Agnes Windeck

deutsche Schauspielerin

Agnes Windeck (* 27. März 1888 in Hamburg; † 28. September 1975 in West-Berlin; gebürtig Albertine Sophie Agnes Windel) war eine deutsche Bühnen-, Film- und Fernsehschauspielerin und Synchronsprecherin.

Agnes Windeck

Agnes Windeck wurde als Tochter des Hamburger Kaufmanns Wilhelm Windel und dessen Ehefrau Bertha, geborene Küster, als Albertine Sophie Agnes Windel geboren.[1] Sie begann ihre schauspielerische Laufbahn im Alter von 16 Jahren in Hamburg als Anni Windel.[2] Ab der Spielzeit 1904/05 war sie am Deutschen Schauspielhaus Hamburg zunächst für mehrere Spielzeiten als Darstellerin für kleine Rollen engagiert.[3][4][5][6] Mit Beginn der Spielzeit 1908/09 wechselte sie in das fest engagierte Damen-Ensemble des Deutschen Schauspielhauses.[7] Zur Spielzeit 1910/11 ging sie an das Königliche Hoftheater Hannover, wo sie ab der Spielzeit 1911/12 unter dem Namen Agnes Windel auftrat.[8][9] Am Königlichen Hoftheater spielte sie als „Jugendliche Naive“ ein „reiches Rollenfach“.[10] Sie trat dort u. a. als Gretchen in Faust, als Titania in Ein Sommernachtstraum und in der Titelrolle des Schauspiels Nora von Henrik Ibsen auf.[10] Im Alter von 24 Jahren heiratete sie 1912 in Hannover den jüdischen Porträtfotografen Emil Berlin-Bieber.[11][12] Nach der Eheschließung gab sie den Beruf zunächst auf.

Windeck nahm ab 1935 am „Theater der Jugend“ in Berlin den Schauspielberuf wieder auf und arbeitete ab 1938 zunächst bis 1945, und nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin bis 1948, als Schauspiellehrerin am Deutschen Theater,[10][13] zu ihren Schülern zählten u. a. Susanne Wisten, Klaus Schwarzkopf, Thomas Engel, Peter Podehl, Hans-Joachim Kulenkampff und Klaus Herm. Diese Arbeit setzte sie bis ins hohe Alter in ihrer Wohnung in Berlin, der ein eigenes Studio angegliedert war, fort. Sie stand 1944 in der Gottbegnadeten-Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.[14]

In der Spielzeit 1947/48 trat sie am Theater am Schiffbauerdamm auf.[15] In der Spielzeit 1949/50 spielte sie an der Tribüne Berlin.[16] Aufmerksamkeit erhielt sie erstmals in den 1950er Jahren durch das beliebte RIAS-Radiokabarett Die Insulaner in Berlin. Sie spielte ab Anfang der 1950er Jahre an fast allen West-Berliner Bühnen, u. a. am Schlosspark-Theater, am Schillertheater, an der Freien Volksbühne Berlin, am Renaissance-Theater, am Hebbel-Theater, an der Komödie Berlin und im Theater am Kurfürstendamm.

Ab Oktober 1961 spielte sie über zwei Jahre bis zur Spielzeit 1963/64 im Theater des Westens in der deutschsprachigen Erstaufführung des Musicals My Fair Lady in über 400 Vorstellungen die Mrs. Higgins.[17][2] In der Spielzeit 1966/67 spielte sie im Theater am Kurfürstendamm gemeinsam mit Käthe Haack in der Kriminalkomödie Zwei ahnungslose Engel von Erich Ebermayer, in der sie im Verlauf ihrer Karriere an verschiedenen Theatern in über 300 Vorstellungen auf der Bühne stand.[2][18] 1973 trat sie in der Berliner Wiederaufnahme von My Fair Lady in einer einzigen Vorstellung noch einmal als Mrs. Higgins auf und ersetzte kurzfristig die wegen der Rekonvaleszenz nach einem Bühnenunfall nicht zur Verfügung stehende Käthe Haack.[19]

Ab Ende der 1930er Jahre spielte sie zunächst sporadisch größere und kleinere Nebenrollen beim Film. Erst ab den 1950er Jahren wurde sie regelmäßiger besetzt und war bald sehr gefragt: sowohl in Edgar-Wallace-Krimis wie Der Zinker (1963), Der Bucklige von Soho (1966) und Der Hund von Blackwood Castle (1967) als auch in heiteren Komödien wie Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung (1968) und Die Herren mit der weißen Weste (1969).

Große Popularität erreichte sie mit der TV-Familienserie Die Unverbesserlichen (1966–1971), in der sie die Rolle der Oma Köpcke an der Seite von Inge Meysel spielte.

Auch arbeitete sie mit ihrer prägnanten und wiedererkennbaren Stimme als Synchron- und Hörspielsprecherin; unter anderem synchronisierte sie Margaret Rutherford (16 Uhr 50 ab Paddington, Hotel International, Auch die Kleinen wollen nach oben).

