Tironische Noten

römisches Kurzschriftsystem
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Die Tironischen Noten sind ein römisches Kurzschriftsystem, das im ersten vorchristlichen Jahrhundert von Marcus Tullius Tiro, dem Privatsekretär Ciceros, zum Mitschreiben von Reden und Gerichtsverhandlungen entwickelt wurde und rund 4.000 Zeichen umfasste.

Liste tironischer Noten im Codex Casselanus, 8. Jahrhundert

Das Zeichensystem besteht aus stark reduzierten Kapital-, teils aus Kursivbuchstaben. Die groß geschriebenen Hauptzeichen (Wortzeichen) stehen für ein ganzes Wort und werden ergänzt durch kleine Beizeichen (Auxiliar, titulus), die die Flexionsendungen ausdrücken.

Geschichte

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Psalm 68 in tironischer Schrift, Manuskript aus dem 9. Jahrhundert

Tiro unterrichtete jugendliche Senatoren in seinen Noten, und diese zeichneten damit am 5. Dezember 63 v. Chr. die Anklagerede gegen Catilina nach dem Verfahren der Schreibrunde auf.

Die tironischen Noten waren in der Antike wichtiger Bestandteil der Schreibausbildung. Bis zum Ende des römischen Reiches hatte sich der Zeichenschatz mehr als verdoppelt. In den Commentarii Notarum Tironianarum, der im 5. Jahrhundert entstandenen Sammlung der tironischen Noten, die im Mittelalter die Hauptquelle ihrer Kenntnis bildete, sind 13.000 Zeichen zu finden.

Mittelalter

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Im Frankenreich wurden die tironischen Noten insbesondere von den Urkundenschreibern der fränkischen Herrscher verwendet. Karl der Große forderte wohl in der Admonitio generalis von 789, dass die tironischen Noten in den Schulen studiert werden sollen. Im Original der Libri Carolini, dem Gutachten, das Karl als Antwort auf die Frage der Bilderverehrung in Byzanz verfassen ließ, befinden sich am Rand tironische Noten mit den Bekräftigungen des Kaisers. Karolingische Gelehrte lernten in den Schulen tironische Noten und benutzen sie auch für Kommentare oder Glossierungen in Handschriften. Eine solche Verwendung kann man beispielsweise im Vergilius Turonensis finden, einer Handschrift aus dem 2. Viertel des 9. Jahrhunderts. Manuskripte mit tironischen Noten werden ab dem 10. Jahrhundert selten. Einzelne Zeichen sind in den allgemeinen Schatz der Abkürzungen übergegangen, die hauptsächlich zur Raumersparnis verwendet wurden. Für den Alltagsgebrauch waren die Noten zu schwierig und umfangreich. Bekannt sind über 10.000 unterschiedliche Noten. In Deutschland sind aus dem hohen und späten Mittelalter besonders wenige Spuren ihrer Verwendung belegt.

Im Mittelalter wurden die tironischen Noten zum Korrigieren, Exzerpieren und Kommentieren von Handschriften verwendet. Einige Tironische Noten wurden bis ins 17. Jahrhundert in ganz Westeuropa verwendet.

Erforschung

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Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die tironischen Noten insbesondere von Wilhelm Schmitz, Maurice Jusselin,[1] Arthur Mentz[2] und Michael Tangl[3] erforscht.

Tironisches Et

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Verwendung

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Glyphen für das tironische Et
 
„Pay and display“-Zeichen (Íoc agus Taispeáin) in Dublin mit dem tironischen Et für das irische agus („und“).

Das tironische Et ist ein Kürzel für lateinisch et (deutsch „und“). Als einzige tironische Note wird dieses heute noch verwendet, und zwar im Irischen und Schottisch-Gälischen[4] statt „&“ (siehe zweites Bild rechts).

Im deutschen Fraktursatz wurde das tironische Et weit bis in das 19. Jahrhundert in der Abkürzung c. (= etc.) verwendet. Das runde r der gebrochenen Schriften ähnelt dem in einigen Schriftarten, in anderen Schriftarten dagegen weniger (vgl. erstes Bild unten). Beim Fehlen von in einem Schriftsatz wurde das runde r häufig als Ersatz für verwendet (siehe zweites Bild unten). In der Folge wird das tironische Et gelegentlich mit einem runden r verwechselt.

 
Spanischer Druck von 1496 mit verschiedenen Glyphen für rundes r (rot markiert) und tironisches Et (blau markiert). Die Zeichen sind gut unterscheidbar. (Grün: „normales“ r.)
 
