Wera Michailowna Inber

russische Schriftstellerin
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Wera Michailowna Inber, russisch Вера Михайловна Инбер, geborene Shpenzer, auch Vera Inber genannt (* 28. Junijul. / 10. Juli 1890greg. in Odessa; † 11. November 1972 in Moskau), war eine russische Schriftstellerin, die im Westen vor allem durch ihre Texte aus dem Kriegsgeschehen und ihre Gedichte und Erzählungen für Kinder Beachtung fand. Sie ist vor allem für ihre Verse und ein Tagebuch über die 900-tägige Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg bekannt.[1]

Vera Inber

Wie viele prominente russische Literaten stammte auch Inber aus der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer, deren aktives intellektuelles Leben einige der bedeutendsten Schriftsteller und Künstler der Sowjetzeit hervorbrachte.[1] Inbers Vater betrieb dort einen wissenschaftlichen Buchverlag, und sie genoss eine gute Schulbildung.

Von 1910 bis 1914 lebte sie in Paris. Inber veröffentlichte ihre ersten Texte im Jahr 1911.[1] Mit ihrer frühen Lyrik stand sie den französischen und russischen Symbolisten nahe. Ein Teil der Ironie, die einen Großteil ihrer Arbeit durchdringen sollte, wurde in ihren frühesten Versen deutlich, als sie Anhängerin des Akmeismus war, jener kurzlebigen Bewegung in der russischen Poesie, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg aufkeimte und klare, präzise und konkrete Bilder suchte.[1]

In den 1920er-Jahren schloss sich Inber einer Gruppe junger Dichter an, die als Konstruktivisten bekannt sind, einem Ableger des Futurismus, der sich für Technologie interessierte und ein Gedicht als „Konstruktion“ in Analogie zum Ingenieurwesen betrachtete.[1] Sie teilte deren Experimentierfreude jedoch nicht. Nachdem diese und andere frühe experimentelle Bewegungen 1930 unter Stalin unterdrückt worden waren, folgten Inbers Verse dem allgemeinen Muster optimistischer Ansichten über das sowjetische Leben.[1]

Anfang 1935 gehörte Inber mit weiteren zwölf namhaften Literaten zu den Unterzeichnern einer Denunziation gegen den als Bauerndichter bekannten Lyriker Pawel Wassiljew, der daraufhin verhaftet und im Gefolge dessen 1937 erschossen wurde.[2]

Inber gewann einen Teil ihrer Inspiration während des Zweiten Weltkriegs zurück, als sie ihren Mann in das belagerte Leningrad begleitete.[1] Von 1941 bis 1944 lebte sie dort mit ihm, ihrem dritten Ehemann, dem Medizinhistoriker Ilja Straschun (1892–1967). Somit erlebte sie die berüchtigte Blockade, die rund einer Million Menschen das Leben kostete. In Leningrad schrieb sie für die Zeitung Leningradskaja Prawda und war für das Leningrader Radio tätig, um die Moral und den Geist der bedrängten Bevölkerung aufrechtzuerhalten.[1] 1943 trat sie der KPdSU bei.

Ihr langes erzählendes Gedicht Pulkowski meridian (1943), benannt nach dem astronomischen Observatorium Pulkowo in der Nähe von Leningrad, gilt als eines der schönsten russischen Kriegsgedichte. Es schildert die Schrecken und Leiden der Belagerung Leningrads, ebenso wie ihr 1945 veröffentlichtes Kriegstagebuch Potschti tri goda (1946, deutsch Fast drei Jahre). Das Leningrader Tagebuch enthält fesselnde Passagen über die Bombardierungen, den Hunger und den Tod, welche die Menschen in der belagerten Stadt erduldeten.[1] Inber wurde 1946 mit dem Stalin-Preis ausgezeichnet.[1] Im nationalsozialistischen Deutschland wurden ihre Bücher verboten und verbrannt.[3]

Sie schrieb auch Lyrik und Prosa für Kinder. Sie betätigte sich auch als Journalistin und reiste durch Europa.

