2,4-Dichlorphenoxyessigsäure

chemische Verbindung
(Weitergeleitet von 2,4-D)

2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (kurz 2,4-D) ist ein von der Phenoxyessigsäure abgeleitetes Herbizid aus der Gruppe der synthetischen Auxine. Die chemische Verbindung wurde erstmals 1941 von dem in der C. B. Dolge Company, Westport, Connecticut (USA) arbeitenden Chemiker Robert Pokorny beschrieben.[6] Die Herstellung wurde patentiert.[7] Für den Einsatz als Herbizid wurde der Prozess 1945 von der American Chemical Paint Co. entwickelt.[8] Später wurde der Wirkstoff strukturell modifiziert: 2,4-Dichlorphenoxypropionsäure (Dichlorprop).

Strukturformel
Strukturformel von 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure
Allgemeines
Name 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure
Andere Namen
  • 2,4-D
  • (2,4-Dichlorphenoxy)essigsäure (IUPAC)
Summenformel C8H6Cl2O3
Kurzbeschreibung

weißer geruchloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 94-75-7
EG-Nummer 202-361-1
ECHA-InfoCard 100.002.147
PubChem 1486
ChemSpider 1441
Wikidata Q209222
Eigenschaften
Molare Masse 221,04 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,42 g·cm−3 [1]

Schmelzpunkt

140,5 °C[1]

Siedepunkt

160 °C (0,53 hPa)[1]

Dampfdruck

8,25·10−5 mmHg (20 °C)[2]

Löslichkeit
  • Sehr schwer löslich in Wasser (0,3 g·l−1 bei 25 °C)[1]
  • löslich in Ethanol (130 g·l−1)[3]
  • löslich in vielen organischen Lösungsmitteln[3]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[4] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 302​‐​317​‐​318​‐​335​‐​412
P: 261​‐​264​‐​273​‐​280​‐​304+340+312​‐​305+351+338+310[1]
MAK
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Herstellung

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Pokorny synthetisierte 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure durch Reaktion von 2,4-Dichlorphenol, Natriumhydroxid und Monochloressigsäure.[9][10] Dazu wurde eine wässrige Lösung von 2,4-Dichlorphenol und Chloressigsäure mit einem Überschuss von Natronlauge versetzt, wodurch die Natriumsalze dieser Komponenten gebildet wurden. Die Lösung wurde eingeengt und der trockene Rückstand erhitzt. Zur Isolierung der freien 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure wurde der Rückstand in Wasser gelöst und die Lösung mit Salzsäure angesäuert.

 
Formelschema einer Synthese des Natriumsalzes der 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure

Ein weiteres Verfahren ist die Chlorierung von Phenoxyessigsäure in geschmolzenem Zustand.[11]

Eigenschaften

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2,4-Dichlorphenoxyessigsäure ist ein wenig flüchtiger, weißer geruchloser Feststoff, der sehr schwer löslich in Wasser ist.[1] Er wird beim Umgang hauptsächlich über die Haut aufgenommen und innerhalb von Tagen unmetabolisiert mit dem Harn ausgeschieden. Die Endocrine Society stuft 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure, aufgrund seiner hormonähnlichen Wirkung, als einen Endokrinen Disruptor ein und empfiehlt, angesichts der vielfältigen negativen gesundheitlichen Auswirkungen, den Kontakt mit diesem Stoff möglichst zu vermeiden.[12]

Beim Kontakt mit hohen Dosierungen kommt es zur Schädigung des Nervensystems.[13] In Langzeituntersuchungen an Farmern konnte die Ausscheidung (und daher auch die vorherige Aufnahme) von 2,4-D mit dem Urin festgestellt werden. Diese ging einher mit Konzentrationserhöhungen eines Markers für oxidative DNA-Schäden.[14]

Weiterhin zeigte sich eine Beeinflussung des Zeitpunkts der ersten Menstruation bei Mädchen.[15]

Verwendung

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Geschätzte Ausbringungsmenge in den USA

Pflanzenschutz

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2,4-D wird als Herbizid gegen Zweikeimblättrige im Getreide, in Obstplantagen, auf Grünland und Rasen eingesetzt. Es wirkt insbesondere gegen Knöterichgewächse, Kamille und Disteln.[16] Viele der heute zugelassenen 2,4-D-Präparate sind für den Einsatz gegen Unkräuter auf Zierrasen gedacht. Sie enthalten neben weiteren herbiziden Wirkstoffen, häufig Dicamba, auch Rasendünger.[17]

Im Juni 2011 deckte die brasilianische Umweltbehörde IBAMA einen Fall auf, bei dem im Bundesstaat Amazonas 2,4-D-haltige Herbizide vom Flugzeug aus zum Entlauben des Urwalds versprüht wurden.[18]

In den USA wurden 2011 etwa 14.000 Tonnen ausgebracht. Es ist damit nach Glyphosat und Atrazin dort das am dritthäufigsten verwendete Herbizid.

