26,5-m-Kutter

Serie von Fischereikuttern

26,5-m-Kutter war eine Serie von Fischereifahrzeugen des Schiffstyps Kutter, die von 1956 bis 1959 auf der Volkswerft Stralsund und der Elbewerft Boizenburg in einer Gesamtzahl von 50 Stück für die Fischerei in Ostsee und Nordsee gefertigt wurde.

26,5-m-Kutter
SAS 274 „Havel“, Volkswerft-Bau-Nr. 2007, 1957, im Juli 2023 in Saßnitz
SAS 274 „Havel“, Volkswerft-Bau-Nr. 2007, 1957, im Juli 2023 in Saßnitz
Schiffsdaten
Schiffsart Frischfischfänger mit Schleppnetz, Seitenfänger
Bestellung DDR
Entwurf Zentrales Schiffbau-Projekt- und Konstruktionsbüro, Berlin-Köpenick
Bauwerft Volkswerft Stralsund (1956–1958),
Elbewerft Boizenburg (1958–1959)
Bauzeitraum 1956 bis 1959
Gebaute Einheiten 50
Fahrtgebiete Ostsee, Nordsee
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 26,45 m (Lüa)
Breite 6,70 m
Seitenhöhe 3,65 m
Tiefgang (max.) 3,00 m
Verdrängung 234 t
Vermessung 131 BRT
 
Besatzung 8
Maschinenanlage
Maschine Dieselmotor
Maschinen­leistung 250 PS (184 kW)
Höchst­geschwindigkeit 9,5 kn (18 km/h)
Propeller 1
Die „Seefuchs“, ex SAS SAS 316 „Heringshai“, 2018 in Valletta

Die Kutter waren für den Einsatz in der Hochseefischerei der DDR in Ostsee und Nordsee (Mai bis August) bestimmt.[1]

Der gefangene Fisch wurde auf dem Schiff manuell bearbeitet und durch eine Kühlanlage unter Beimengung von Eis an Bord gelagert.[1]

Gefischt wurde einzeln oder mit je zwei Kuttern in einer Tuckpartie mit einem gemeinsam gezogenen Netz. Ab 1965, mit dem Einsatz der Kühlschiffe SAS 501 „Stubnitz“ und SAS 502 „Granitz“ wurden die Kutter auch in der Flottillenfischerei verwendet.

Technische Daten und Ausstattung

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Bei einer Länge über alles (siehe Schiffsmaße) von 26,65 Meter, einer Breite auf Spanten von 6,70 Meter und einer Seitenhöhe von 3,65 Meter hatte das Schiff einen Tiefgang von 3 Meter. Die Tragfähigkeit betrug 84 Tonnen.[2]

Angetrieben wurde der Kutter von einem 184 kW leistenden Motor (Typ R6 DV136). Die Dienstgeschwindigkeit betrug 9,5 Knoten.[1][2]

Die Aktionsweite der Kutter, der durch die Back gut seetüchtig war, betrug 5000 Seemeilen, die Aktionsdauer des Schiffs mit seiner acht Mann umfassenden Besatzung lag bei 22 Tagen.[2] Die Jahresfangleistung wurde stetig gesteigert, sie lag mit SAS 270 bei mehr als 400 Tonnen Fisch, im Jahr 1959 bei SAS 271 über 500 Tonnen; bei Heringen wurden auch Jahresfangleistungen über 1.000 Tonnen erreicht.[1]

Erstmals war die Besatzung (hier: acht Mann) zusammen im Aufbau untergebracht; bis dato lebten die Matrosen von Fischkuttern meist an Bord in einem Verschlag vor dem Mast am Bug.[3]

Der Seitenfänger besaß zwei Masten, Poopdeck, Back und hintenliegenden Decksaufbau. Die Kurrleinenwinde hatte zwei Spillköpfe und zwei Seiltrommeln, die jeweils 700 m Kurrleine mit einem Durchmesser von 14 mm aufnehmen konnten. In den Jahren 1970 bis 1974 wurden die Kutter mit Netztrommelwinden mit 2 m³ Speicherkapazität und ein hydraulisches, mit der Hauptmaschine gekoppeltes Getriebe, ausgestattet.[1] Die Fischer nannten diese, die eine enorme Arbeitserleichterung darstellten und für sie im Vergleich zu den vorherigen Winden leicht zu bedienen waren, „Oma“.[3]

Auftraggeber

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Auftraggeber war der VEB Hochseefischerei Rostock mit Sitz in Saßnitz.

