Weinroter Kiefern-Reizker
Der Weinrote Kiefern-Reizker (Lactarius sanguifluus)[1] ist eine Pilzart aus der Familie der Täublingsverwandten (Russulaceae). Er wurde zuerst 1811 von Jean-Jacques Paulet als Hypophyllum sanguifluum beschrieben und erhielt 1838 von Elias Magnus Fries seinen derzeitigen wissenschaftlichen Namen. Das Artattribut (Epitheton) sanguifluus bedeutet blutfließend. Der wärmeliebende Reizker mag kalkreiche Böden und kommt unter Kiefern vor. Er gilt als recht guter Speisepilz.
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Weinroter Kiefern-Reizker (Lactarius sanguifluus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Lactarius sanguifluus | ||||||||||||
(Paulet) Fr. |
Merkmale
BearbeitenMakroskopische Merkmale
BearbeitenDer dickfleischige Hut des Weinroten Kiefern-Reizker ist 5–9, selten bis 12 cm breit. Jung ist er flach gewölbt, dann ausgebreitet und im Zentrum niedergedrückt und im Alter schwach trichterförmig vertieft. Die Oberfläche ist glatt und im trockenen Zustand matt. Feucht ist die Huthaut glänzend und schmierig. Der Hut ist schmutzig orange gefärbt und hat eine weinrötliche Tönung. Er ist nicht oder nur leicht gezont, bisweilen zeigt er – besonders im Alter – grünliche Flecken. Der glatte Rand ist lange Zeit eingebogen.
Die Lamellen sind jung cremegelblich mit weinrotem Ton, später fleisch- bis weinrötlich. Auf Druck hin verfärben sie sich weinrötlich. Sie sind breit am Stiel angewachsen und laufen etwas daran herab. Zahlreiche Lamellen sind gegabelt und mit ziemlich vielen Zwischenlamellen untermischt. Die Schneiden sind glatt und das Sporenpulver ist hellocker.
Der zylindrische, jung volle, später markig-hohle Stiel ist 3–5 (6) cm lang und 1,5–2,0 (2,5) cm breit. Zur Basis hin ist er teilweise etwas verjüngt. Die Oberfläche ist glatt bis schwach längsaderig und auf weinrötlichem Grund weißlich bereift. Häufig zeigt er einige grubige, weinrote Flecken.
Das Fleisch ist hell cremegelb, im Schnitt rasch weinrot verfärbt und nach einigen Stunden grünlich. Der Geruch schwach obstartig, der Geschmack mild bis bitterlich. Die milde bis bitterliche Milch ist weinrot und hat einen leichten Lilaton. Sie ist mehr oder weniger unveränderlich, kann aber auch schwach bräunen.[2][3]
Mikroskopische Merkmale
BearbeitenDie rundlichen bis elliptischen Sporen sind 7,2–9,4 µm lang und 6,1–7,7 µm breit. Der Q-Wert (Quotient aus Sporenlänge und Sporenbreite) ist 1,1–1,3. Das Sporenornament ist bis 0,6 µm hoch und besteht aus ziemlich dicken Graden oder Rippen, die teilweise netzartig miteinander verbunden sind. Daneben kommen zahlreiche kürzere Grate und isoliert stehende Warzen vor.
Die Basidien sind ziemlich keulig bis bauchig und messen 50–73 × 10–12 µm. Sie tragen vier 4–6 µm lange Sterigmen. Die spindel-, pfriem- bis schwertförmig Pleuromakrozystiden sind spärlich bis recht zahlreich. Sie sind 47–55 µm lang und 7–8 µm breit. Oft sind sie nur am Lamellengrund zu finden. Die Lamellenschneiden sind steril und tragen wenige bis zahlreiche spindel- bis pfriemförmige Cheilomakrozystiden. Diese messen 23–40 x 5–6 µm.
