2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure
2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure (Warenzeichen von Lubrizol: AMPS) ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Sulfonsäuren. Die auch als 2-Acrylamido-tert-butylsulfonsäure (ATBS) bezeichnete Verbindung ist ein sehr reaktionsfähiges und gut wasserlösliches Acrylmonomer, das hochmolekulare Homopolymere (Molekülmasse >2 Mio.[5]) mit außergewöhnlichen Produkteigenschaften bildet und mittels radikalischer Copolymerisation mit anderen Monomeren zur gezielten Hydrophilierung der erhaltenen Copolymeren eingesetzt wird. Ursprünglich zur Verbesserung der Anfärbbarkeit von Polyacrylnitril-Fasern vorgeschlagen, hat AMPS aufgrund seiner Funktionalität breiten Einsatz in einer Vielzahl von Anwendungen gefunden.
Strukturformel | ||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||
Name | 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure | |||||||||||||||
Andere Namen | ||||||||||||||||
Summenformel | C7H13NO4S | |||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
weißer Feststoff[2] | |||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||
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Eigenschaften | ||||||||||||||||
Molare Masse | 207,25 g·mol−1 | |||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest[2] | |||||||||||||||
Dichte |
1,1 g·cm−3 (15,6 °C)[2] | |||||||||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||||||||
Löslichkeit |
sehr leicht in Wasser (1500 g·l−1 bei 25 °C)[2] | |||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||
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Toxikologische Daten | ||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Vorkommen
BearbeitenEs wird nur synthetisch hergestellt. Ein natürliches Vorkommen ist nicht bekannt.
Herstellung
Bearbeiten2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure entsteht in einer Ritter-Reaktion aus Acrylnitril und Isobuten in Gegenwart hochkonzentrierter oder rauchender Schwefelsäure und Wasser[6]. Die neuere Patentliteratur[7] beschreibt diskontinuierliche und kontinuierliche Prozesse, die AMPS in hoher Reinheit (bis 99,7 %) und verbesserter Ausbeute (bis 89 %, bezogen auf Isobuten) bei Zugabe von flüssigem Isobuten zu einem Acrylnitril/Schwefelsäure/Phosphorsäuregemisch bei 40 °C erzeugen.
Eigenschaften
BearbeitenAMPS ist ein weißer, kristalliner, hygroskopischer Feststoff, der sich sehr gut in Wasser löst und mit Alkali- und Erdalkalimetallen gut lösliche Salze bildet. Wässrige AMPS-Lösungen reagieren wegen der vollständigen Dissoziation der Sulfonsäuregruppe stark sauer. Handelsüblich ist der Feststoff in Pulver- und Granulatform und wässrige 50%ige Lösungen der Natrium- (AMPS-Na) und Ammoniumsalze. AMPS verfügt als Acrylmonomer über ungewöhnliche Stoffeigenschaften, die es insbesondere als Comonomer in funktionellen Polymeren interessant machen:
- Hohe thermische und hydrolytische Stabilität: Die Amidfunktion im AMPS-Molekül ist durch die geminalen Methylgruppen und die Sulfomethylgruppe räumlich abgeschirmt und gegen hydrolytischem und thermischem Abbau geschützt.[8] Die Zersetzung von AMPS-Homopolymeren erfolgt ab 225 °C, von AMPS-Na-Homopolymeren sogar erst ab 307 °C.[9]
- Ausgeprägte Hydrophilie und Acidität: Die Sulfonsäurefunktion verleiht AMPS einen permanent hydrophilen Charakter und liegt weit in den sauren pH-Bereich als Sulfonat-Anion vor. Bereits geringe Anteile an AMPS (< 5 Gew.%) erhöhen die Hydrophilie von Copolymeren beträchtlich.
- Gute Löslichkeit: AMPS löst sich sehr gut in Wasser und gut in den aprotisch-dipolaren Lösungsmitteln Dimethylformamid und N-Methyl-2-pyrrolidon.
Die hohe Stabilität des AMPS bedingen seine geringe Bioabbaubarkeit. Es ist nicht mutagen und besitzt als neutrale AMPS-Na-Salzlösung eine sehr geringe Toxizität LD50 >16,000 mg/kg Ratte.[10] Das in der Umwelt vorliegende Anion ist persistent und mobil.[11]
Es polymerisiert leicht, auch unter Einfluss von Licht.