Bau und Verwendung

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Das Projekt wurde vom Zentralen Schiffbau-Projekt- und Konstruktionsbüro in Berlin-Köpenick entwickelt. Auf Basis der Erfahrungen der Fischer wurde der Schiffstyp ständig weiterentwickelt.[2]

Von den 26,5 Meter langen Kuttern, die als zuverlässig, beständig und unverwüstlich galten, wurden von 1956 bis 1959 insgesamt 50 Stück gebaut.[4] Sie wurden als kombinierte Niet- und Schweißkonstruktion ausgeführt.[1]

Typschiff der Kutter-Serie war SAS 270 „Elbe, der Bau dieses Schiff begann am 12. April 1956, Stapellauf war am 16. Juli 1956, Übergabe an die Fischereiflotte am 15. Januar 1957. Die Stralsunder Schiffbau- und Reparaturwerft arbeitete bei diesem Auftrag mit der benachbarten Volkswerft Stralsund zusammen, die bis 1958 insgesamt 20 Schiffskörper fertigte. Letztes in Stralsund gebautes Schiff des Typs war SAS 289 „Utsiraloch, das am 19. März 1958 übergeben wurde.[2]

Ab dem 21. Schiff oblag die Produktion der Elbewerft Boizenburg.[2] Erstes Schiff hier war am 27. Oktober 1958 SAS 290 „Narwal.[5] Als letztes, 50. Schiff der Serie wurde am 24. Juni 1959 SAS 320 „Sternhai“ übergeben.[1]

Mitte der 1960er Jahre wurden die Schiffe im Rahmen einer Rationalisierungsmaßnahme mit Propellerdüsen ausgestattet, was eine Erhöhung des Pfahlzugs um 40 Prozent und der Schleppleistung um 14 Prozent ermöglichte.[1]

Ab den 1980er Jahren waren die DDR-Kutter zum Fischfang (Heringe, Dorsche, Plattfische und Sprotten) nur noch in der Ostsee eingesetzt; ein großer Teil war zur Fischübernahme von Trawlern vor der Küste Schottlands eingesetzt. Vier der in Boizenburg gefertigten Kutter (SAS 298 „Zwergwal, SAS 303 „Seewolf, SAS 305 „Sattelrobbe und SAS 318 „Sägehai) fuhren nach einer Umrüstung im Jahr 1984 bis Beira und waren dort vor der Küste Ostafrikas bis 1990 für die Fischerei der Volksrepublik Mosambik im Einsatz.[1][2]

Verbleib (Auswahl)

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Schiff Werft Ablieferung Einsatz und Verbleib
SAS 270 „Elbe Schiffbau- und Reparaturwerft Stralsund/
Volkswerft Stralsund
15. Januar 1957 erstes Schiff (Typschiff) der Serie; zunächst im Einsatz für VEB Hochseefischerei Rostock, ab dem Jahr 1994 im Besitz des Saßnitzer Jugendkulturvereins, dort aufgelegt[5]
SAS 274 „Havel Schiffbau- und Reparaturwerft Stralsund/
Volkswerft Stralsund
11. März 1957 zunächst im Einsatz für VEB Hochseefischerei Rostock, lag seit 1990 im Saßnitzer Hafen, ab 1995 restauriert und als Museumsschiff genutzt[6]
SAS 275 „Mulde Schiffbau- und Reparaturwerft Stralsund/
Volkswerft Stralsund
11. März 1957 zunächst im Einsatz für VEB Hochseefischerei Rostock, ab 1994 in Privatbesitz mit Überfahrt nach Venezuela[5]
SAS 280 „Aberdeen Schiffbau- und Reparaturwerft Stralsund/
Volkswerft Stralsund
14. Februar 1958 zunächst im Einsatz für VEB Hochseefischerei Rostock, nach einer Kollision im Fischereihafen Rostock-Marienehe am 12. Januar 1970 schwer beschädigt, zur Verschrottung verkauft nach Dänemark[1]
SAS 284 „Jütland Schiffbau- und Reparaturwerft Stralsund/
Volkswerft Stralsund
14. Februar 1958 zunächst im Einsatz für VEB Hochseefischerei Rostock, später in Saßnitzer Hafen als Bordell liegend, spätestens 1997 nicht mehr genutzt[5]
SAS 289 „Utsiraloch Schiffbau- und Reparaturwerft Stralsund/
Volkswerft Stralsund
19. März 1958 letztes in Stralsund gebautes Schiff der Serie; zunächst im Einsatz für VEB Hochseefischerei Rostock, verschrottet[5]
SAS 304 „Ringelrobbe Elbewerft Boizenburg 20. Dezember 1958 zunächst im Einsatz für VEB Hochseefischerei Rostock, am 8. Mai 1974 als Geschenk an die Republik Guinea-Bissau[1]
SAS 312 „Dornhai Elbewerft Boizenburg 31. März 1959 im Einsatz für VEB Hochseefischerei Rostock, am 22. Mai 1973 im Drogden nach Kollision mit dem sowjetischen, im Rahmen der Volkswerft-Serie Logger gebauten RI-4428 „Koknese (kyrillisch: PИ-4428 „Кокнесе“) gesunken (Position 55°43,3′N, 12°41,5′E), die Besatzung wurde durch SAS 274 „Havel“ gerettet, Schiff wurde geborgen, Instandsetzung in Dänemark,[7] 2009 aus dem Register genommen, im Jahr 2019 in Lubmin verschrottet[8]
SAS 316 „Heringshai“ Elbewerft Boizenburg 30. April 1959 war bis 1991 in der Fischerei im Einsatz, lag von 1993 bis 2014 als Museumsschiff „Seefuchs“ im Museumshafen Greifswald, dann in Stralsund beheimatet. Von 2017 bis 2018 im Mittelmeer für die Organisation Sea-Eye im Einsatz. Wurde im März 2019 an die spanische Organisation Proem Aid verschenkt und soll dort unter dem Namen „Life“ eingesetzt werden
SAS 319 „Riesenhai Elbewerft Boizenburg 31. Mai 1958 war bis 2003 als Fischereifahrzeug im Einsatz, dann Neuaufbau nach Sicherheitsstandards für Traditionsschiffe, 2012 Umrüstung zum Forschungskutter und umbenannt in „Krebs Geo“,[9] mit Heimathafen erst in Wismar, dann in Gdynia[10]
SAS 320 „Sternhai“ Elbewerft Boizenburg 24. Juni 1959 letztes Schiff der Serie; war bis 2014 in der Fischerei im Einsatz, von 2015 bis 2018 im Mittelmeer für die Organisation Sea-Eye im Einsatz

