Blaue Division

spanische Freiwilligen-Division

Die Blaue Division (spanisch División Azul), offiziell División Española de Voluntarios („Spanische Freiwilligendivision“), war ein aus spanischen Freiwilligen der deutschen Wehrmacht gebildeter Großverband, offiziell als 250. Infanterie-Division geführt. Der Verband nahm von 1941 bis 1943 am Krieg gegen die Sowjetunion teil.

250. Infanterie-Division (Deutschland)
División Española de Voluntarios (Spanien)

Logo
Truppenkennzeichen, die Farben der Flagge Spaniens
Aktiv 24. Juni 1941 bis 20. Oktober 1943 (Auflösung)
Staat Deutsches Reich

Spanien

Streitkräfte Wehrmacht
Teilstreitkraft Heer
Truppengattung Infanterie
Typ Infanterie-Division
Gliederung Gliederung
Stärke 640 Offiziere

2.272 Unteroffiziere
14.780 Mannschaften
(Soll)

Spitzname Blaue Division (Deutsch)
División Azul (Spanisch)
Zweiter Weltkrieg Deutsch-Sowjetischer Krieg
Leningrader Blockade
Kommandeure
Liste der Kommandeure

Geschichte

Bearbeiten

Entstehung

Bearbeiten

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 kam es in Spanien zu großen Kundgebungen unter dem Motto: „Russland ist schuld!“ (gemeint war der Spanische Bürgerkrieg). Inwiefern diese Kundgebungen spontan stattfanden oder von interessierten Kreisen initiiert wurden, lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen. Fest steht, dass die Regierung die Begeisterung vor allem junger Falangisten nutzte, um noch am selben Tag an den deutschen Gesandten mit dem Angebot von Freiwilligenverbänden für den „Kampf gegen den Kommunismus“ heranzutreten. Nach kurzen Verhandlungen wurde beschlossen, eine Infanteriedivision aus Freiwilligen zu entsenden, die aus Kadern der Armee und Freiwilligen aus ganz Spanien bestehen sollte. Diese División Española de Voluntarios bestand aus vier Infanterieregimentern (benannt nach ihren Kommandeuren Pimentel, Vierna, Esparza und Rodrigo) und einem Artillerie-Regiment und besaß eine Stärke von 640 Offizieren, 2272 Unteroffizieren und 14.780 Mannschaften. Gegenüber der Presse wurde der freiwillige Charakter der Einheit betont, tatsächlich aber waren alle wichtigen Positionen mit Armeeangehörigen besetzt, die regelmäßig ausgetauscht wurden. Neben antikommunistischen Motiven spielte vor allem bei den Offizieren die Verbesserung ihrer Karrierechancen eine wichtige Rolle für die freiwillige Meldung, so zählte z. B. die Dienstzeit in der Sowjetunion doppelt.

Aufstellung

Bearbeiten

Am 24. Juni 1941 wurde die „Blaue Division“ als „Kampftruppe gegen den Bolschewismus“[1] unter dem Kommando von General Agustín Muñoz Grandes (im Range eines Generalleutnants der Wehrmacht), mit 17.909 Mann ins Deutsche Reich zur Grundausbildung auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr in die Oberpfalz verlegt. Auf Intervention von Muñoz Grandes wurde die Dauer der Ausbildung von drei Monaten auf nur fünf Wochen verkürzt. In Grafenwöhr wurde sie in die 250. Infanterie-Division (spanische) der Wehrmacht umgewandelt und am 31. Juli 1941 auf Adolf Hitler für den Kampf gegen den Kommunismus vereidigt.

Die Division verfügte über drei Infanterie-Regimenter (262. (ursprünglich Pimentel), 263. (Vierna) und 269. (Esparza)), ein Artillerie-Regiment (250), eine Panzerjäger-Abteilung, eine Aufklärungsabteilung, ein Pionier-Bataillon und Divisionseinheiten. Bei der Umgliederung der Division von vier auf drei Regimenter wurde ein Regimentskommandeur frei, für den die ansonsten auf Divisionsebene unübliche Stelle eines Stabschefs als stellvertretender Divisionskommandeur geschaffen wurde. Zusätzlich verfügte die Division über ein vorwiegend aus Veteranen und Fremdenlegionären gebildetes Reserve-Bataillon, das als Divisionsreserve diente. Ursprünglich war vorgesehen, die Division zu motorisieren, aber da unklar war, wer dafür zuständig sein sollte, Spanien oder Deutschland, wurde die Division mit Pferden aus Serbien ausgestattet. Da diese Pferde nicht den Anforderungen entsprachen und in der kurzen Ausbildung nicht genügend auf Pferdepflege und -handhabung eingegangen worden war, starben viele Tiere während des mehr als 1000 Kilometer langen Marsches durch die UdSSR.