Verwendung
BearbeitenAls Bestandteil von Copolymeren mit Acrylsäure, Acrylamid und anderen funktionellen Acryl- und Vinylmonomeren. AMPS findet eine Reihe von Anwendungen[12] als Additiv oder Comonomer in:
1. Textil: erhöht die Anfärbbarkeit von polyacryl- und polyesterhaltigen Textilien.[13]
2. Farben, Lacke und Papierbeschichtung: bedingt eine höhere chemische und mechanische Stabilität von Polymeremulsionen, stabilisiert die Partikelverteilung, unterdrückt die Griesbildung und erhöht die Abriebfestigkeit von Anstrichen und Papieren.[14]
3. Klebstoffe: verbessert die thermischen und mechanischen Eigenschaften und erhöht die Haftfestigkeit von druckempfindlichen Klebstoffformulierungen.[15]
4. Waschmittel: steigert die Waschwirkung von Tensiden durch Bindung mehrwertiger Kationen und reduziert die Schmutzanlagerung.[16]
5. Kosmetik und Medizin: bildet mit anderen Comonomeren hochmolekulare Polymere, die als Hydrogele und in Emulsionen als Verdicker, Stabilisator, Dispergator und Gleitmittel in kosmetischen, dermatologischen und medizinischen Zubereitungen Anwendung finden.[17] Wird wegen seines hohen Wasseraufnahme- und -rückhaltevermögens als Comonomer in Superabsorbern für z. B. Babywindeln eingesetzt.[18]
6. Wasserbehandlung: stabilisiert besonders in Co- und Terpolymeren mit anderen ionischen und neutralen Monomeren mehrwertige Kationen in hartem Wasser und verhindert als 'scale inhibitor' die Kesselsteinbildung und Korrosion.[19]
7. Pflanzenschutz: erhöht in gelösten[20] und nanopartikulären[21] Polymerzubereitungen die Bioverfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln in wässrig-organischen Zubereitungen.
8. Membranen: steigert Wasserfluss, Rückhalt und Fouling-Resistenz von asymmetrischen Ultra- und Mikrofiltrationsmembranen[22] und wird als anionische Komponente in polymeren Brennstoffzellmembranen untersucht.[23]
9. Bau: wirkt in Copolymeren als Wasserrückhaltemittel in Mörteln und Putzen[24], führt zu zunehmender Dispergierbarkeit von Partikeln, erhöht das Gleitvermögen und verbessert in Copolymeren, insbesondere mit Methacryl- oder Acrylsäure, als Betonverflüssiger[25] die mechanische und chemische Stabilität von hochfließfähigem und selbstverdichtendem Beton.
10. Öl- und Gasexploration: erhöht die Stabilität von Polymeren in Öl- und Gasfeldanwendungen gegenüber hohen Temperaturen und Drücken, sowie hohen Salzkonzentrationen[9], verringert die Reibung und den Flüssigkeitsverlust in Bohr- und Zementierungsflüssigkeiten[26] und findet Anwendung in der tertiären Ölgewinnung[27] und bei dem Hydraulic Fracturing genannten Aufbrechen von Gesteinsformationen zur Förderung von Schiefergas.[28]
Die gegenwärtige Produktionskapazität der drei wichtigsten AMPS-Hersteller beträgt über 30.000 Tonnen/Jahr.[29]
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Eintrag zu 2-ACRYLAMIDO-2-METHYLPROPANE SULFONIC ACID in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 11. März 2020.
- ↑ a b c d e Datenblatt 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure bei Merck, abgerufen am 19. Januar 2011.
- ↑ a b Eintrag zu 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 3. Januar 2023. (JavaScript erforderlich)
- ↑ Toksikologicheskii Vestnik., (3)(34), 2000.
- ↑ Vinati Organics Ltd: 2-Acrylamido 2-methylpropanesulfonic Acid (ATBS) ( vom 30. Oktober 2010 im Internet Archive)
- ↑ Patent US3506707: Preparation of acrylamidoalkanesulfonic acids. Angemeldet am 1. Februar 1968, veröffentlicht am 14. April 1970, Anmelder: Lubrizol Corp., Erfinder: Leonard E Miller, Donald L Murfin.
- ↑ US 6,504,050, Erfinder: P.P. Barve et al., Anmelder: CSIR (IN), veröffentlicht am 7. Januar 2003
- ↑ W.O. Parker, jr., A. Lezzi, Polymer, 34(23), 1993, S. 4913–4918.
- ↑ a b Lubrizol, AMPS(R) Specialty Monomers, Oil Field Applications
- ↑ The Lubrizol Corp.: HPV Challenge Program, Test Plan for AMPS (PDF; 1,1 MB), 1. August 2000.
- ↑ Isabelle Neuwald, Matthias Muschket, Daniel Zahn, Urs Berger, Bettina Seiwert: Filling the knowledge gap: A suspect screening study for 1310 potentially persistent and mobile chemicals with SFC- and HILIC-HRMS in two German river systems. In: Water Research. Band 204, 1. Oktober 2021, S. 117645, doi:10.1016/j.watres.2021.117645.
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- ↑ valuepickr.com: Vinati-organics.