Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft
Eine Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (abgekürzt AWG) war in der DDR der Zusammenschluss von Beschäftigten in Betrieben und Institutionen zu einer sozialistischen Genossenschaft, mit dem Zweck der Errichtung, Erhaltung und Verwaltung von Wohnungen als genossenschaftliches Eigentum. Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften wurden unter anderem mit zinslosen Krediten staatlich gefördert. Die Mitglieder erbrachten Arbeitsleistungen und erwarben Genossenschaftsanteile. Neben der AWG gab es aus der Zeit vor 1945 noch eine weitere Genossenschaftsform: die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft (GWG).[1]
Geschichte
BearbeitenBereits in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bemühten sich Gewerkschafter und Sozialdemokraten um die Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeiterfamilien. Es bildeten sich in größeren und kleineren Städten des Deutschen Reiches Wohnungsbaugenossenschaften, die durch Anlegen von Spargroschen zahlreicher Mitglieder die Startsumme zum Bau von Arbeiterwohnungen zusammenbrachten. Durch Unterstützung von SPD-Bürgermeistern oder wenigstens starken SPD-Fraktionen in den jeweiligen Stadträten, durch die Aufnahme von Krediten und Gewährung von Subventionen konnten erste Projekte realisiert werden.
Nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Protesten im Juni 1953[2] wurde auf Beschluss des Ministerrats der DDR vom 10. Dezember 1953[3] die „Verordnung über die weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und der Rechte der Gewerkschaften“[4] über die Zulassung der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften als freiwilliger Zusammenschluss von Arbeitern, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz zum genossenschaftlichen Bau und Erhalt von Wohnungen erlassen.[5][6]
Der Staat unterstützte die Genossenschaften durch unentgeltliche Bereitstellung von Bauland[7], Übernahme der Erschließungsarbeiten und zinslose Kredite in Höhe von bis zu 85 % der Baukosten. Am 4. März 1954 verabschiedete der Ministerrat der DDR hierzu die Verordnung über die Finanzierung des Arbeiterwohnungsbaues[8] sowie ein Musterstatut für eine Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft[9]. Die Regelungen wurden entsprechend vom Magistrat im Ostteil Berlins übernommen. In einer Anordnung vom 22. Oktober 1954 wurde Bildung eines speziellen Prüfungsverbandes für Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften beschlossen.[10]
Zu den ersten Genossenschaften zählte die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft des volkseigenen Betriebes Transformatoren- und Röntgenwerk in Dresden (kurz AWG TuR – heute Sächsische Wohnungsgenossenschaft Dresden eG, gegründet am 24. März 1954[11][12]) sowie die AWG der Warnowwerft in Rostock[13] (heute Wohnungsgenossenschaft Warnow Rostock-Warnemünde e.G., gegründet am 4. April 1954[14]). Ebenso wurde die Wohnungsbaugenossenschaft Köpenick Nord gegründet.
Die Verteilung der Wohnungen erfolgte differenziert nach Familiengröße, Reihenfolge des Eintritts, Wohnsituation und persönlichen Erfordernissen der Mitglieder, aber auch nach deren Leistungen am Arbeitsplatz und deren gesellschaftlicher Mitarbeit.[15] Da die AWG zumeist nach Betriebseinheiten organisiert und formiert waren, bestand ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Arbeitsplatz und Erhalt einer Wohnung.
1988 gab es in der DDR etwa eine Million AWG-Wohnungen. 1990 wurden die AWG-Statuten dem Genossenschaftsrecht der Bundesrepublik angepasst, die Genossenschaften blieben erhalten. Die tatsächlich vor 1990 errichteten Gebäude werden seither als Altneubau geführt.
Die Trennung von Eigentümerschaft an Grund und Boden[7] und den darauf errichteten Gebäuden führte dazu, dass nach der Wende mit Hilfe des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes und des Altschuldenhilfe-Gesetzes bundesdeutsches Recht hergestellt werden musste.
Einige in Wikipedia behandelte AWG mit ihrer Geschichte sind Wohnungsbaugenossenschaft „Glück Auf“ Gera, Wohnungsbaugenossenschaft „Aufbau“ Strausberg, Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg.
Siehe auch
BearbeitenWeblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Geschichte und Bedeutung der Wohnungsbaugesellschaften in der DDR. (PDF; 0,1 MB) Ausarbeitung. In: www.bundestag.de. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 3. April 2007, abgerufen am 24. Dezember 2020.
- ↑ Marvin Brendel: Instrument des Sozialismus. Die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften der DDR. In: genostory.de. Abgerufen am 31. Dezember 2022.
