Die Akzidenz-Grotesk, früher Accidenz-Grotesk, kurz AG, ist eine Grotesk-Schrift, die 1898 von der H. Berthold AG herausgegeben wurde. Sie gilt als Meilenstein in der Schriftgestaltung. Zahlreiche Schrifttypen wie etwa die Helvetica wurden durch sie beeinflusst.

Akzidenz-Grotesk
Schriftart Akzidenz-Grotesk
Kategorie Sans-Serif
Schriftklassifikation Serifenlose Linear-Antiqua
Schriftgießerei H. Berthold AG
Veröffentlichung 1898
Beispiel
Schriftbeispiel für Akzidenz-Grotesk
Akzidenz-Grotesk in 4 Schnitten

Der Name Akzidenz-Grotesk bezieht sich auf den Akzidenzdruck, also Gelegenheitsdrucksachen geringer Auflage, die nicht in einem Verlag erscheinen. Grotesk ist eine frühe Bezeichnung für serifenlose Schriftarten.

Geschichte

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Die heutige Akzidenz-Grotesk geht auf eine Reihe ursprünglich unzusammenhängender Schriftschnitte zurück. Günter Gerhard Lange behauptete 2003 in einem Interview in der Zeitschrift Typografische Monatsblätter, dass der deutsche Schriftschneider Ferdinand Theinhardt (1820–1906) um 1880 vier Schnitte einer Serifenlosen unter dem Namen Royal-Grotesk für die Publikationen der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin schnitt. 1908 übernahm die H. Berthold AG die Theinhardtsche Schriftgießerei und integrierte angeblich die inzwischen sehr beliebte Royal in ihre Akzidenz-Grotesk-Schriftfamilie. Diese Theorie ist jedoch nicht bewiesen. Es fanden sich bisher keine Beispiele der Royal-Grotesk in Schriftmustern oder Anwendungen von 1880 bis 1908.

Nach heutigem Kenntnisstand entstand die Akzidenz-Grotesk bei Berthold. Der Normalschnitt der Akzidenz-Grotesk wurde 1898 erstmals vorgestellt. Eine ausführliche Gemeinschaftsanzeige mit Bauer & Co. Stuttgart – einer Schriftgießerei die Berthold 1897 übernahm – erschien 1899. Die Royal-Grotesk wurde 1903 von Berthold veröffentlicht. Bis 1909 folgten halbfette, fette und breite Schnitte. Ältere Groteskschriften aus dem Berthold Katalog, wie die Steinschrift und Bücher-Grotesk, wurden in die Familie integriert, die ab 1926 einheitlich unter dem Namen Akzidenz-Grotesk (nun mit ›k‹ geschrieben) angeboten wurde. Nur die magere Royal-Grotesk war bis in die 1960er Jahre unter ihrem alten Namen erhältlich, wurde aber als mit der Akzidenz-Grotesk Familie kompatibel kombinierbar beworben.

Generell muss bei der Akzidenz-Grotesk bedacht werden, dass die H. Berthold AG immer wieder Anteile an anderen Schriftgießereien gekauft, oder diese ganz übernommen hat. Folglich besteht die Möglichkeit, dass einzelne Schriftschnitte oder sogar einzelne Typenformen von Groteskschriften der übernommenen Betriebe stammen und die Akzidenz-Grotesk daher eher als Kondensat der Werke vieler anonym gebliebener (Mittel-)Europäischer Typografen und Schriftgießer zu verstehen ist, als das geniale Opus einer Einzelperson. Zum Ausdruck kommt dies darin, dass zwischen den einzelnen Schnitten der heutigen Akzidenz-Grotesk viele stilistische Inkonsistenzen wahrnehmbar sind.

Die Akzidenz-Grotesk wurde als Auszeichnungsschrift entworfen, da diese Art von Schrift für den damals an Bedeutung gewinnenden Anzeigendruck zunehmend gefragt war.