 
Das Ehrengrab von Agnes Windeck auf dem Waldfriedhof Heerstraße in Berlin-Westend

Agnes Windeck etablierte sich als Charakterdarstellerin und wurde zu einer der bekanntesten älteren Schauspielerinnen Deutschlands. Sie verkörperte exemplarisch den Typ der Komischen Alten, die gleichermaßen liebenswürdig wie lästig sein kann. Mehrere große Theater-, Film- und Fernsehrollen brachten ihr bundesweite Popularität und machten sie zu einem Publikumsliebling.

Im Mai 1975 stürzte sie in ihrer 2-Zimmer-Wohnung in Berlin-Wilmersdorf so unglücklich, dass sie nicht mehr alleine aufstehen konnte.[2] Nachdem die Feuerwehr die Wohnung geöffnet hatte, wurde Windeck zur Behandlung in die Innere Abteilung des Städtischen Wenckebach-Krankenhauses in Berlin-Tempelhof eingeliefert.[2] Sie erholte sich jedoch von den schweren Verletzungen, die sie erlitten hatte, nicht mehr vollständig.[2] Agnes Windeck starb am 28. September 1975 im Alter von 87 Jahren in Berlin an Herzversagen.[2][20]

Ihr Grab befindet sich auf dem landeseigenen Waldfriedhof Heerstraße (Grablage: 18-K-122) in Berlin-Westend.[21][22] Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte von Agnes Windeck seit 2004 als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung gilt für die übliche Frist von zwanzig Jahren, kann anschließend aber verlängert werden.[23]

Filmografie

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Kinofilme

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Fernsehen

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  • 1953: Ein Abend von Rias Berlin
  • 1953: Orient Express: The Red Sash
  • 1958: Windhund und Seehund
  • 1958: Mylord weiß sich zu helfen
  • 1959: Brave Diebe
  • 1960: Sie können’s mir glauben
  • 1960: Dr. Knock
  • 1960: 20 Minuten Aufenthalt
  • 1963: Meine Frau Susanne (5 Folgen)
  • 1964: Hofloge
  • 1965: Mrs. Cheney’s Ende
  • 1966: Unser Pauker (2 Folgen)
  • 1966–1971: Die Unverbesserlichen
  • 1966: 100 Jahre Kurfürstendamm
  • 1969: Zwei ahnungslose Engel
  • 1970: Mein Freund Harvey
  • 1970: Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte
  • 1971: Glückspilze
  • 1971: ...und sowas nennt sich Show
  • 1972: Rabe, Pilz und dreizehn Stühle
  • 1972: Eine Frau bleibt eine Frau

Synchronrollen (Auswahl)

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Quelle: Deutsche Synchronkartei[24]

Schauspielerin Film / Serie Rolle
Margaret Rutherford 16 Uhr 50 ab Paddington Miss Marple
Billie Burke Das Zauberhafte Land Glinda, die gute Hexe
Lee Patrick Bettgeflüster Mrs. Walters
Elizabeth Patterson Erbschaft um Mitternacht Susan Tilbury
Norma Varden Blondinen bevorzugt Lady Beekman
Kennwort Kätzchen Miss Pittford

Hörspiele (Auswahl)

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  • 1946: Paul Osborn: Galgenfrist (Die Großmama, Miss Nellie Northrup) – Regie: Hanns Korngiebel (RIAS Berlin)
  • 1949: Kurt Tucholsky: Schloß Gripsholm (Frau Anderson) – Regie: Friedrich Joloff (RIAS Berlin)
  • 1953: K. R. G. Browne: Sir Michaels Abenteuer – Regie: Rolf Purucker (RIAS Berlin)
  • 1958: Christian Bock: Zwei alte Damen feuern – Regie: Wolfgang Spier
  • 1959: Graham Greene: Ein peinlicher Unfall (Die Tante) – Regie: Curt Goetz-Pflug
  • 1960: Thierry: Pension Spreewitz (Die Maus in der Pension, Folge 68) – Regie: Ivo Veit (RIAS Berlin)
  • 1965: Ulrike Brückner: Berliner Rangen. Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin (Mutter von Gerd Range) (Geschichte Nr. 4 in 8 Folgen) – Regie: Ivo Veit (RIAS Berlin)
  • 1967: Alice Berend: Die Bräutigame der Babette Bomberling. Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin (Tante Adele) (Geschichte Nr. 7 in 10 Folgen) – Regie: Ivo Veit (RIAS Berlin)
  • 1967: Siegfried Lenz: Das Labyrinth (Marlies) – Regie: Fritz Schröder-Jahn (NDR/SDR)
  • 1967: Eduard von Keyserling: Abendliche Häuser (Baronin Egloff, Großmutter) – Regie: Fritz Schröder-Jahn (BR/ORF)
  • 1973: Gunnar Hagen Hartvedt: Verzeihung, darf ich mal telefonieren? (Molly Heyer) – Regie: Ulrich Lauterbach (HR)