Die Huthaut ist eine bis zu 200 µm breite Ixocutis. Sie besteht aus parallel liegenden 2–5 µm breiten Hyphen und Hyphenfragmenten, die oft verzweigt und stark miteinander verflochten sind. Dazwischen liegen einzelne Lactiferen, alles gelatinisiert.[2][4]
Artabgrenzung
BearbeitenDer Weinrote Kiefern-Reizker ist wohl der Reizker, der sich am einfachsten bestimmen lässt, da er der einzige ist, der von Anfang an eine weinrote Milch hat. Bei den übrigen Reizkern tritt zuerst eine orangefarbene bis orangerote Milch aus, die sich erst nach einigen Minuten oder Stunden weinrot verfärbt oder wie im Falle des Echten Reizker grünlich ausblasst.[2]
Verbreitung
BearbeitenDer Weinrote Kiefern-Reizker ist eine wärmeliebende, vorwiegend europäische Art, die nur im Mittelmeerraum etwas stärker verbreitet ist. Er kommt auf den Kanaren, Balearen, Italien und Zypern vor. In Westeuropa findet man ihn in Frankreich, Luxemburg und Belgien[12]. In den Niederlanden wurde er auf kalkreichen Dünen an einem warmen, sonnigen und geschützten Standort am Rande eines von Kiefern dominierten Waldes gefunden.[13] Er wird ganz Mitteleuropa gefunden, kommt hier aber meist nur selten bis zerstreut vor. In Nordeuropa wurde er bisher nur auf den Kalkinseln Bornholm und Gotland nachgewiesen. Die nordamerikanischen Vorkommen sind nicht näher mit Kiefernreizker verwandt und gehören wohl zum Verwandtschaftskreis des Lactarius indigo. Auch aus Pakistan[14], Japan und China gibt es Nachweise. Ob sie aber wirklich mit dem europäischen Kiefern-Reizker artgleich sind, bleibt abzuwarten.[4][5]
In Deutschland kommt der Weinrote Kiefern-Reizker fast ausschließlich in Süddeutschland vor. Einzelnachweise gibt es auch aus Nordrhein-Westfalen, Südniedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Nördlich der Mittelgebirgsschwelle scheint der Pilz zu fehlen. Auf der deutschen Roten Liste wird der Reizker in der Gefährdungskategorie RL3 geführt[15]. Auch in der Schweiz ist die Art eher selten.[2]
Bedeutung
BearbeitenSpeisewert
BearbeitenDer Weinrote Kiefern-Reizker ist wie alle Milchlinge aus der Sektion Deliciosi essbar. Neben dem Edel-Reizker gilt er als der schmackhafteste unter den Reizkern.
Inhaltsstoffe
BearbeitenDer Weinrote Kiefern-Reizker enthält ein Gemisch von verschiedenen Sterinen. Das mit einem 57-%-Anteil wichtigste Sterin ist Ergosterin – ein Mycosterin. Ergosterin ist mit dem Sterin Cholesterin verwandt, das bei Tieren und Menschen hauptsächlich in der Zellmembran vorkommt, aber auch als Vorstufe für eine ganze Reihe von Hormonen dient. Neben dem Ergosterin kommen geringere Mengen an verschiedenen Ergosterol-Derivaten vor, einschließlich Ergost-7-en-3β-ol, Ergosta-7,22-dien-3β-ol und Ergosta-5,7-dien-3β-ol. Ergosterin ist eine Vorstufe des Vitamin D.[16]
Zusätzlich enthält die Milch des Reizker Pigmente, die zur Gruppe der Guajan-Sesquiterpene gehören.[17] Die wichtigsten Guajan-Sesquiterpene sind Lactaroviolin und Sangol. Bei einer Verletzung des Fruchtkörpers werden diese Sesquiterpene aus einer Vorstufe einem Fettsäureester freigesetzt, enzymatisch oder durch Oxidation mit dem Luftsauerstoff können diese Verbindungen zu weiteren Produkten reagieren.[18]
Quellen
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Elias Magnus Fries: Epicrisis Systematis Mycologici. 1838, S. 341.
- Marcel Bon: Pareys Buch der Pilze. Paul Parey, Hamburg, Berlin 1988, ISBN 3-490-19818-2, S. 80.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Synonyme von Lactarius sanguifluus. In: speciesfungorum.org. Index Fungorum, abgerufen am 30. November 2011.
- ↑ a b c d Josef Breitenbach, Fred Kränzlin (Hrsg.): Pilze der Schweiz. Beitrag zur Kenntnis der Pilzflora der Schweiz. Band 6: Russulaceae. Milchlinge, Täublinge. Mykologia, Luzern 2005, ISBN 3-85604-060-9, S. 102.