Vermarktung und Vertrieb – ungeklärte Rechtsnachfolge

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Die originale Akzidenz-Grotesk wurde 1898 von der 1858 gegründeten H. Berthold AG herausgebracht, die bereits 1900 die führende Schriftgießerei Deutschlands war. Sie war in der Entwicklung durchaus wegweisend, verlor aber in den 1980er Jahren ihren Vorsprung und meldete 1993 Konkurs an. Seitdem werden die Schriften von verschiedenen Anbietern vermarktet.

Die Chicagoer Berthold Types Ltd., eine jener Firmen, die die Kopierrechte an den Schriften der H. Berthold AG beansprucht, übernahm den Vertrieb der digitalen Schriftbibliothek von Berthold und hat mehrere neue Schriftschnitte unter der Anweisung von Günter Gerhard Lange herausgebracht, der zwar 1990 in Rente gegangen ist, aber bis zu seinem Tod 2008 als künstlerischer Berater arbeitete.[1] Dieses Unternehmen erweiterte die Akzidenz-Grotesk um Griechisch und Kyrillisch. Ebenfalls wurde eine Variante unter dem einstigen Namen Royal-Grotesk herausgebracht, die vier Schriftschnitte umfasst.

Ab 2008 begann Linotype die Berthold-Schriften im Webshop zu verkaufen.[2]

Verzeichnis der Akzidenz-Grotesk der H. Berthold AG[3][4][5]
Schnitt (Berthold-Name) Erstguss Schriftenentwurf
mager 1903 Hausschnitt
normal 1898 Hausschnitt
kursiv 1967 Günter Gerhard Lange
halbfett 1909 Hausschnitt
kursiv halbfett 1963 Günter Gerhard Lange
fett 1909 Hausschnitt
kursiv fett 1968 1) Günter Gerhard Lange
super 1968 Günter Gerhard Lange
schmalmager 1953 Hausschnitt
eng 1912 Hausschnitt
schmalhalbfett 1896 Hausschnitt
schmalfett 1896 Hausschnitt
extra 1958 Günter Gerhard Lange
kursiv extra 1968 Günter Gerhard Lange
extrafett 1966 Günter Gerhard Lange
Skelett 1914 Hausschnitt
breitmager 1911 Hausschnitt
breit 1908 Hausschnitt
breithalbfett 1963 2) Hausschnitt
breitfett 1957 Hausschnitt
kursiv breitfett 1957 1) Hausschnitt
Buch ultraleicht 1972 Günter Gerhard Lange
Buch kursiv ultraleicht 1972 Günter Gerhard Lange
Buch mager 1969 Günter Gerhard Lange
Buch kursiv mager 1972 Günter Gerhard Lange
Buch normal 1969 Günter Gerhard Lange
Buch kursiv 1969 Günter Gerhard Lange
Buch halbfett 1969 Günter Gerhard Lange
Buch kursiv halbfett 1972 Günter Gerhard Lange
Buch fett 1972 Günter Gerhard Lange
Buch kursiv fett 1972 Günter Gerhard Lange
Buch schmalmager 1972 Günter Gerhard Lange
Buch kursiv schmalmager 1973 Günter Gerhard Lange
Buch schmal 1972 Günter Gerhard Lange
Buch schmalhalbfett 1972 Günter Gerhard Lange
Buch schmalfett 1972 Günter Gerhard Lange
Buch breitmager 1972 Günter Gerhard Lange
Buch breit 1972 Günter Gerhard Lange
Buch breithalbfett 1972 Günter Gerhard Lange
Buch breitfett 1972 Günter Gerhard Lange
Buch halbfett licht 1980 Günter Gerhard Lange
Buch fett licht 1980 Günter Gerhard Lange
Buch Inline halbfett schattiert 19?? ?
Buch Rounded normal 1980 Günter Gerhard Lange
Buch Rounded halbfett 1980 Günter Gerhard Lange
Buch Rounded fett 1980 Günter Gerhard Lange
Buch Rounded schmalfett 1980 Günter Gerhard Lange
Buch Rounded halbfett licht 1980 Günter Gerhard Lange
Buch Rounded fett licht 1980 Günter Gerhard Lange
Buch Rounded schmalfett licht 1980 Günter Gerhard Lange
Buch White halbfett schattiert 19?? ?
Buch Stencil halbfett 1985 Günter Gerhard Lange
Old Face normal 1984 Günter Gerhard Lange
Old Face halbfett 1984 Günter Gerhard Lange
Old Face fett 1984 Günter Gerhard Lange
Old Face licht 1984 Günter Gerhard Lange
Old Face fett licht 1984 Günter Gerhard Lange
Old Face schattiert 1984 Günter Gerhard Lange
Schulbuch normal 1983 Hausschnitt
Schulbuch halbfett 1983 Hausschnitt
Serie 57 1959 Hausschnitt
Serie 57 kursiv 1967 Hausschnitt
Serie 58 halbfett 1959 Hausschnitt
enge (russisch)[6] 1927 Hausschnitt
1) Klingspor Museum, H. Berthold AG
2) Berthold Types nennt 1961, Berthold-Musterkartei nach DIN 16507 jedoch 1963