Als deutsche Einheit trugen die Angehörigen der Division die Uniform der Wehrmacht, jedoch mit einem Ärmelschild in den spanischen Farben, Rot und Gold, sowie der Aufschrift „España“. Benannt wurde die Blaue Division nach der Farbe der blauen Falangehemden, die anstelle der regulären Uniformhemden getragen wurden.

 
Ausbildung am schweren Maschinengewehr an der Ostfront 1942
 
Einheit auf dem Marsch zur Front 1942
 
Einsatz an der Front 1943

Nach dem Ende der Grundausbildung in Grafenwöhr am 20. August 1941 wurde die Division in die Sowjetunion in Marsch gesetzt. Ursprünglich war sie für die Heeresgruppe Mitte bestimmt, doch während des Marsches nach Smolensk wurde sie am 26. September 1941 der Heeresgruppe Nord unterstellt und nach Witebsk umgeleitet. Im Rahmen der 16. Armee wurde sie zur Sicherung der Leningrader Blockade entlang des Wolchow nördlich des Ilmensees eingesetzt.[2] Da die deutsche Führung den Kampfwert der Division für gering hielt, nicht zuletzt wegen des „unsoldatischen Auftretens“ ihrer Angehörigen, wurde ihr keine große Beachtung geschenkt. Als die Spanier jedoch ihren Frontabschnitt gegen heftige Angriffe der Roten Armee verteidigten, wuchs die Anerkennung der Division genauso wie ihre Verluste.

Im Sommer des darauffolgenden Jahres wurde die Division von der 16. an die 18. Armee abgegeben und an die Front vor Leningrad verlegt, wo sie bis Oktober 1943 im Einsatz blieb.[3] Dort besetzte sie zeitweise das alte Zarenschloss Zarskoje Selo. Im Dezember 1942 übernahm General Emilio Esteban-Infantes (im Range eines Generalleutnants der Wehrmacht) das Kommando über die Division.

Auflösung

Bearbeiten

Auf starken außenpolitischen Druck hin beorderte Franco die Division 1943 zurück nach Spanien. Am 20. Oktober 1943 wurde sie offiziell aufgelöst. Zahlreiche Freiwillige blieben jedoch zurück und bildeten zunächst eine „Spanische Legion“ (Legión Española de Voluntarios) von bis zu 3000 Mann Stärke, die noch bis 1944 an der Ostfront weiterkämpfte. Aus den schließlich noch verbliebenen Spaniern wurden ab Juni 1944 auf dem Truppenübungsplatz Stablack zwei Freiwilligen-Kompanien (101 und 102) der Waffen-SS aufgestellt.[4] Beide Kompanien kämpften im Frühjahr 1945 bei der Verteidigung von Berlin gegen die Rote Armee.

Die Gründe für die Auflösung der Division sind vor allem in der veränderten Kriegslage nach der Landung der Alliierten in Nordafrika und Sizilien zu sehen, die eine direkte Bedrohung Spaniens implizierten. Aber auch die innenpolitische Lage hatte sich verändert, nachdem der deutschenfreundliche Außenminister Ramón Serrano Súñer 1942 durch den eher anglophil eingestellten Francisco Gómez-Jordana Sousa abgelöst worden war.

Gliederung

Bearbeiten
  • Infanterie-Regiment 262 (span.)
  • Infanterie-Regiment 263 (span.)
  • Infanterie-Regiment 269 (span.)
  • Artillerie-Regiment 250 (span.)
  • Weitere
    • Panzerjäger-Abteilung 250 (span.)
    • Aufklärungs-Abteilung 250 (span.)
    • Pionier-Bataillon 250 (span.)
    • Reserve-Bataillon 250 (span.)
    • Infanterie-Divisions-Nachschubführer 250 (span.)
    • Weitere Divisionseinheiten 250

Kommandeure

Bearbeiten
 
Denkmal für Gefallene der Division auf dem Friedhof de la Almudena in Madrid

Ein quartalsweise vorgenommener Ablösungsturnus ermöglichte es, dass während des zweieinhalbjährigen Einsatzes insgesamt 47.000 Mann bei der Blauen Division dienten und „Ostfronterfahrung“ sammeln konnten. Zwischen 3500 und 4500 von ihnen fanden dabei den Tod, mehr als 8000 wurden verwundet. Von den 321 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geratenen Freiwilligen kehrten im Jahr 1954 auf dem Seeweg über Barcelona 286 Überlebende unter großer öffentlicher Anteilnahme nach Spanien zurück.[5]

