Abkürzung: WP:GVS
In der Bundesrepublik Deutschland ist es nach den §§ 86 und 86a Strafgesetzbuch verboten, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu verwenden und ihre Propagandamittel zu verbreiten. Diese Richtlinie soll erläutern, wie die Wikipedia-Gemeinschaft in Deutschland mit diesen Kennzeichen und Propagandamitteln umgeht.

Informationen zu anderen rechtlichen Fragestellungen finden sich unter FAQ Rechtliches und Wikipedia:Urheberrecht.

Was sind „Kennzeichen“ und „Propagandamittel“?

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Geeignete Tatobjekte sind sowohl Bilder und Symbole als auch Texte. Beispiele sind das Logo der NSDAP, Wahlplakate der Kommunistischen Partei Deutschlands und das Parteiprogramm der Sozialistischen Reichspartei. Es ist wichtig, zu verstehen, dass zwar nicht die Kennzeichen und Propagandamittel selbst verboten sind, aber die damit verbundenen „Tathandlungen“, heißt den Tathergang des Verbreiten, zugänglich Machen oder Verwenden und die damit untrennbar verbundene Rechtshandlung.

Brauchen wir diese Inhalte überhaupt?

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Unabhängig von der rechtlichen Betrachtung hat die deutschsprachige Wikipedia-Gemeinschaft in einem Meinungsbild entschieden, dass die Verwendung von Kennzeichen und Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen aus redaktioneller Sicht generell zulässig ist, um den Artikelinhalt zu illustrieren. Diese redaktionelle Frage wird nicht hier, sondern auf den Seiten Artikel illustrieren und Richtlinien Geschichte behandelt.

Sind Kennzeichen und Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen in der Wikipedia erlaubt?

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Der Status quo in der Wikipedia-Gemeinschaft auf diese Frage lautet derzeit: „Ja, solange die Nutzung bestimmte Voraussetzungen erfüllt.“ Für Wikipedia relevant ist die Ausnahmevorschrift in § 86 Absatz 3 StGB, die „Sozialadäquanzklausel“. Danach sind Tathandlungen nicht strafbar, wenn sie der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Wissenschaft, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. Als Mitarbeiter einer Enzyklopädie verfolgen Wikipedia-Autoren diese Zwecke (siehe Wikipedia:Grundprinzipien). Dabei muss beachtet werden, dass der neutrale Standpunkt der Wikipedia für diese Ausnahmevorschrift völlig ausreichend ist. Die Sozialadäquanzklausel fordert keine besondere erzieherisch-verfassungsfreundliche Gesinnung. Daher sind Kennzeichen und Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen innerhalb eines Wikipedia-Artikels generell zulässig.

Welche Handlungen wären strafbar?

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Die Tathandlungen des Verbreitens, Zugänglichmachens oder Verwendens kann grundsätzlich nur begehen, wer Kennzeichen und Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen auf einen Wikimedia-Server hochlädt oder in einen Artikel einbindet und dabei die enzyklopädischen Ziele der Wikipedia missachtet, zum Beispiel zusammenhanglos ein Hakenkreuz mit der Bildunterschrift „Heil Hitler!“ auf der Hauptseite anbringt. Jeder andere Autor, der zum Beispiel danach nur den sonstigen Text verändert, kann sich nicht durch ein Unterlassen strafbar machen, indem er ein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation nicht entfernt.

Muss ein Rechtshinweis angebracht werden?

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Der Status quo in der Wikipedia-Gemeinschaft auf diese Frage lautet derzeit: „Nein.“ Es besteht keine Pflicht, an den Kennzeichen und Propagandamitteln einen Warnhinweis anzubringen. Ein Warnhinweis ändert nichts daran, ob eine Einbindung in Wikipedia von einem der beiden Straftatbestände erfasst wird oder nicht; er kann also nicht „distanzieren“ oder „freizeichnen“. Aus redaktioneller Sicht sollte er unterbleiben, da Wikipedia kein Ratgeber ist. Der Rechtshinweis am Artikelende ist aus rechtlicher Sicht nicht erforderlich und sollte nur eingefügt werden, wenn der Artikel selbst Aussagen über ein Rechtsproblem beinhaltet.

Was ist mit Bildbeschreibungsseiten und Vorlagen?

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Auf den Bildbeschreibungsseiten können Kennzeichen und Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen, einmal abgesehen von der Kurzbeschreibung, ohne redaktionelle Einbindung abgerufen werden. Da es sich bei den Bildbeschreibungsseiten aber um einen technisch bedingten Namensraum „hinter den Kulissen“ handelt, ist nach der Auffassung der Gemeinschaft eine solche „neutrale Darstellung“ straffrei, weil sie der Einbindung in den Artikelnamensraum dient. Dasselbe gilt für Vorlagenseiten. Derzeit wird bei einigen dieser Dateien ein Warnhinweis eingeblendet. Er erfüllt jedoch keine juristische Funktion.

Wie sieht es mit Benutzerseiten aus?

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Auf Benutzerseiten haben Kennzeichen und Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen in der Regel nichts zu suchen, da diese nicht unter das Privileg des § 86 Absatz 3 StGB fallen. Ausnahmen sind zum Beispiel Artikelbaustellen.

Gutachten

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Die Idee, ein strafrechtliches Gutachten zu den hier behandelten Fragen einzuholen, wird von Wikimedia Deutschland e. V. nicht mehr verfolgt. Der geplante Inhalt des Gutachtenauftrags findet sich in einer alten Version dieser Seite.

Wortlaut der Vorschriften (gekürzt)

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§ 86 Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
(1) Wer Propagandamittel
1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei [...]
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet,[...]
4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,
im Inland verbreitet [...] oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. [...]
(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
§ 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet [...] oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet [...].
(3) § 86 Abs. 3 [...] gilt entsprechend.