Ulcus molle

sexuell übertragbare Krankheit
(Weitergeleitet von Weicher Schanker)
Klassifikation nach ICD-10
A57 Ulcus molle (venereum)
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Ulcus molle oder weicher Schanker (englisch chancroid, lateinisch früher auch cambuca) ist eine in Europa seltene sexuell übertragbare Infektionskrankheit, welche durch das Bakterium Haemophilus ducreyi hervorgerufen wird. Sie tritt vor allem in tropischen Ländern (z. B. Südostasien, Afrika)[1] aber auch Lateinamerika[2] auf. Von der Krankheit sind Männer etwa fünfmal so häufig wie Frauen betroffen. Das Ulcus molle ist in Österreich (nicht aber in Deutschland) nach dem Geschlechtskrankheitengesetz meldepflichtig.

Die auch im 15. Jahrhundert[3][4] schon bekannte, und (bezeugt von Hans Seyff) etwa von dem schwäbischen Bauern und bei Göppingen wirkenden Wundarzt Frürtag oder Freitag zu Boll mit Ätzwasser auf Kupferazetat- und Alaunbasis behandelten Krankheit[5] entsteht durch Infektion mit dem von Augusto Ducrey (1860–1940) entdeckten und 1889 beschriebenen[6] gramnegativen Bakterium Haemophilus ducreyi und ist spezifisch für den Menschen[2]. Das Bakterium tritt über direkten Schleimhautkontakt infektiöser Flüssigkeit in den neuen Organismus ein[2]. Die Keime sind sehr empfindlich gegenüber Kälte und Austrocknung, ihre Übertragung erfolgt praktisch ausschließlich durch Geschlechtsverkehr.

 
Ulcus molle an der Eichel Glans penis und an der Penisfurche, Sulcus coronarius

Krankheitsverlauf und Klinik

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Nach dem Eindringen des Krankheitserregers durch sexuellen Kontakt beträgt die Inkubationszeit zwischen drei und sieben Tagen[1]. Auch Inkubationszeiten bis zu 14 Tagen sind beschrieben.[2]

Nach dieser Zeit können erste Hautveränderungen, wie einzelne oder mehrere erythematöse Papeln auftreten[1][2]. Die häufigsten Lokalisationen stellen dabei beim Mann die Vorhaut des Penis, bei der Frau neben Vulva und Cervix auch die perianale Haut dar. Die Papeln entwickeln sich erst zu Pusteln weiter, welche dann nach wenigen Tagen rupturieren. Dadurch entstehen schmerzhafte Ulzerationen mit weichem Randsaum, welche namensgebend für die Erkrankung sind und unbehandelt bis zu mehrere Monate lang persistieren können.[1][2]

Ohne Behandlung können sich die Bakterien entlang der Lymphgefäße (Lymphangitis) in die Lymphknoten der Leiste ausbreiten. Dadurch verfärbt sich die Haut rot und es kommt bei der Hälfte der Patienten zu einer schmerzhaften, meist einseitigen[1] Schwellung der Lymphknoten, die nach außen eitrig aufbrechen kann. Die entzündliche Schwellung eines Lymphknoten wird Bubo genannt. Meist kann der Krankheitsverlauf an diesem Punkt vom Immunsystem gestoppt werden.

Wie bei den meisten Hauterkrankungen kann sich die Wunde superinfizieren.[1]

Besonders bei Frauen kann die Infektion aber auch völlig symptomlos verlaufen.

Diagnose

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Die Diagnose wird nach dem klinischen Bild gestellt.

Nach erfolgtem Abstrich können die gramnegativen Stäbchen mittels Gram-Färbung unter dem Mikroskop sichtbar gemacht werden. Die reine Mikroskopie besitzt jedoch keine hohe Sensitivität und Spezifität. Die recht anspruchsvollen Bakterien können zudem auf speziell angereicherten Nährböden kultiviert werden[1].

Eine gute Nachweismöglichkeit des Bakteriums in Laborproben stellen Verfahren der Nucleic Acid Amplification Technology (z. B. eine PCR) dar[1]. Auch der Antigennachweis mit Hilfe von monoklonalen Antikörpern wird zunehmend eingesetzt[2].