Literatur

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  • Johann Caspar Glenzdorf: Glenzdorfs internationales Film-Lexikon. Biographisches Handbuch für das gesamte Filmwesen. Band 3: Peit–Zz. Prominent-Filmverlag, Bad Münder 1961, DNB 451560752, S. 1894/95.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 8: T – Z. David Tomlinson – Theo Zwierski. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 415 f.
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Commons: Agnes Windeck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Albertine Sophie Agnes Windel. Geburtsregister, Standesamt Hamburg 03 vom 31. März 1888, Nr. 1638. Abgerufen bei Ancestry.com am 21. März 2025.
  2. a b c d e f g Agnes Windeck. Nachruf. In: Honnefer Volkszeitung vom 30. September 1975. Seite 1. Abgerufen am 22. März 2025.
  3. Anni Windel. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Neuer Theater-Almanach 1905. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 16. Jg., Berlin 1905, S. 427 [Hamburg III] und S. 766 [Register].
  4. Anni Windel. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Neuer Theater-Almanach 1906. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 17. Jg., Berlin 1906, S. 407 [Hamburg III] und S. 750 [Register].
  5. Anni Windel. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Neuer Theater-Almanach 1907. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 18. Jg., Berlin 1907, S. 434 [Hamburg III] und S. 798 [Register].
  6. Anni Windel. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Neuer Theater-Almanach 1908. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 19. Jg., Berlin 1908, S. 398 [Hamburg III] und S. 786 [Register].
  7. Anni Windel. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Neuer Theater-Almanach 1909. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 20. Jg., Berlin 1909, S. 439 [Hamburg III] und S. 857 [Register].
  8. Anni Windel. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Neuer Theater-Almanach 1911. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 22. Jg., Berlin 1911, S. 482 [Hannover I] und S. 939 [Register].
  9. Agnes Windel. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Neuer Theater-Almanach 1912. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 23. Jg., Berlin 1912, S. 463 [Hannover I] und S. 932 [Register].
  10. a b c Agnes Windeck. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Deutsches Bühnenjahrbuch 1964. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 72. Jg., Hamburg 1964, S. 65 [Rubrik „Gedenktage und Jubiläen“].
  11. Anzeige als Vermählte in: Hamburger Fremdenblatt. 3. Oktober 1912, S. 4, (Digitalisat)
  12. Jüdische Mitbürger in Großhansdorf während der NS-Zeit. In: Der Waldreiter Nr. 5 vom 5. Mai 2005, S. 30.
  13. Agnes Windeck. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Deutsches Bühnenjahrbuch 1969. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 77. Jg., Hamburg 1969, S. 81 [Rubrik „Gedenktage und Jubiläen“].
  14. Windeck, Agnes. In: Theodor Kellenter: Die Gottbegnadeten : Hitlers Liste unersetzbarer Künstler. Kiel: Arndt, 2020, ISBN 978-3-88741-290-6, S. 420
  15. Reichhardt, Hans J. (u. a.): 25 Jahre Theater in Berlin: Theaterpremieren 1945–1970. Spitzing Verlag, Berlin, 1972. Seite 274.
  16. Reichhardt, Hans J. (u. a.): 25 Jahre Theater in Berlin: Theaterpremieren 1945–1970. Spitzing Verlag, Berlin, 1972. Seite 299.
  17. Reichhardt, Hans J. (u. a.): 25 Jahre Theater in Berlin: Theaterpremieren 1945–1970. Spitzing Verlag, Berlin, 1972. Seite 360.
  18. Reichhardt, Hans J. (u. a.): 25 Jahre Theater in Berlin: Theaterpremieren 1945–1970. Spitzing Verlag, Berlin, 1972. Seite 327.
  19. Naëmi Priegel: Geschichten einer Gauklerin. Seite 27/28. Verlag AT Edition 2005. ISBN 3-89781-077-8.
  20. Berlins Theaterlady kam aus Hamburg. Schauspielerin Agnes Windeck gestorben. In: Hamburger Abendblatt. Dienstag, 30. September 1975. S. 12. Abgerufen am 18. November 2019.
  21. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1. S. 497.
  22. Klaaus Nerger: Das Grab von Agnes Windeck. In: knerger.de. Abgerufen am 24. Mai 2021.
  23. Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: November 2018) (PDF, 413 kB), S. 93. Abgerufen am 18. November 2019. Zur Befristung auf zwanzig Jahre siehe: Ausführungsvorschriften zu § 12 Abs. 6 Friedhofsgesetz (AV Ehrengrabstätten) (PDF, 24 kB) vom 15. August 2007, Absatz 10. Abgerufen am 18. November 2019.
  24. Agnes Windeck. In: Deutsche Synchronkartei. Abgerufen am 5. Oktober 2016.