Americanah

Roman von Chimamanda Ngozi Adichie (2013)

Americanah ist ein 2013 erschienener Roman der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie. Die gleichnamige deutsche Übersetzung erschien im April 2014. Inhalt der Romanhandlung sind die Erfahrungen von zwei jungen Nigerianern, die während der Zeit der Militärdiktatur unter Sani Abacha auswandern und Jahre später wieder nach Nigeria zurückkehren. Der Titel bezieht sich auf die in Nigeria übliche Bezeichnung für Rückkehrer aus den USA. Der Roman thematisiert Rassismus,[1] Entfremdung, die emotionale Bindung an Heimat und Familie und ist gleichzeitig eine Liebesgeschichte.

Chimamanda Ngozi Adichie (2009)

Adichie, die bereits zuvor mit angesehenen Literaturpreisen ausgezeichnet worden war, erhielt für ihren dritten Roman den National Book Critics Circle Award des Jahres 2013[2] und war für den Baileys Women’s Prize for Fiction des Jahres 2014 nominiert.[3] Von den Kritikern des New York Times Book Review wurde Americanah zu einem der besten zehn Romane des Jahres 2013 gewählt.[4] 2015 wurde dieser Roman von der BBC-Auswahl der besten 20 Romane von 2000 bis 2014 zu einem der bislang bedeutendsten Werke dieses Jahrhunderts gewählt.

Die Romanhandlung reicht bis in die 1990er Jahre zurück: Ifemelu und Obinze verlieben sich bereits während ihrer Schulzeit ineinander. Beide entscheiden sich jedoch angesichts der Lebensbedingungen unter der herrschenden Militärdiktatur, Nigeria zu verlassen. Es sind nicht Armut oder Kriegsbedingungen, die sie zum Auswandern zwingen, sondern die niederdrückende Unmöglichkeit, eigene Lebensträume unter fairen Bedingungen zu verwirklichen.[5]

Ifemelu erhält ein Stipendium, das ihr das Studium in den USA erlaubt. Ein legales Arbeiten ist ihr jedoch untersagt: Während ihres College-Studiums gelingt ihr nur mit Schwarzarbeit ein Überleben in einem Land, in dem erstmals ihre Hautfarbe von Bedeutung ist.

„Ich kam aus einem Land, wo Rasse keine Bedeutung hatte. Ich hatte mich selbst nie als Schwarze wahrgenommen. Zu einer Schwarzen wurde ich erst, als ich nach Amerika kam. Wenn du schwarz bist in Amerika und dich in eine weiße Person verliebst, dann ist Rasse bedeutungslos, solange du mit deinem Liebsten allein bist. Sobald du aber aus der Tür trittst, wird Rasse wichtig. Aber wir reden nicht darüber. Wir erzählen unserem weißen Partner nichts von all den kleinen Dingen, die uns nur noch nerven oder von den Dingen, von denen wir uns wünschten, dass sie sie besser verstehen. Wir sagen nichts, weil wir uns sorgen, dass sie uns erzählen, dass wir überreagieren oder dass wir zu empfindlich seien.“[6]

Sie muss in den Vereinigten Staaten erst erlernen, dass das Schwarzsein hier eine politisch-soziale Bedeutung hat, mit mangelndem Erfolg assoziiert ist, in der Rangfolge der Rassen am unteren Ende steht und schwarze Frauen ihre Haare mit Glätteisen und chemischen Mitteln glätten, um vom Mainstream akzeptiert zu werden.[7] Der Roman beginnt mit der Fahrt von Princeton in die heruntergekommene Nachbarstadt Trenton, da sich Frauen in Princeton nicht auf afrikanische Weise die Haare flechten lassen können.

Die Beziehung zwischen Ifemelu und Obinze übersteht zunächst auch die Trennung. Erst als Ifemelu in ihrer materieller Not gezwungen ist, sich zu prostituieren, bricht sie den Kontakt zu Obinze ab. Eine Liebesbeziehung zu einem Weißen verschafft Ifemelu letztlich die Green Card, die ihr ein legales Arbeiten ermöglicht. Bekannt wird sie durch ihren Blog: In „Raceteenth – oder Ein paar Beobachtungen über schwarze Amerikaner (früher als Neger bekannt) von einer nicht-amerikanischen Schwarzen“ thematisiert sie den alltäglichen Rassismus, den sie erlebt. Chimamanda Ngozi Adichie nutzt dies, um in kurzen Essays den unterschwelligen Rassismus in den Vereinigten Staaten zu kommentieren, wie beispielsweise in folgendem, in dem sie erneut die Haartracht als Metapher für Rassismus aufgreift:

 
Michelle Obama (2013) mit geglätteten Haaren

„Weiße Freundin und ich sind Groupies von Michelle Obama. Neulich sagte ich zu ihr, dass ich mich frage, ob Michelle Obama sich Haare habe einflechten lassen, ihr Haar sehe heute voller aus und die ganze Hitze jeden Tag müsse das Haar ja geschädigt haben. Und sie sagt – Du meinst, ihr Haar wächst nicht so? So, bin ich das oder ist das nicht die perfekte Metapher für Rassismus hier in Amerika? Haare. Jemals über diese Shows nachgedacht, wo sie im Fernsehen jemanden komplett überholen: Wie die schwarzen Frauen im hässlichen „Vorher“-Foto immer natürliches Haar haben (kraus, kruschelig, drahtig verdreht oder lockig) und im niedlichen „Nachher“-Foto ihnen jemand mit einem heißen Eisen die Haare glatt gebügelt hat? Und wie einige schwarze Frauen, egal ob Afroamerikanerinnen oder eingewanderte Afrikanerinnen, eher nackt durch die Straße laufen würden als sich öffentlich mit ihrem natürlichen Haar zu zeigen? Weil es ja nicht professionell, kultiviert, was auch immer, jedenfalls weil es nicht normal ist.“[8]

Trotz ihres Erfolgs als Bloggerin entscheidet sich Ifemelu letztlich dafür, nach Nigeria zurückzukehren, obwohl sie den amerikanischen Lebenstraum verwirklicht zu haben scheint.

Obinze, Sohn einer nigerianischen Professorin, plante ursprünglich, sich Ifemelu anzuschließen und ebenfalls in den USA zu studieren. Die veränderten Einwanderungsbedingungen nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 machen ihm dies jedoch unmöglich. Er geht mit einem Touristenvisum nach Großbritannien, taucht dort in die Illegalität ab und erlebt all die Brutalität und Unsicherheit eines solchen Lebens. Mit der geborgten Sozialversicherungskarte eines Bekannten („Für Weiße sehen wir alle gleich aus“[9]) putzt er Lagerhäuser und Toiletten. Als er eine Scheinehe eingehen will, um sich sein Bleiberecht zu sichern, wird er vor dem Standesamt festgenommen und schließlich abgeschoben. Er scheint als Verlierer nach Nigeria zurückzukehren. Eine Kette von Zufällen erlaubt es ihm jedoch, als Entwickler von Bauland erfolgreich zu werden. Ifemelu und Obinze finden schließlich wieder zueinander.

Rezensionen

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Americanah, der in den USA von Kritikern und Lesepublikum so positiv aufgenommen wurde, erhielt auch in mehreren namhaften deutschsprachigen Tageszeitungen und Magazinen überwiegend positive Besprechungen. Hannah Pilarczyk bezeichnete in ihrer Besprechung für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel das Werk als Ausnahmeroman, nennt die Figur Ifemelu eine bis in das kleinste Detail stimmige Protagonistin und findet Adichies Roman ein gelungeneres Werk als Taiye Selasis kurz zuvor erschienenen Roman Diese Dinge geschehen nicht einfach so, der in ähnlicher Weise das Leben der sogenannten Afropolitans thematisiert.[10] Ähnlich positiv ist Ijoma Mangold in seiner Zeit-Kritik gestimmt. Er spricht davon, dass Adichie die Handlung mit bewundernswerter Brillanz entfalte.[11] Dana Buchzik sieht Adichies Roman in ihrer Besprechung für die Süddeutsche dagegen kritischer: Die eingeschobenen Blog-Einträge seien auf Dauer ermüdend, der soziologisch-kritische Blick Adichies zu überzogen:

„Chimamanda Ngozi Adichies dritter Roman, […] strotzt vor scharfsinnigen Analysen, krankt jedoch an seinen thematischen Ambitionen. Die 36-jährige Autorin greift so viele Inhalte auf, dass sie nur wenigen gerecht werden kann: Postkoloniale Diskurse, die Macht des christlichen Glaubens in Nigeria, Depression, Lagos Girls, bestechliche Journalisten, Feminismus, Militärdiktatur und Wirtschaftsbetrug, Schwächen des Bildungssystems, Suizidversuch eines Familienmitglieds, alltäglicher Rassismus, Liebe und Verrat, und nicht zuletzt die Scheinheiligkeit zeitgenössischer Literatur.“[12]