Insbesondere eine Syphilis (Verwechslungsgefahr im frühen Stadium), aber auch andere sexuell übertragbare Erkrankungen sollten zusätzlich durch Laboruntersuchungen ausgeschlossen werden.

Differentialdiagnosen

Es sollte beachtet werden, dass jederzeit Mischinfektionen vorliegen können. Ein Ulcus molle kann als Eintrittspforte für andere Erkrankungen dienen.

Therapie

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Der Ulcus molle wird mittels Antibiotikagabe behandelt. Vom Robert Koch-Institut empfohlen sind derzeit (Stand Juli 2020):

Die Prognose ist gut. Wichtig ist die sexuelle Enthaltsamkeit bis zur vollständigen Ausheilung, damit eine weitere Ausbreitung der Krankheit verhindert werden kann.

Die Mitbehandlung eines Sexualpartners sollte erwogen werden, um einen Ping-Pong-Effekt zu vermeiden[2].

Vorbeugung

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Folgende Prophylaxeverfahren sind zu erwähnen:

  • Anwendung von Kondomen beim Geschlechtsverkehr
  • Vermeidung von Risikokontakt[2] (z. B. ungeschütztem sexuellen Verkehr mit Menschen aus Risikogebieten)
  • Aufklärung von Menschen in Risikogruppen
  • Erkrankte sollten sexuelle Abstinenz bis zum Abschluss der Behandlung und bis zum vollständigen Abheilen der Hautläsionen einhalten[2].
  • Eine Testung auf andere sexuell übertragbare Erkrankungen sollte erwogen werden.

Meldepflicht

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Nach dem österreichischen Geschlechtskrankheitengesetz ist die Erkrankung weicher Schanker beschränkt meldepflichtig (§ 4 in Verbindung mit § 1 Geschlechtskrankheitengesetz).

In Deutschland besteht keine erreger- oder krankheitsspezifische Meldepflicht. Bei vermutlich zusammenhängender Erkrankungshäufung sollte jedoch eine Meldung erfolgen[2].

Literatur

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  • D. A. Lewis: Chancroid: clinical manifestations, diagnosis, and management. In: Sexually Transmitted Infections, 2003 Feb, 79(1), S. 68–71. Review. PMID 12576620
  • S. M. Spinola, M. E. Bauer, R. S. Munson, Jr: Immunopathogenesis of Haemophilus ducreyi infection (chancroid). In: Infection and Immunity 2002 Apr, 70(4), S. 1667–1676. Review. PMID 11895928
  • D. A. Lewis: Diagnostic tests for chancroid. In: Sexually Transmitted Infections. 2000 Apr, 76(2), S. 137–141. Review. PMID 10858718
  • Birgit Adam: Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten. Orbis, München 2001, ISBN 3-572-01268-6, S. 21 und öfter.
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Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h M Kemp, J J Christensen, S Lautenschlager, M Vall-Mayans, H Moi: European guideline for the management of chancroid, 2011. In: International Journal of STD & AIDS. Band 22, Nr. 5, Mai 2011, ISSN 0956-4624, S. 241–244, doi:10.1258/ijsa.2010.010432 (sagepub.com [abgerufen am 5. Juli 2020]).
  2. a b c d e f g h i j k l m n Robert Koch-Institut: Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. Robert Koch-Institut, 15. September 2011 (rki.de [abgerufen am 5. Juli 2020]).
  3. Wolfgang Wegner: Freitag zu Boll. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 437 (zu dem Verfasser eines Rezeptes gegen den weichen Schanker).
  4. Gundolf Keil: „blutken – bloedekijn“. Anmerkungen zur Ätiologie der Hyposphagma-Genese im ‚Pommersfelder schlesischen Augenbüchlein‘ (1. Drittel des 15. Jahrhunderts). Mit einer Übersicht über die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013, S. 7–175, hier (insbesondere zu cambuca): S. 39 und 44.
  5. Christoph Weißer: Chirurgenlexikon. 2000 Persönlichkeiten aus der Geschichte der Chirurgie. Springer, Berlin/Heidelberg 2019, S. 96.
  6. Barbara I. Tshisuaka: Ducrey, Augusto. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 325.