Nach dem Biot-Savart-Gesetz existiert um einen stromdurchflossenen Leiter ein Magnetfeld und auf einen zweiten stromdurchflossenen Leiter bewirkt dies eine Lorentzkraft, also üben zwei stromdurchflossene Leiter eine Kraft aufeinander aus. Diese Beziehung wird in der Literatur auch als ampèresches Kraftgesetz bezeichnet – nicht zu verwechseln mit dem ampèreschen Gesetz (welches auch Durchflutungsgesetz genannt wird).[1]

Der obere Draht mit Stromstärke I1 erfährt eine Lorentzkraft F12 aufgrund des Magnetfelds B2, das der untere Draht erzeugt. (Der spiegelbildliche Sachverhalt für die Lorentzkraft auf den unteren Draht ist nicht eingezeichnet.)

Historische Entwicklung

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Nachdem Hans Christian Oersted Anfang 1820 aufzeigte, dass ein stromdurchflossener Draht eine Kompassnadel beeinflusst, also ein Magnetfeld besitzt, und Jean-Baptiste Biot und Félix Savart noch im selben Jahr dazu die Beziehung zwischen Stromfluss und Magnetfeld (Biot-Savart-Gesetz) formulierten,[2][3] entdeckte André-Marie Ampère im gleichen Jahr, dass zwischen parallelen Strömen eine Kraft auftritt. Er stellte sein Gesetz dazu 1826 in seinem Werk Théorie mathématique des phénomènes électro-dynamiques uniquement déduite de l'expérience in differentieller Form auf.[4] Obwohl sich Ampères differentielle Fassung von der heute gebräuchlichen differentiellen Fassung durch Hermann Graßmann unterscheidet, geben beide die experimentellen Beobachtungen richtig wieder. Der Grund liegt darin, dass in der Realität immer geschlossene Stromkreise vorliegen, was in der integralen Fassung beider Formulierungen zum selben Ergebnis führt.[4][5] Im Folgenden wird die heute gebräuchliche Formulierung nach Graßmann verwendet, obwohl die Formulierung nach Ampère den Vorzug hat, dass sie auch in ihrer differentiellen Form mit dem Wechselwirkungsgesetz verträglich ist, was für Graßmanns Formulierung nicht gilt. Letztere hat aber den Vorteil, dass sie sich heute leicht aus dem Biot-Savart-Gesetz und der Lorentzkraft herleiten lässt.[6]

Integralformel für zwei dünne Leiter

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Verwendet man die differentielle Formulierung von Graßmann und integriert sie, ergibt sich für die Kraft  , die vom stromdurchflossenen dünnen Leiter 2 auf den stromdurchflossenen dünnen Leiter 1 ausgeübt wird:

 

wobei

  •   die magnetische Feldkonstante ist,
  •   und   die Stromstärken in Leiter 1 bzw. 2 sind,
  •   und   die (infinitesimal kleinen) vektoriellen Linienelemente am Ort   bzw.   (also  ) der beiden Leiter sind, über die im doppelten Linienintegral längs der Kurven   und   integriert wird,
  •   der Vektor ist, der vom Ort des Linienelements des Leiters 2 zum Ort des Linienelements des Leiters 1 zeigt,
  •   der Abstand zwischen den beiden Linienelementen ist,
  •   das Zeichen für das Kreuzprodukt (Vektorprodukt) ist und
  • die Stromstärken   bzw.   im Leiter 1 bzw. Leiter 2 konstant sind. Ihre Vorzeichen sind relativ zur Orientierung von   bzw.   zu betrachten; wenn also   ist, zeigt das Linienelement   immer in Richtung der technischen Stromrichtung, worauf bei der Parametrisierung der Kurven   geachtet werden muss.

Für die Kraft  , die vom stromdurchflossenen dünnen Leiter 1 auf den stromdurchflossenen dünnen Leiter 2 ausgeübt wird, gilt nach dem Wechselwirkungsgesetz:  

Voraussetzungen für die Gültigkeit der Formel:

  • Die Drähte sind ungeladen.
  • Die Stromstärke durch die Drähte ist konstant.
  • Die Drähte sind (ideal) dünn[7] und bewegen sich nicht.