Katharina Granzin sieht in ihrer insgesamt positiven Besprechung, die in der „Tageszeitung“ erschien, durchaus eine Nähe zu Lifestyle-Literatur gegeben, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass schwarze amerikanische Lifestyle-Literatur etwas Neues sei. Für sie ist der Erfolg des Romanes, der Donna Tartts gehypten Roman Der Distelfink bei den National Book Critics Circle Award auf den zweiten Platz verwies, auch ein Indiz dafür, wie sich die US-amerikanische Gesellschaft unter der Präsidentschaft von Barack Obama verändert hat.[13]

Ausgaben

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Rezensionen und Interviews

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Einzelbelege

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  1. Subashini Navaratnam: Race-in-America Is a Central Character in 'Americanah'. In: PopMatters. 9. August 2013, abgerufen am 24. Juni 2014.
  2. Kirsten Reach: NBCC finalists announced. In: Melville House Books. 14. Januar 2014, archiviert vom Original am 8. Januar 2017; abgerufen am 14. Juni 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mhpbooks.com
  3. Mark Brown: Donna Tartt heads Baileys women's prize for fiction 2014 shortlist. In: The Guardian. 7. April 2014, abgerufen am 14. Juni 2014.
  4. New York Times: The 10 Best Books of 2013 In: The New York Times, 4. Dezember 2013. Abgerufen am 24. Juni 2014 
  5. Adichie: Americanah, Harper Collins Publishers, London 2013, ISBN 978-0-00-730622-0, S. 276. Im Original spricht Adichie von the oppressive lethargy of choicelessness.
  6. Adichie: Americanah, Harper Collins Publishers, London 2013, ISBN 978-0-00-730622-0, S. 291. Im Original lautet das Zitat: I came from a country where race was not an issue; I did not think of myself as black and I only became black when I came to America. When you are black in America and you fall in love with a white person, race doesn't matter when you're alone togehter because it's just you and your love. But the minute you step outside, race matters. But we don't talk about it. We don't even tell our white partners the small things that piss us off and the things we wish they understood better, because we're worried they will say we're overreacting, or we're being too sensitive.
  7. Stefanie Reuter: Becoming a Subject: Developing a Critical Consciousness and Coming to Voice in Chimamanda Ngozi Adichie's Americanah. In: Anja Oed (Hrsg.): Reviewing the Past, Negotiating the Future: The African Bildungsroman. 2015 (ssrn.com).
  8. Adichie: Americanah, Harper Collins Publishers, London 2013, ISBN 978-0-00-730622-0, S. 296. Im Original lautet das Zitat: White Girlfriend and I are Michelle Obama Groupies. So the other day I say to her - I wonder if Michelle Obama has a weave, her hair looks fuller today, and all that heat every day must damage ist. And she says - you mean her hair doesn't grow like that? So isit me or is that the perfect metaphor for race in America right there? Hair. Ever notice makeover shows on TV, how the black woman has natural hair (coarse, coily, kinky, or curly) in the ugly „before“ picture and in the pretty „after“ picture, somebody's taken a hot piece of metal and singed her hair straight? Some black women, AB and NAB, would rather run naked in the street than come out in public with their natural hair. Because, you see, it's not professional, sophisticated, whatever, it's just not damn normal.
  9. Adichie: Americanah, Harper Collins Publishers, London 2013, ISBN 978-0-00-730622-0, S. 120.
  10. Kulturseite des Spiegels: Ausnahme-Roman „Americanah“: Einmal USA und zurück, aufgerufen am 25. Juni 2014
  11. Die Zeit vom 24. Mai 2014: Ich bin nicht schwarz., aufgerufen am 25. Juni 2014
  12. Süddeutsche vom 4. Juni 2014: Welche Farbe hat eigentlich Hautfarbe?: Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie, aufgerufen am 25. Juni 2014
  13. Sisterlocks oder Microbraids?, taz, 31. Mai 2014, aufgerufen am 26. Juni 2014
  14. Grube in der Übersetzer-Datenbank des VdÜ, 2019