- ↑ 50 Jahre - Entwicklung zur Wohnungsgenossenschaft Treptow-Süd eG. (PDF) Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Nr. 129. www.wg-treptow-sued.de, 2007, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 26. April 2016; abgerufen am 16. Juli 2016. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Regierung der DDR: 145. Sitzung der Regierung der DDR vom 10. Dez. 1953. in: Bundesarchiv, DC 20-I/3 (Beschluss- und Sitzungsreihe des Plenums des Ministerrates der DDR) / 208, pag. 155 (158). Bundesarchiv - www.argus.bstu.bundesarchiv.de, 10. Dezember 1953, abgerufen am 9. Juli 2016: „... 4. Entsprechend den Wünschen und Bedürfnissen der Arbeiter ist es erforderlich, Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften zu bilden und sie durch staatliche Hilfe zu fördern. Das Ministerium für Aufbau wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium der Finanzen und in Übereinstimmung mit den Gewerkschaften innerhalb von drei Monaten ein Musterstatut für diese Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften auszuarbeiten. Im Plan der langfristigen Kreditgewährung für 1954 wird die Bereitstellung besonderer Kredite für die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften zu Vorzugsbedingungen in der Höhe von mindestens 50 Millionen DM vorgesehen.“
- ↑ 50 Jahre - Entwicklung zur Wohnungsgenossenschaft Treptow-Süd eG. (PDF) Prolog. www.wg-treptow-sued.de, 2007, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 26. April 2016; abgerufen am 25. Juni 2016: „Diese Verordnung und die analoge Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin vom 6.1.1954 schufen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Bildung von Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaften (AWG) und ihre umfassende staatliche Förderung. Bereits im März und April 1954 folgten weitere Gesetze und Durchführungsbestimmungen, so z. B. die „Verordnung über die Finanzierung des Arbeiterwohnungsbaues“ vom 4. März 1954 und die „Bekanntmachung des Musterstatuts für eine Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaft“.“ Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ InBöter, KUNDENZEITSCHRIFT DER STADTWERKE ROSTOCK AG. (PDF) 50 Jahre Wohnungsgenossenschaften in Rostock. www.swrag.de, Juni 2004, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 25. Juni 2016; abgerufen am 20. Juni 2016: „Die Proteste vom Juni 1953 und die allgemeine Unzufriedenheit bewirkten, dass eine gesetzliche Regelung getroffen wurde für den genossenschaftlichen Wohnungsbau auf der Basis von Trägerbetrieben.“ Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ a b Regierung der DDR: 145. Sitzung der Regierung der DDR vom 10. Dez. 1953. in: Bundesarchiv, DC 20-I/3 (Beschluss- und Sitzungsreihe des Plenums des Ministerrates der DDR) / 208, pag. 155 (158). Anlage B: Verordnung über die weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und der Rechte der Gewerkschaften vom 10. Dezember 1953, II. Über die Erweiterung des Wohnungsbauprogramms. Bundesarchiv - www.argus.bstu.bundesarchiv.de, 10. Dezember 1953, abgerufen am 9. Juli 2016: „5. Für den Arbeiterwohnungsbau sind Parzellen, die Volkseigentum sind, zur unentgeltlichen und unbefristeten Nutzung zur Verfügung zu stellen.“
- ↑ Regierung der DDR: 155. Sitzung der Regierung vom 4. März 1954. in: Bundesarchiv, DC 20-I/3 (Beschluss- und Sitzungsreihe des Plenums des Ministerrates der DDR) / 218, pag. 99 - 107 (101 - 107). Anlage E: Verordnung über die Finanzierung des Arbeiterwohnungsbaues (einschließlich Materialien). Bundesarchiv - www.argus.bstu.bundesarchiv.de, 4. März 1954, abgerufen am 9. Juli 2016: „(Einzelseiten: http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0101.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0102.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0103.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0104.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0105.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0106.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0107.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0108.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0109.png )“
- ↑ Regierung der DDR: 155. Sitzung der Regierung vom 4. März 1954. in: Bundesarchiv, DC 20-I/3 (Beschluss- und Sitzungsreihe des Plenums des Ministerrates der DDR) / 218, pag. 108 - 122 (110 - 124). Anlage F: Musterstatut für eine Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (108 - 122). Bundesarchiv - www.argus.bstu.bundesarchiv.de, 4. März 1954, abgerufen am 9. Juli 2016: „(Einzelseiten: http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0110.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0111.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0112.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0113.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0114.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0115.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0116.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0117.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0118.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0119.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0120.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0121.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0122.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0123.png, http://www.bundesarchiv.de/digitalisate/DC20-I-3-20614/DC_20_I_3_0218/DC_20_I_3_0218_0124.png )“
- ↑ Helmut Jenkis: Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft zwischen Markt und Sozialbindung (Teil: Bd. 2). Duncker und Humblot, 1985, S. 645 - 1039 (Volltext in der Google-Buchsuche).
- ↑ Sächsische Wohnungsgenossenschaft Dresden eG (SWGD): GESCHICHTE. www.swg-dresden.de, 2016, abgerufen am 9. Juli 2016: „24.03.1954: Gründung der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft des volkseigenen Betriebes Transformatoren- und Röntgenwerk durch 69 Arbeiter und Angestellte als erste AWG in der DDR. ... - ... Ende 1964: Zum Bestand der AWG TuR gehören ...“
- ↑ Deutschen Digitalen Bibliothek: Dresden. Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG), Transformatoren- und Röntgenwerk, Anfang 1954. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juli 2016; abgerufen am 9. Juli 2016. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Chronik der Stadt Rostock von 1945-1979. Bände 3-4 von Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Rostock. Sonderheft. Stadtarchiv Rostock, 1978, abgerufen am 25. Juni 2016: „Als erste in der DDR begründete AWG begeht die AWG der Warnowwerft ihr 20jähriges Bestehen“
- ↑ Wohnungsgenossenschaft „WARNOW“ Rostock-Warnemünde e.G.: Geschichte. Startseite » Genossenschaft » Geschichte. www.wg-warnow.de, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juli 2016; abgerufen am 9. Juli 2016: „Die Gründung der AWG erfolgt am Sonntag, dem 4. April 1954. Von den 90 gründungswilligen Genossen sind 69 anwesend. Diese erklären, „dass nur genossenschaftliches und niemals privates Eigentum bei den Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften entsteht.“ Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Verordnung über die Wohnungsbaugenossenschaften vom 21. November 1963, GBl. II. 1964, Seite 17.