Symmetrische Formulierung

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Unter der Annahme, dass die Drähte zusätzlich geschlossen sind, kann man die Integralformel weiter vereinfachen. Man erhält eine symmetrischere Form, indem man den Integranden mit Hilfe der Graßmann-Identität umschreibt: 

Der zweite Term enthält eine totale Ableitung und trägt daher zum geschlossenen Linienintegral nicht bei.

 

Es ergibt sich für das Kraftgesetz:

 

Differentielle Formulierungen

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Differentielle Formulierung nach Graßmann:

  [8]

Löst man das doppelte Kreuzprodukt mit der Graßmann-Identität auf, ergibt sich:

  [5]

Differentielle Formulierung nach Ampère:

  [5]

wobei   hier das Zeichen für das Skalarprodukt ist.

Nun gilt  , denn  , und der Ausdruck in der Klammer ist symmetrisch unter Vertauschung der Indizes. Das heißt, bereits die differentielle Form   ist mit dem Wechselwirkungsgesetz verträglich, wohingegen dies für   nicht gilt.

Verknüpfung von Lorentzkraft und Biot-Savart

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Für die Lorentzkraft auf den dünnen stromdurchflossenen Leiter 1 gilt:

 , wobei   das Magnetfeld des stromdurchflossenen Leiters 2 am Ort   ist

Nach dem Gesetz von Biot-Savart gilt unter der Voraussetzung, dass Leiter 2 dünn ist:[9]

 

Setzt man   in die obere Formel ein, ergibt sich:

 

Und nach Herausziehen des skalaren und konstanten Faktors   folgt also:

 

Da Integral und Kreuzprodukt lineare Operatoren sind, gilt damit (absolute Integrierbarkeit vorausgesetzt):

  [10]

Spezialfall für parallele Leiter

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Veranschaulichung der historischen Definition des Ampere (1948–2019)

Wenn die beiden Leiter gerade, dünn, parallel und unendlich lang sind, ergibt sich für den Betrag   der aufeinander wirkenden Kräfte   bzw.  :

 

Dabei ist   die Kraft   bezogen auf ein Leiterstück der Länge  ,   der Abstand der Leiter, und   bzw.   sind die Stromstärken in Leiter 1 bzw. 2. Bis 2019 war das Ampere so definiert, dass bei Strömen I1 = I2 = 1 A die Kraft pro Leiterstück 2·10−7 N/m beträgt, also generell:

 

Seit der Revision des SI gilt diese Beziehung nicht mehr exakt, aber in extrem guter Näherung.

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Einzelnachweise

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  1. Der deutschsprachige Ausdruck „Ampère’sches Kraftgesetz“ kommt in der aktuellen Literatur und Lehre vor, siehe z. B. Elektrodynamik (Dietmar Petrascheck, Franz Schwabl, Springer, 2. Auflage (2014)) oder Das Ampere’sche Gesetz (Skript, siehe #Weblinks), allerdings vergleichsweise selten, denn eine Google-Suche nach dem Begriff ergab z. B. nur 58 Treffer. Das englische Pendant „Ampère’s force law“ dagegen ist viel gebräuchlicher, der Ausdruck liefert über 2000 Treffer und hat seit Februar 2008 einen eigenen (englischen) Wikipedia-Artikel. Jeweils abgerufen am 19. Mai 2016.
  2. This Month in Physics History – July 1820: Oersted and electromagnetism (Artikel auf www.aps.org, abgerufen am 21. Mai 2016)
  3. Artikel zu Félix Savart (www-groups.dcs.st-and.ac.uk, abgerufen am 21. Mai 2016)
  4. a b EVOLUTION OF ELECTROMAGNETICS IN THE 19TH CENTURY (Artikel auf www.ee.bgu.ac.il)
  5. a b c Equivalence Between Ampère’s and Grassmann’s Forces (IEEE Transactions on Magnetics, Vol. 32, No. 2, March 1996)
  6. Der Begriff der Lorentzkraft wurde aber erst 1895 etabliert, siehe Lexikon der Physik: Lorentz (www.spektrum.de)
  7. Beim Integral wird der Draht als Kurve (Mathematik) angesehen.
  8. siehe auch BIPM SI Units brochure, 8th Edition, S. 105
  9. siehe Biot-Savart Law (hyperphysics.phy-astr.gsu.edu, abgerufen am 19. Mai 2016)
  10. Tai L. Chow: Introduction to electromagnetic theory: a modern perspective. Jones and Bartlett, Boston 2006, ISBN 0-7637-3827-1, S. 153 (google.com).