Militär

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Während des Vietnamkrieges waren Ester der 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure Bestandteil der Entlaubungsmittel Agent Purple und Agent White.[1] Die n-Butylester von 2,4-D und der strukturverwandten 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure (2,4,5-T) waren im Verhältnis 1:1 in dem Entlaubungsmittel Agent Orange enthalten. 2,4-D enthält Spuren von Dioxinen, allerdings überwiegen die vergleichsweise wenig giftigen Kongenere 2,7-Dichlordibenzodioxin und 2,8-Dichlordibenzodioxin. Die Dioxinbelastung durch Agent Orange ging vor allem von 2,4,5-T aus, das Spuren des hochgiftigen Kongeners 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin enthielt.[19]

Regulierung

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Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stufte 2,4-D im Jahr 2015 als „möglicherweise karzinogen“ (Gruppe 2B) ein.[20]

Trotz der vermuteten Gesundheitsgefahren wurde die Zulassung am 1. Januar 2016 verlängert und läuft nun bis zum 31. Dezember 2030. Auf nationaler Ebene ist 2,4-D in 26 EU-Staaten zugelassen. Die erlaubte Tagesdosis beträgt 0,05 und die annehmbare Anwenderexposition 0,15 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag.[17]

Die Endocrine Society – die älteste und größte endokrinologische Fachgesellschaft – warnt, aufgrund der schlecht verstandenen Dosis-Wirkungs-Beziehung von endokrinen Disruptoren sowie der unvollständigen Studienlage, vor der Angabe von vermeintlich unbedenklichen erlaubten Tagesdosen.[21][15]

Derivate

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2,4-D wird auch in Form seiner Salze und Ester[22] eingesetzt, die ähnliche Eigenschaften und einen ähnlichen Metabolismus aufweisen.[23][24] Beispiele hierfür sind:

  • 2,4-D-Dimethylammonium (2,4-D DMA)[25][26]
  • 2,4-D-ethylhexyl (2,4-D EHE)[27]
  • 2,4-D-diethanolamin (2,4-D DEA)[28]
  • 2,4-D-butoxyethyl (2,4-D BEE)[29]
  • 2,4-D-isopropylamin (2,4-D IPA)[30]
  • 2,4-D-triisopropanolamin (2,4-D TIPA)[31]
  • 2,4-D-isopropyl (2,4-D IPE)[32]
  • 2,4-D-methyl[33]
  • Ethanolammoniumsalz[34]
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Commons: 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j Eintrag zu 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2020. (JavaScript erforderlich)
  2. Eintrag zu 2,4-D in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM), abgerufen am 5. Juni 2017. (Seite nicht mehr abrufbar)
  3. a b Rainer Koch: Umweltchemikalien. 3. Auflage. VCH, Weinheim 1995, ISBN 3-527-30061-9.
  4. Eintrag zu 2,4-D im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  5. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 94-75-7 bzw. 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (inkl. Salze und Ester)), abgerufen am 16. Oktober 2019.
  6. Robert Pokorny: New Compounds. Some Chlorophenoxyacetic acids. In: Journal of the American chemical Society 1941, Bd. 63, Heft 6, S. 1768
  7. Brit. Patent 573 467 (1945).
  8. Eintrag zu 2,4-D. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 12. November 2014.
  9. Robert Pokorny: New Compounds. Some Chlorophenoxyacetic acids. In: Journal of the American chemical Society 1941, Bd. 63, Heft 6, S. 1768
  10. Thomas A. Unger: Pesticide synthesis handbook. 1996, ISBN 0-8155-1401-8, S. 761 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Richard H. F. Manske: Process of preparing 2, 4-dichlorophenoxyacetic acid, US Patent 2471575 (1949) für U.S. Rubber Co.
  12. Endocrine Disrupting Chemicals (EDCs) | Hormone Health Network. Abgerufen am 4. November 2018 (englisch).
  13. Heinz Nau, Pablo Steinberg, Manfred Kietzmann: Lebensmitteltoxikologie. Georg Thieme Verlag, 2003, ISBN 3-8263-3330-6, S. 88 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  14. Catherine C. Lerro, Laura E. Beane Freeman, Lützen Portengen, Daehee Kang, Kyoungho Lee: A longitudinal study of atrazine and 2,4-D exposure and oxidative stress markers among Iowa corn farmers. In: Environmental and molecular mutagenesis. Band 58, Nr. 1, Januar 2017, S. 30–38, doi:10.1002/em.22069, PMID 28116766, PMC 5763550 (freier Volltext).
  15. a b A. C. Gore, V. A. Chappell, S. E. Fenton, J. A. Flaws, A. Nadal: EDC-2: The Endocrine Society's Second Scientific Statement on Endocrine-Disrupting Chemicals. In: Endocrine Reviews. Band 36, Nr. 6, Dezember 2015, S. E1–E150, doi:10.1210/er.2015-1010, PMID 26544531, PMC 4702494 (freier Volltext).
  16. Werner Perkow: Wirksubstanzen der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, 2. Auflage, 1. Erg. Lfg. Mai 1985, Verlag Paul Parey.
  17. a b Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission: Eintrag zu 2,4-D in der EU-Pestiziddatenbank; Eintrag in den nationalen Pflanzenschutzmittelverzeichnissen der Schweiz, Österreichs (Eingabe von „2,4-D“ im Feld „Wirkstoff“) und Deutschlands, abgerufen am 13. März 2016.
  18. EcoDebate: Ibama impede uso, para desmatamento em Novo Aripuanã/AM, de quatro toneladas herbicidas altamente tóxicos, 28. Juni 2011.
  19. Karlheinz Ballschmiter, Reiner Bacher: Dioxine. Verlag Chemie (VCH), Weinheim 1996, ISBN 3-527-28768-X.
  20. IARC Monographs evaluate DDT, lindane, and 2,4-D, 23. Juni 2015.
  21. EDCs Myth vs. Fact | Hormone Health Network. Abgerufen am 4. November 2018 (englisch).
  22. Eintrag zu Ester von 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 6. Dezember 2016. (JavaScript erforderlich)
  23. FAO: Evaluation of 2,4-D
  24. pesticideinfo.org: 2,4-D – toxicity, ecological toxicity and regulatory information, abgerufen am 6. Dezember 2016.
  25. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Dimethylammonium-2,4-dichlorphenoxyacetat: CAS-Nr.: 2008-39-1, EG-Nr.: 217-915-8, ECHA-InfoCard: 100.016.288, GESTIS: 11040, PubChem: 16180, ChemSpider: 15356, Wikidata: Q2813782.
  26. Eintrag zu Dimethylammonium-2,4-dichlorphenoxyacetat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 6. Dezember 2016. (JavaScript erforderlich)
  27. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2,4-Dichlorphenoxyessigsäureethylhexylester: CAS-Nr.: 1928-43-4, EG-Nr.: 217-673-3, ECHA-InfoCard: 100.016.068, PubChem: 61286, ChemSpider: 55225, Wikidata: Q22329336.
  28. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2,4-D-diethanolamin: CAS-Nr.: 5742-19-8, EG-Nr.: 227-256-8, ECHA-InfoCard: 100.024.779, PubChem: 16825, ChemSpider: 15944, Wikidata: Q27251594.
  29. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2,4-D-butoxyethyl: CAS-Nr.: 1929-73-3, EG-Nr.: 217-680-1, ECHA-InfoCard: 100.016.074, GESTIS: 12480, PubChem: 16002, ChemSpider: 15203, Wikidata: Q22329266.
  30. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2,4-D-isopropylamin: CAS-Nr.: 5742-17-6, ECHA-InfoCard: 100.217.275, PubChem: 57358267, ChemSpider: 20641, Wikidata: Q27269908.
  31. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2,4-D-triisopropanolamin: CAS-Nr.: 18584-79-7, EG-Nr.: 639-766-1, ECHA-InfoCard: 100.167.411, PubChem: 62724, ChemSpider: 56468, Wikidata: Q27236552.
  32. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2,4-D-isopropyl: CAS-Nr.: 94-11-1, EG-Nr.: 202-305-6, ECHA-InfoCard: 100.002.096, PubChem: 7173, ChemSpider: 6905, Wikidata: Q27288441.
  33. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2,4-D-methyl: CAS-Nr.: 1928-38-7, EG-Nr.: 217-670-7, ECHA-InfoCard: 100.016.065, PubChem: 1488, ChemSpider: 1443, Wikidata: Q22329230.
  34. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu (2-hydroxyethyl)ammonium (o,p-dichlorophenoxy)acetate: CAS-Nr.: 3599-58-4, EG-Nr.: 222-752-0, ECHA-InfoCard: 100.020.684, PubChem: 19192, Wikidata: Q81976821.