Inbers jüdische Herkunft schlug sich in ihrem Gesamtschaffen kaum nieder.[4]

Neben dem Verfassen eigener Werke war sie als Übersetzerin tätig, übertrug Gedichte von Taras Schewtschenko, Sándor Petőfi, Johannes R. Becher, Rainis und Paul Eluard ins Russische.[5]

Inber starb mit 82 in Moskau. Sie war eine der letzten Überlebenden der frühen experimentellen literarischen Bewegungen der Sowjetzeit, bevor diese durch das Vorgehen des stalinistischen Regimes gegen die Kunst unterdrückt wurden.[1] In Odessa ist eine Straße nach Wera Inber benannt.

  • Petschalnoje wino, Gedichte, 1914 (Trauriger Wein)
  • Gorkaia uslada, Gedichte, 1917
  • Brennyeslova, Gedichte, 1922
  • Mesto pod solncem, Roman, 1928, deutsch Der Platz an der Sonne, Berlin 1929, Leipzig 1949, Ostberlin 1951[6]
  • Pulkovskij meridian, Poem, 1943, (deutsch Der Meridian von Pulkovo)[7]
  • Pocti tri goda, Aufzeichnungen, 1946, deutsch Fast drei Jahre, Ostberlin 1946
  • Platz an der Sonne und andere Novellen, Stockholm 1947
  • Vdokhnoveniye i masterstvo, Essays über Literatur, 1957 (Inspiration und Meisterschaft)
  • Kak ja byla malen'kaja, Jugendbuch, 1959, deutsch (von Monica Huchel) Als ich klein war, Ostberlin 1959

Literatur

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  • E. F. Usevic: Onektorych certach tvorcestva Vera Inber, in: Znamja 12/1945
  • Kornelij Lyucianovich Zelinskij: Vera Inber, in: Oktjabr 5/1946
  • E. F. Usevic: O Vera Inber, in: ders.: Knigi i zizn, Moskau 1949, Seite 95–110
  • A. Tarasenkov: Vera Inber, in: ders.: Sila utverzdenija, Moskau 1955, Seite 181–213
  • Iosif Grinberg: Vera Inber, Moskau 1961
  • Christa Wolf: Der Sinn einer neuen Sache, Porträt über Inber von 1967, in: Essays, Gespräche, Reden, Briefe 1959–1974, Werke Band 4, München 1999
  • N. Zacharenko und I. Chanukaeva: „Vera Michailowna Inber“, in: Russkie sovetskie pisateli. Poety, Band 9, Moskau 1986, Seite 339–420
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Commons: Vera Inber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k Vera Inber, Soviet Poet, Is Dead; Diary Told of Leningrad Siege (Published 1972). In: nytimes.com. 15. November 1972, abgerufen am 26. Oktober 2022 (englisch).
  2. Alexander Jakowlew: Die Abgründe meines Jahrhunderts. Eine Autobiographie, Leipzig, Faber&Faber 2003, ISBN 3-936618-12-7, S. 206f
  3. Siehe Verzeichnis des Kulturrats (Memento vom 29. April 2011 im Internet Archive) (PDF-Datei; 201 kB), abgerufen am 16. April 2011
  4. Vera Mikhailovna Inber. In: Encyclopaedia Judaica. 2008; (englisch).
  5. Jewgeni Peremyschlew: Inber, Wera Michailowna (Matweewna). In: Bolschaja Rossijskaja Enziklopedija. 2021; (russisch).
  6. Der Roman (verschiedentlich auch als Novelle ausgegeben) kreist um eine junge Frau, die in der Umbruchszeit ihren Platz in der russischen Gesellschaft zu finden versucht. Er zeige autobiographische und gleichwohl distanziert-ironische Züge, schreibt Kindlers Neues Literaturlexikon (Ausgabe München 1988). Inber selbst habe ihn als ihre gelungenste Prosaarbeit erachtet.
  7. Laut Kindlers beeindruckt das Poem durch die Verbindung erhabener mit gewöhnlicher Sprache, kühne Vergleiche, treffenden Ausdruck