Ausstellung

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An Bord des im Saßnitzer Hafen liegenden 26,5-m-Kutters „Havel“, das dort als Museumsschiff genutzt wird, war von August bis Oktober 2024 eine Audiosammlung mit Berichten von Fischern, die auf den Kuttern der Serie gefahren sind, zu hören.[4][11]

Literatur

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  • Uwe Richter, Uwe Lorenzen: Der 26,5 m - Stahlkutter. - Fischerei- und Schiffbaugeschichte Mecklenburg-Vorpommers, in: Schriftenreihe Heft 4, Schiffahrtsgeschichtliche Gesellschaft Ostsee, Rostock, 1997
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Commons: 26,5-m-Kutter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k Uwe Richter: Der 26,5-m-Kutter, in: Modellbau heute, Heft 9/1989
  2. a b c d e f g Dietrich Strobel, Werner Ortlieb: Volkswerft Stralsund, Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg 1998, ISBN 3-7822-0727-0
  3. a b www.sassnitzer-hochseefischerei.de, Der 26,5-Meter-Kutter, abgerufen am 23. November 2024
  4. a b www.ostsee-zeitung.de, www.ostsee-zeitung.de: „Stehaufmännchen“ aus der DDR: Rügens Fischer lieben noch heute die 26,5-Meter-Kutter, 16. August 2024, abgerufen am 23. November 2024
  5. a b c d e Uwe Richter, Uwe Lorenzen: Der 26,5 m - Stahlkutter. - Fischerei- und Schiffbaugeschichte Mecklenburg-Vorpommers, in: Schriftenreihe Heft 4, Schiffahrtsgeschichtliche Gesellschaft Ostsee, Rostock, 1997
  6. fischerei-und-hafenmuseum.de, Museumskutter HAVEL, abgerufen am 23. November 2024
  7. www.sassnitzer-hochseefischerei.de, SAS 312 - nach Nebelkollision im Drogdenfahrwasser gesunken, abgerufen am 23. November 2024
  8. www.eo-ems.de, SAS312, abgerufen am 23. November 2024
  9. www.schiffsspotter.de, 26,5-Meter-Kutter Riesenhai, abgerufen am 23. November 2024
  10. www.eo-ems.de, SAS319, abgerufen am 23. November 2024
  11. www.sassnitz.de, „Oh dieser neue Kutter! – Stimmen an Bord der HAVEL Audioinstallation von Peter Moltmann auf dem Museumsschiff HAVEL“, 16. August 2024, abgerufen am 23. November 2024