- ↑ Hans E. Laux (Hrsg.): Der Kosmos PilzAtlas. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-440-10622-5, S. 200.
- ↑ a b J. Nuytinck & A. Verbeken: Morphology and taxonomy of the European species in Lactarius sect. Deliciosi (Russulales). In: Mycotaxon. Band 92, 2005, ISSN 0093-4666, S. 153 (online [abgerufen am 26. Oktober 2011]).
- ↑ a b German Josef Krieglsteiner (Hrsg.), Andreas Gminder, Wulfard Winterhoff: Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 2: Ständerpilze: Leisten-, Keulen-, Korallen- und Stoppelpilze, Bauchpilze, Röhrlings- und Täublingsartige. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3531-0, S. 355.
- ↑ Lactarius sanguifluus in der PILZOEK-Datenbank. In: pilzoek.de. Abgerufen am 15. September 2011.
- ↑ Weltweite Verbreitung von Lactarius sanguifluus. In: GBIF Portal / data.gbif.org. Abgerufen am 14. September 2011.
- ↑ Jacob Heilmann-Clausen u. a.: The genus Lactarius. Fungi of Northern Europe. Hrsg.: The Danish Mycological Society,. Vol. 2, 1998, ISBN 87-983581-4-6, S. 271–73 (englisch).
- ↑ Denchev, Cvetomir M. & Boris Assyov: CHECKLIST OF THE MACROMYCETES OF CENTRAL BALKAN MOUNTAIN (BULGARIA). In: Mycotaxon. Band 111, 2010, S. 279–282 (mycotaxon.com [PDF; 592 kB]).
- ↑ Z. Tkalcec & A. Mešic: Preliminary checklist of Agaricales from Croatia V:. Families Crepidotaceae, Russulaceae and Strophariaceae. In: Mycotaxon. Band 88, 2003, ISSN 0093-4666, S. 289 (http://www.cybertruffle.org.uk/cyberliber/59575/0088/0289.htm cybertruffle.org.uk [abgerufen am 31. August 2011]).
- ↑ Petkovski S.: National Catalogue (Check List) of Species of the Republic of Macedonia. Skopje 2009 (protectedareas.mk ( vom 15. Februar 2010 im Internet Archive) [PDF; 1,6 MB; abgerufen am 9. Juli 2013]).
- ↑ A. Verbeken & R. Walleyn: Orange-green milk cap in Belgium. In: AMK Mededelingen. Band 2, 1998, S. 37–44.
- ↑ L. Jalink et al.: Lactarius sanguifluus new for Netherlands and other nice things. In: Coolia. Band 40, Nr. 3, 1997, S. 188–90.
- ↑ Kishwar Sultana et al.: Check list of agarics of Kaghan Valley. In: Pakistan Journal of Botany. Band 43, No. 3, 2011, ISSN 1560-2745, S. 1777–1787 (pakbs.org [PDF; 157 kB]).
- ↑ Marcel Bon (Hrsg.): Pareys Buch der Pilze. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-09970-9, S. 80.
- ↑ R. Cerri et al.: Sterols from three Lactarius species. In: Biochemical Systematics and Ecology. Band 9, Nr. 4, 1981, S. 247–8, doi:10.1016/0305-1978(81)90002-8.
- ↑ S. De Rosa & S. De Stefano: Guaiane sesquiterpenes from Lactarius sanguifluus. In: Phytochemistry. Band 26, Nr. 7, 1986, S. 2007–9, doi:10.1016/S0031-9422(00)81747-1.
- ↑ O. Sterner et al.: The isolation of a guaiane sesquiterpene from fruit bodies of Lactarius sanguifluus. O. Sterner et al. In: Phytochemistry. Band 28, No. 9, 1988, S. 2501–2, doi:10.1016/S0031-9422(00)98015-4.
Weblinks
Bearbeiten- Lactarius sanguifluus. In: Russulales News / mtsn.tn.it. Abgerufen am 30. November 2011 (englisch, Fotos und lateinische Originalbeschreibung).
- Lactarius sanguifluus. In: Funghi in Italia / funghiitaliani.it. Abgerufen am 30. November 2011 (italienisch, Fotos vom Weinroten Kiefern-Milchling).