strecke von etwa 100 Kilometern. Die Pilger legen diese Strecke in drei Tagen zu Fuß zurück und übernachten in vorbereiteten Zeltlagern. Auf dem Weg werden Gebete gesprochen, Psalmen gesungen und spirituelle Vorträge gehalten. Die Prozession endet mit einem Hochamt vor und in der Kathedrale von Chartres.
Chapitres
BearbeitenDie Pilger sind in Gruppen von etwa vierzig Personen eingeteilt, die „Chapitres“ (Kapitel) genannt werden[3][4]. Jedes Chapitre trägt den Namen einer katholischen Persönlichkeit (meistens eines Heiligen oder Seligen) und ist einer Region zugeordnet, abhängig vom Bezugspunkt der Gruppe (Pfarrei, Pfadfindergruppe, Verein usw.)[5]. Aus dem deutschsprachigen Raum sind unter anderem ein Chapitre aus der Schweiz, eines vom Niederrhein und das bayerische Chapitre Don Bosco zu nennen.
Bedeutung und Entwicklung
BearbeitenDie Wallfahrt hat sich über die Jahre stark weiterentwickelt und geöffnet. Während sie in den 1980er Jahren vor allem von Anhängern der traditionellen Liturgie getragen wurde, ziehen die jährlichen Prozessionen heute eine große Vielfalt von Gläubigen an. Neben den Anhängern der tridentinischen Messe nehmen zunehmend auch Familien, Jugendgruppen und internationale Teilnehmer teil, die von der besonderen spirituellen Atmosphäre angezogen werden.[6]
Auch außerhalb des katholischen Milieus hat die Wallfahrt an Ausstrahlung gewonnen. Sie gilt als ein Symbol der christlichen Einheit in einer oft als säkular empfundenen Gesellschaft. Einige Teilnehmer sehen in ihr nicht nur einen religiösen, sondern auch einen kulturellen Akt, der den europäischen Wurzeln nachspürt.
In den letzten Jahren sind die Pilgerzahlen der Chartreswallfahrt so stark angestiegen, dass die Teilnehmerzahl auf 18.000 limitiert wurde. 2024 waren 1300 diese Teilnehmer aus dem (vorwiegend europäischen) Ausland, der Rest Franzosen.[7]
Internationale Ausstrahlung
BearbeitenInzwischen gibt es von der Chartres-Wallfahrt inspierte Wallfahrten in diversen Ländern:[8][9].
- Argentinien: The Nuestra Señora de la Cristiandad Wallfahrt, zur Basilika von Lujan.
- Australien: Christus Rex Wallfahrt, von der Kathderale von Ballarat zur Kathedrale von Bendigo.
- Canada: Die Marie Reine du Canada Wallfahrt, von Saint-Joseph de Lanoraie zur Basilika Notre-Dame-du-Ca.
- England: Die Walsingham Wallfahrt, von Ely nach Walsingham, die von der Latin Mass Society of England & Wales organisiert wird.
- Spanien: Nuestra Señora de la Cristiandad, von der Kathedrale von Oviedo zur Basilika von Covadonga.
- Schweiz: Wallfahrt von St. Gallen nach Einsiedeln. Ursprünglich vom Schweizer Chaptitre als Ersatz für die wegen der Coronapandemie entfallene Chartreswallfahrt veranstaltet.
- Vereinigte Staten: Die Pilgrimage for Restoration, zum National Shrine der Nordamerikanischen Märtyrer im Bundesstaat New York.
Auch in Frankreich selbst inspiert die Chartres-Wallfahrt Ableger, z. B. die Wallfahrt Feiz e Breizh in der Bretagne, die bei ihrer 7. Durchführung 2024 bereits über 2000 Wallfahrer anzog (nach 1.200 im Vorjahr).[10]
Webseiten
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Les grandes lignes... In: Chartres Cathedrale. Rectorat de la cathédrale de Chartres, abgerufen am 30. Dezember 2024 (französisch).
- ↑ Histoire du Pelerinage. In: Website Notre Dame de Chretiente. Assocacion Notre Dame de Chretiente, abgerufen am 30. Dezember 2024 (französisch).
- ↑ Romain Mazenod, Rudy Ventura: Avec les « tradis » vers Chartres : pourquoi ils marchent ? In: Le Pèlerin. 19. Mai 2024 (französisch, lepelerin.com [abgerufen am 21. Mai 2024]).
- ↑ Stéphanie Zeimet, Albane Tanter: Affluence record pour le 42e pèlerinage de Pentecôte entre Paris et Chartres avec près de 18.000 fidèles. In: L'Écho républicain. 20. Mai 2024 (lechorepublicain.fr [abgerufen am 21. Mai 2024]).
- ↑ Louise Dugast: Qu’est-ce que le pèlerinage de Chartres ? In: Le Journal du dimanche. 17. Mai 2024 (französisch, lejdd.fr [abgerufen am 21. Mai 2024]).
- ↑ Wo sonst gibt es 15 000 Gläubige, die alle denselben beschwerlichen Weg auf sich nehmen? In: Swiss Cath. Schweizerische Katholische Kirche, abgerufen am 30. Dezember 2024.
- ↑ Le traditionnel pèlerinage de Pentecôte entre Paris et Chartres bat son record de participations. In: Ouest France. Société Ouest-France, 19. Mai 2024, abgerufen am 30. Dezember 2024 (französisch).
- ↑ Mathilde de Robien: Les fruits insoupçonnés du pèlerinage de Chartres. In: Aleteia. 28. Mai 2023 (französisch, aleteia.org [abgerufen am 31. Mai 2023]).
- ↑ Pascal Simon: Pentecôte : avec 16000 inscrits, record déjà battu pour le 41e « pélé de Chartres ». In: Ouest France. 26. Mai 2023 (französisch, ouest-france.fr [abgerufen am 22. Mai 2024]).
- ↑ 7ème édition. In: Feiz e Breizh. Abgerufen am 30. Dezember 2024 (französisch).