Die Abkürzung c. (= etc.). Für das wird hier ein rundes r verwendet. In: Fliegende Blätter Band 1 (1845), S. 168.

Unicode: U+204A tironian sign et im Block Allgemeine Interpunktion.

Die Tastatur-Norm ISO/IEC 9995-3:2010 spezifiziert für die Eingabe des tironischen Et die Tastenkombination, die sich auf der deutschen Tastaturbelegung als Gruppenumschaltung gefolgt von ^ darstellt. Damit besteht diese Eingabemöglichkeit auch in der deutschen Tastaturbelegung T3 nach der deutschen Norm DIN 2137-1:2012-06. Mit der seit 2018 in DIN 2137 genormten Tastaturbelegung E1 wird das Zeichen als  & (Alt Gr+f) – (+6) eingegeben.

Beispiele

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Commons: Tironische Noten – Sammlung von Bildern
  • TypoAkademie München: Tironische Noten
  • Eberhard Henke: Über Tironische Noten. Monumenta Germaniae Historica, archiviert vom Original am 14. Februar 2006; abgerufen am 26. Mai 2019. Handschrift B 16 der Bibliothek der Monumenta Germaniae Historica, ca. 1960
  • Martin Hellmann: Hypertext-Lexikon der tironischen Noten
  • Stephan Bender: Geschichte der tironischen Kurzschriftzeichen
  • Tironische Noten in der Karolingerzeit (PDF-Datei; 14 kB)

Einzelnachweise

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    • Maurice Jusselin: Mentions tironiennes des diplômes carolingiens utiles à la diplomatique, Bull. phil. et hist. ### (1951 /2) 11–29
    • Maurice Jusselin: Notes tironiennes de quelques diplômes carolingiens, in: Bibliothèque de l’École des Chartes, CIX (1949), S. 193–197.
    • Maurice Jusselin: Questions tironiennes à propos des « Diplomata Karolinorum », in: Bibliothèque de l’École des Chartes, C (1939), S. 5–7.
    • Maurice Jusselin: Notes Tironiennes dans un diplôme de Charles le Chauve du 25 juillet 864, Le Moyen Age 41 (= 3. sér. 2 (1931) 3f).
    • Maurice Jusselin: Liste chronologique et lecture des mentions en notes tironiennes dans les diplômes de Charles le Chauve, Le Moyen Age 39 (1929) 217–232
    • Maurice Jusselin: La Chancellerie de Charles le Chauve d’après les notes Tironiennes, in: Le Moyen Age 33 (1922), S. 18ff.
    • Maurice Jusselin: La transmission des ordres à la chancellerie mérovingienne d’après les souscriptions en notes tironiennes, BECh 74 (1913) 67–73
    • Maurice Jusselin: La garde et l’usage du sceau dans les chancelleries carolingiennes d’après les notes tironiennes. In: Mélanges offerts à M. Émile Châtelain, Paris 1910 (ND Genf 1976), S. 35–41
    • Maurice Jusselin: Tironiana. Le prétendu scribe d’un acte du synode de Pitres du 20 juin 86 r, in: Bibliothèque de l’École des Chartes, LXVIII (1907), S. 668–669.
    • Maurice Jusselin: Notes tironiennes dans les diplômes mérovingiens, in: BECh 68 (1907), S. 481–508.
    • Maurice Jusselin: Der Verfall der tironischen Noten am Ende des 11. Jahrhunderts, in: Archiv für Senographie, Berlin 1906.
    • Maurice Jusselin: Notes tironiennes dans les diplômes, in: Bibliothèque de l’École des Chartes, LXVI (1905), S. 361–389.
    • Arthur Mentz: Gabelsberger und die Tironischen Noten, in: ders., Franz Xaver Gabelsberger, gest. 4. Januar 1849, Wolfenbüttel 1948.
    • Arthur Mentz: Drei Homilien aus der Karolingerzeit in Tironischen Noten, Bayreuth 1942.
    • Arthur Mentz: Die tironischen Noten. Eine Geschichte der römischen Kurzschrift, Teil 2: Fortsetzung zu Bd. XVI, S. 287–384, Mit 2 Tafeln und vielen Abbildungen im Text, in: AUF 17 (1942), S. 155ff.
    • Arthur Mentz: Die Tironischen Noten. Eine Geschichte der römischen Kurzschrift, Teil 1: Mit 1 Tafel, in: AUF 16 (1939), S. 287ff.
    • Arthur Mentz: Ein Brief des 9. Jahrhunderts in Tironischen Noten (Tafel I, II, III), in: AUF 14 (1936), S. 211ff.
    • Arthur Mentz: Beiträge zu den Tironischen Noten, in: AUF 11 (1930), S. 153ff.
    • Arthur Mentz: Die Tironischen Noten im Evangeliar des hl. Kilian zu Würzburg, (mit Abbildungen S. 13), in: AUF 8 (1923), S. 6ff.
    • Arthur Mentz: Beiträge zu den Tironischen Noten im Mittelalter, in: AUF 6 (1918), S. 1ff..PDF
    • Arthur Mentz: Beiträge zur Geschichte der Tironischen Noten, in: AUF 4 (1912), S. 1ff.
    • Arthur Mentz: Beiträge (zur Geschichte) der Tironischen Noten (im Mittelalter), AUF. 4 (1912) 1–38 und 6 (1916/8) 1–18 und 11 (1930) 153–175
    • Arthur Mentz: Die Anfügung in den Tironischen Noten. In: Mélanges offerts à M. Émile Châtelain, Paris 1910 (ND Genf 1976), S. 501–507
    • Michael Tangl: Die Tironischen Noten des Cod. Vat. Regin. lat. 612, NA 39 (1914) 507–509 und Tafel
    • Michael Tangl: Die tironischen Noten in den Urkunden der Karolinger, in: AUF 1 (1908), S. 97–105.
    • Michael Tangl: Der Entwurf einer unbekannten Urkunde Karls des Großen in Tironischen Noten, in: MIÖG 21 (1900), S. 344–350.
  1. Scottish Parliament translation guidelines. Abgerufen am 15. November 2019 (englisch).

