Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024

Anschlag in Deutschland

Beim Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am Alten Markt am Abend des 20. Dezember 2024 auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt wurden mindestens vier Menschen getötet und mindestens 200 Menschen verletzt. Der mutmaßliche Täter Taleb Jawad Al Abdulmohsen, ein 50-jähriger Saudi-Araber, steuerte einen gemieteten BMW durch die Absperrungen in den Markt und mit hoher Geschwindigkeit durch die dort angesammelte Menschenmenge. Er wurde von der Polizei unmittelbar nach der Tat gefasst.[1][2][3]

Tathergang

Am 20. Dezember 2024 um 19:04 (MEZ) fuhr ein Fahrer mit einem schwarzen BMW-Mietwagen mit Münchener Kennzeichen, der den Berichten zufolge kurz vor dem Angriff gemietet worden war, mit hoher Geschwindigkeit durch die Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt.[1][2][3] Nach Angaben der Polizei fuhr das Fahrzeug mindestens 400 Meter weit durch die Menschenmenge. Ein in den sozialen Medien verbreitetes Überwachungsvideo zeigt die Amokfahrt. Der Fahrer des Fahrzeugs wurde anschließend außerhalb des Weihnachtsmarktes an der Straßenbahnhaltestelle Allee-Center festgenommen.[4] Es gelang dem Täter, unbehelligt in den Weihnachtsmarkt hinein, durch ihn hindurch und wieder aus ihm herauszufahren. Entgegen ersten Berichten fand die Polizei keinen Sprengsatz im Tatauto.[3]

Opfer

Der Anschlag forderte mindestens vier Tote – darunter ein Kleinkind – sowie mindestens 200 Verletzte, davon 41 Schwerstverletzte.[1][2][3]

Mutmaßlicher Täter

Nach Informationen des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), seiner Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) sowie Welt und dem Spiegel handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um Taleb Al Abdulmohsen (bzw. Taleb Jawad al-Abdulmohsen[5]), einen 50-jährigen Saudi, der in Bernburg ansässig ist und als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Maßregelvollzug dort in einer Klinik gearbeitet habe. Der mutmaßliche Täter sei im März 2006 nach Deutschland eingewandert, im Juli 2016 als Flüchtling anerkannt worden und verfüge über eine Niederlassungserlaubnis und damit einen Aufenthaltstitel. Der festgenommene Verdächtige ist den deutschen Behörden nach Informationen aus Sicherheitskreisen nicht als Islamist bekannt gewesen.[6][3][1][7]

In den Medien tritt A. als ex-muslimischer Islamkritiker auf.[6] Im Jahr 2019 hatte er der Frankfurter Rundschau und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Interviews gegeben, in denen er als Fluchthelfer vorgestellt wird.[8][9] In diesen sagt er über sich: „Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte. […] Es gibt keinen guten Islam.“[9] Der Spiegel berichtete 2019 ebenfalls über ihn; über sein Webforum wearesaudis.net und X verhelfe er anderen zur Flucht aus Saudi-Arabien nach Deutschland.[10][11] Auf X postete A. ein Maschinengewehr als Profilbild[5] sowie „Deutschland verfolgt saudische Asylbewerberinnen innerhalb und außerhalb Deutschlands, um ihr Leben zu zerstören“ und „Deutschland will Europa islamisieren“.[6] In einem Videointerview, das acht Tage vor der Tat in einem islamfeindlichen US-Blog erschien, verbreitet A. über 45 Minuten Theorien, nach denen der deutsche Staat eine „verdeckte Geheimoperation“ betreibe, um weltweit saudische Ex-Muslime „zu jagen und ihr Leben zu zerstören“, aber gleichzeitig syrische Dschihadisten in Deutschland Asyl erhielten.[3] A. teilte auch ähnliche rechtsideologische Inhalte, darunter Inhalte von Alice Weidel, des Verschwörungstheoretikers Alex Jones und Elon Musk.[3] Zudem verbreitete er u. a. ein Nius-Interview mit Weidel, ein Video der rechten Influencerin Naomi Seibt, einen Beitrag des zur Querdenkerszene zählenden Anwalts Markus Haintz sowie Beiträge von Donald Trump und rechtsextremen Accounts. Im Mai 2024 schrieb er: „Ich erwarte ernsthaft, dass ich dieses Jahr sterben werde. Der Grund: Ich werde um jeden Preis für Gerechtigkeit sorgen. Und die deutschen Behörden behindern jeden friedlichen Weg zur Gerechtigkeit.“ Wenige Minuten vor dem Anschlag postete er weitere Videos. In einem davon sagte A.: „Die Polizei selbst ist der Verbrecher. In diesem Fall halte ich die deutsche Nation, halte ich die deutschen Bürger für verantwortlich für das, was mir bevorsteht.“[12] Mehrere bekannte Funktionäre der AfD und deren Jugendorganisation Junge Alternative folgten dem X-Kanal des Attentäters.[3]

Reaktionen

Einordnung als Anschlag

Bereits wenige Stunden nach dem Ereignis berichteten mehrere Medien übereinstimmend, dass von einem Anschlag auszugehen sei.[1][2][3] Rolf Tophoven behauptete kurz danach bei Die Welt, der Anschlag sei sorgfältig geplant und basierend auf dem mutmaßlichen Täter als wahrscheinlich militant islamistischen bzw. dschihadistischen Terrorakt einzuordnen.[13] Einige Stunden nach dem Anschlag, nachdem Medien über die mutmaßliche Identität des Täters berichteten, wurde diese These als unwahrscheinlich eingeschätzt. Vielmehr deutete die Beleglage laut Berichterstattung darauf hin, dass es sich bei dem Täter um einen politisch rechts eingestellten, ex-muslimischen Extremisten handelt.[12]