Versorgungszahlungen

Bearbeiten

Eine Kleine Anfrage von Andrej Hunko und anderer Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag an die Bundesregierung hat im November 2015 ergeben, dass Deutschland Versorgungszahlungen an ehemalige Mitglieder der Blauen Division und deren Angehörige leistet.[6] Zum Zeitpunkt der Fragestellung beliefen sich diese Zahlungen auf jährlich 107.352 Euro an 50 Personen: monatlich insgesamt 5.390 Euro an 41 Beschädigte, monatlich insgesamt 3.336 Euro an acht Witwen und 220 Euro je Monat an eine gebrechliche Waise. Grundlage dieser Zahlungen ist der zwischen Spanien und Deutschland geschlossene „Vertrag vom 29. Mai 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Kriegsopferversorgung“.[7]

Gedenken

Bearbeiten
 
Straßenschild

In Madrid gibt es eine Calle de los Caídos de la División Azul (zu deutsch „Straße der Gefallenen der Blauen Division“).

Historiographie

Bearbeiten

Dank ihrer einzigartigen Stellung als Division eines ansonsten neutralen Staates in den Diensten eines fremden Staates ist die Blaue Division der von Historikern meistbehandelte Großverband seiner Art des gesamten Zweiten Weltkriegs.[8][9]

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Jürgen Förster: Freiwillige für den „Kreuzzug Europas gegen den Bolschewismus“. In: Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink, Rolf-Dieter Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion (= Militärgeschichtliches Forschungsamt [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 4). 2. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06098-3, S. 908–935 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – insbesondere S. 911–915).
  • Gerald R. Kleinfeld, Lewis A. Tambs: Hitler’s Spanish Legion: The Blue Division in Russia, Southern Illinois University Press, Carbondale and Edwardsville 1979, ISBN 0-8093-0865-7.
  • Gerald R. Kleinfeld, Lewis A. Tambs: North to Russia: The Spanish Blue Division in World War II. In: Military Affairs, Vol. 37, Nr. 1 (1973), S. 8–13.
  • Arnold Krammer: Spanish Volunteers against Bolshevism. The Blue Division. In: Russian Review Vol. 32, No. 4 (1973), S. 388–402.
  • Xosé M. Núñez-Seixas: Die spanische Blaue Division an der Ostfront (1941–1945). Zwischen Kriegserfahrung und Erinnerung. Aschendorff Verlag, Münster 2016, ISBN 978-3-402-14868-6.
  • Raymond L. Proctor: Agony of a Neutral. Spanish-German Wartime Relations and the Blue Division. Moscow, ID, 1974.
  • Pedro Roig: Spanish Soldiers in Russia. Miami, 1976.
  • Veit Scherzer: Formationsgeschichte des Heeres und des Ersatzheeres 1939 bis 1945. Gliederung, Stärke, Ausrüstung, Bewaffnung (= Deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg. Band 1). Teilband A. Scherzers Militaer-Verlag, Ranis / Jena 2007, ISBN 978-3-938845-07-3, S. 211 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • John Scurr, Richard Hook: Germany’s Spanish Volunteers 1941–45. (Men-at-Arms Series, 103) 1980. ISBN 0-85045-359-3.
  • Georg Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. 2. Auflage. Band 8: Die Landstreitkräfte 201–280. Biblio-Verlag, Bissendorf 1979, ISBN 3-7648-1174-9.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Der Grosse Ploetz, Freiburg i. B. 2008, S. 1089.
  2. Xosé M. Núñez-Seixas: Die spanische Blaue Division an der Ostfront (1941–1945). Zwischen Kriegserfahrung und Erinnerung. Aschendorff Verlag, Münster 2016, S. 151–165.
  3. Xosé M. Núñez-Seixas: Die spanische Blaue Division an der Ostfront (1941–1945). Zwischen Kriegserfahrung und Erinnerung. Aschendorff Verlag, Münster 2016, S. 166–174.
  4. Chris McNab Hitler's Elite, the SS 1939–45 S. 326 (engl.).
  5. Kurz belichtet. Barcelona Filmbericht der Neuen Deutschen Wochenschau Nr. 220/1954 vom 14. April 1954 im Filmarchiv des Bundesarchivs
  6. Versorgungszahlungen an Nazi-Kollaborateure der „Blauen Division“, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 18/6259 vom 3. November 2015, abgerufen am 18. Februar 2021.
  7. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Mai 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Kriegsopferversorgung, Drucksache IV/718, 7. November 1962, abgerufen am 18. Februar 2021.
  8. Stanley G. Payne: Franco and Hitler: Spain, Germany, and World War II. Yale University Press, 2008, ISBN 978-0-300-12282-4, S. 146 (englisch).
  9. Martín de la Guardia, Ricardo Manuel: La División Azul en sus libros, publicaciones periódicas y filmografía (1941–1988). Madrid 1989 (spanisch).