Literatur

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  • P. Ladner: Tironische Noten. In: Lexikon des Mittelalters. Band VIII. Sp. 804f.
  • Martin Hellmann: Tironische Noten der Karolingerzeit. Am Beispiel eines Persius-Kommentars aus der Schule von Tours. Hahn, Hannover 2000, ISBN 3-7752-5727-6, (Monumenta Germaniae historica Studien und Texte 27), (Zugleich: Heidelberg, Univ., Diss., 1999: Der älteste überlieferte Persius-Kommentar. Geschrieben in tironischen Noten in der Schule von Tours).
  • Peter Ganz (Hrsg.): Tironische Noten. Vorträge gehalten anlässlich eines Arbeitsgespräches vom 7. bis 10. Dezember 1987 in der Herzog August Bibliothek. Harrassowitz, Wiesbaden 1990, ISBN 3-447-03104-2, (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 1).
  • Arthur Mentz: Die tironischen Noten. Eine Geschichte der römischen Kurzschrift. In: Archiv für Urkundenforschung 16, 1939, ZDB-ID 212111-6, S. 287–384 und 17 (1942), S. 222–235, (Auch selbständig: de Gruyter, Berlin 1944).
  • Émile Châtelain: Introduction à la lecture des notes tironiennes. Eigenverlag, Paris 1900, (Auch Nachdruck: Franklin, New York NY 1963, (Burt Franklin research and source Works Series 62, ZDB-ID 844446-8)).
  • Herbert Boge: Griechische Tachygraphie und Tironische Noten. Ein Handbuch der antiken und mittelalterlichen Schnellschrift. Akademie-Verlag, Berlin 1973.
  • Georg Söldner: Die abgeleiteten Verba in den tironischen Noten. Inaug.-Dissertation. München, 1916 (erschienen bei Noske, Borna-Leipzig, 1916)
Lexika
  • Ulrich Friedrich Kopp: Lexicon Tironianum. (Nachdruck aus Kopps Palaeographia critica 1817 mit Nachwort und einem Alphabetum Tironianum von Bernhard Bischoff). Zeller, Osnabrück 1965.
  • P. Carpentier: Alphabetum Tironianum, seu Notas Tironis Explicandi Methodus. Cum pluribus Ludovici Pii Chartis, quae notis iisdem exaratae sunt et hactenus ineditae, ad Historiam et Jurisdictionem cum ecclesiasticam, tum civilem pertinentibus. Guerin, Paris 1747.
  • Giorgio Costamagna, Maria Franca Baroni, Luisa Zagni: Notae Tironianae quae in lexicis et in chartis reperiuntur novo discrimine ordinatae. Il Centro di Ricerca, Rom 1983, (Fonti e studi del corpus Membranarum Italicarum ser. 2: Fonti Medievali 10, ZDB-ID 439669-8).