Kritik am Sicherheitskonzept

Angesichts der auf allen Weihnachtsmärkten erhöhten Sicherheitsvorkehrungen infolge des Anschlages auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016, unter anderem durch Straßensperren aus Beton und Stahl, kritisierten Terrorismusexperten wie Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project gravierende Mängel im Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes, nach dem ein Eindringen mit PKW oder LKW in geschützte Bereiche mit großen Menschenmengen eigentlich unmöglich sein sollte.[14][15]

Deutschland

Die deutsche Bundes- und Landespolitik reagierte mit Bestürzung und Beileidsbekundungen auf den Vorfall. In Amt stehende Spitzenpolitiker in Deutschland sprachen den Opfern und Angehörigen ihr Mitgefühl bzw. Beileid sowie den Rettungskräften ihren Dank aus.[16] Ministerpräsident Reiner Haseloff reiste noch am Abend nach Magdeburg an den Ort des Anschlags.[1][7]

Es wurde auf den Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 hingewiesen, bei dem 13 Menschen starben und 67 verletzt wurden. Die Sprecherin der Opfer und Hinterbliebenen des damaligen islamistischen Anschlags äußerte, dieser Anschlag wirke 1:1 wie damals auf dem Breitscheidplatz.[17]

Saudi-Arabien

Das saudi-arabische Außenministerium erklärte, dass die saudi-arabische Regierung den mutmaßlichen Anschlag verurteile und bekundete „ihre Solidarität mit dem deutschen Volk und den Familien der Opfer“ in einem Schreiben auf X.[3]

International

Das New York City Police Department erhöhte als Vorsichtsmaßnahme und als Reaktion auf den Vorfall in Deutschland die Sicherheitsvorkehrungen auf den Weihnachtsmärkten in New York City.[18]

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zeigte sich auf X „schockiert“ und versicherte: „Wir stehen eng an der Seite unserer deutschen Freunde!“ Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zeigte sich „fassungslos“ und teilte mit, dass nach solch dramatischen Ereignissen selbstverständlich auch in Österreich eine aktuelle Lagebeurteilung erfolge.[19]

Siehe auch

Commons: Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Stephanie Kirchgaessner: Liveticker: Anschlag auf Weihnachtsmarkt Magdeburg. In: mdr.de. 20. Dezember 2024, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  2. a b c d Auto fährt auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg in Menschengruppe. In: tagesschau.de. Abgerufen am 20. Dezember 2024.
  3. a b c d e f g h i j Magdeburg – Livenews: Autofahrer fährt in Menschenmenge – Behörden gehen von Anschlag aus. In: Der Spiegel. 20. Dezember 2024, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  4. Der MDR hat ein Video von der Verhaftung des mutmaßlichen Täters veröffentlicht. In: faz.net. 20. Dezember 2024, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  5. a b Saudischer Islamkritiker, Fan von AfD und Elon Musk: Verstörende Details zum Täter von Magdeburg, auf tagesspiegel.de, 20. Dezember 2024.
  6. a b c Robert Tannenberg, Frederik Schindler, Lennart Pfahler: Anschlag auf Weihnachtsmarkt: Er ist Arzt, seit 2006 in Deutschland – Was wir über den Attentäter von Magdeburg wissen. In: Welt. Abgerufen am 20. Dezember 2024.
  7. a b Pressekonferenz: Ministerpräsident Haseloff zum mutmaßlichen Anschlag in Magdeburg. In: mdr.de. 20. Dezember 2024, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  8. „Das Asylsystem ist ein Weg in die Freiheit“. In: fr.de. 13. März 2019, abgerufen am 21. Dezember 2024.
  9. a b Fluchthelfer gegen Saudi-Arabien: Sie verfolgen jede einzelne Frau. In: faz.net. 14. Juni 2019, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  10. Marc Röhlig, Yannick von Eisenhart Rothe: Saudi-Arabien: Männer überwachen Frauen mit "App – die diese nun nutzen, um zu fliehen. In: Der Spiegel. 13. Februar 2019, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  11. The website helping ex-Muslims flee the Gulf. 6. Juli 2019, abgerufen am 21. Dezember 2024 (britisches Englisch).
  12. a b Magdeburg nach der Todesfahrt: Schock, Wut – und die Frage nach dem Motiv. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland, 21. Dezember 2024. Abgerufen am 21. Dezember 2024.
  13. Rolph Tophoven: MAGDEBURG: "Perfekt geplanter Anschlag" Terrorismus-Experte Tophoven schätzt aktuelle Lage ein. In: Welt. 20. Dezember 2024, abgerufen am 21. Dezember 2024.
  14. Anschlag in Magdeburg: "So etwas sollte nicht passieren". In: ZDFHeute. 20. Dezember 2024, abgerufen am 21. Dezember 2024.
  15. heute journal spezial vom 20. Dezember 2024. In: zdf.de. 20. Dezember 2024, abgerufen am 21. Dezember 2024.
  16. Magdeburg: Stimmen zum mutmaßlichen Anschlag auf Weihnachtsmarkt. In: Der Spiegel. 20. Dezember 2024, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  17. Mindestens zwei Tote bei Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt – Verdächtiger offenbar nicht als Islamist bekannt. In: RedaktionsNetzwerk Deutschland. 20. Dezember 2024, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  18. Dozens feared injured after vehicle plows into crowd at Christmas market in Germany. In: nbcnews.com/. NBC News, 19. Dezember 2024, abgerufen am 20. Dezember 2024.
  19. Magdeburger Adventmarkt: Tote, Verletzte nach mutmaßlichem Anschlag. In: orf.at. 20. Dezember 2024, abgerufen am 20. Dezember 2024.

Koordinaten: 52° 7′ 53,6″ N, 11° 38′ 19,1″ O