Einfluss

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Gestalter nachfolgender serifenloser Modelle bezogen sich häufig auf bereits bekannte Schriftformen.

Helvetica

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Die Akzidenz-Grotesk gilt als die Schrift, von der sich Max Miedinger bei der Gestaltung der Neuen Haas-Grotesk, die später in Helvetica umbenannt wurde, inspirieren ließ. Die Akzidenz-Grotesk und die Helvetica ähneln einander stark. Unterschiede finden sich beispielsweise bei den Zeichen a, c, C, G, J, R, Q, ?, 2 und 7. Weiterhin ist die Mittellänge der Helvetica größer.

   

Gleichzeitig mit der Helvetica kam 1957 auch die Folio auf den Markt. Sie gilt auch als von der Akzidenz-Grotesk beeinflusst, war aber nur wenig erfolgreich.

In der DDR war als ähnlichste Schrift die Maxima von Gert Wunderlich erhältlich. Dies lag daran, dass auf dem Gebiet der DDR anfangs nur Schriften der VEB Typoart und keine Schriften aus dem Westen verfügbar waren.

Theinhardt

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Das Schweizer Unternehmen Optimo brachte 2009 eine Grotesk unter dem Namen Theinhardt heraus, die von François Rappo gestaltet wurde und der Akzidenz-Grotesk äußerst ähnlich ist. Sie wurde vom New York Times Magazine als Auszeichnungsschrift eingesetzt.

Klassifikation der Schrift

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  • Nach DIN 16518 kategorisiert man die Akzidenz-Grotesk in der Gruppe VI – Serifenlose Linear-Antiqua
  • In der Klassifikation nach Formprinzip wird sie als statische Grotesk bezeichnet

Verwendung der Schrift (Beispiele)

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Commons: Akzidenz-Grotesk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Günter Gerhard Lange at MyFonts
  2. Linotype website
  3. Berthold Types, Berthold & Callwey, Berlin und München, 1985
  4. Schriftkartei nach DIN 16507, H. Berthold AG
  5. Handbuch der Schriftarten, Albrecht Seemann Verlag, Leipzig, o. J. (1926) und Nachträge
  6. Handbuch der Schriftarten, Albrecht Seemann Verlag, Leipzig, Nachtrag 1929, S. 19
  7. Nadine Schreiner: Vom Erscheinungsbild zum „Corporate Design“: Beiträge zum Entwicklungsprozess von Otl Aicher. Abgerufen am 6. September 2016.
  8. http://farm8.staticflickr.com/7198/6883581231_9bc8c08d28_b.jpg