Astrid Varnay

amerikanische Opernsängerin ungarischer Abstammung

Ibolyka Astrid Maria Varnay (* 25. April 1918 in Stockholm; † 4. September 2006 in München) war eine amerikanische Opernsängerin ungarischer Abstammung. Sie wurde bekannt durch ihre langjährigen Darbietungen von Frauenfiguren in den Musikdramen Richard Wagners als hochdramatischer Sopran, 1972 wechselte das Stimmfach der Kammersängerin in den Mezzosopran.

Am 25. April 1918 kam Astrid in Stockholm zur Welt. Ihre Eltern tauften sie Ibolyka (Ungarisch: Veilchen) wegen ihrer veilchenblauen Augen.[1] Astrid Varnays ungarischer Vater Alexander Varnay (1889–1924) war ein Tenor, der bis zum Umzug der Familie in die USA 1920 als Regisseur und Produzent an der Königlichen Oper von Stockholm arbeitete. Ihre Mutter Mária Jávor (Junghans) war eine anerkannte Koloratursopranistin. Astrid Varnay studierte anfangs bei ihrer Mutter, dann in New York, ab 1939 bei Hermann Weigert (1890–1955), mit dem sie in achtzehn Monaten fast das gesamte Wagner-Repertoire einstudierte und den sie 1944 heiratete. Im Alter von 22 Jahren beherrschte die junge Sängerin bereits folgende Partien: Senta, Elsa, Elisabeth, Eva, Sieglinde, alle drei Brünnhilden, Isolde, dritte Norn, Gutrune, Aida, Desdemona, Santuzza und Leonora.[2]

1941 debütierte sie an der Metropolitan Opera, indem sie – am 6. Dezember, am Vortage des Angriffs auf Pearl Harbor – für Lotte Lehmann als Sieglinde (neben Lauritz Melchior als Siegmund) in Wagners Oper Die Walküre einsprang. Am 12. Dezember sprang sie dann gleichermaßen für Helen Traubel als Brünnhilde ein. In den folgenden Jahren sang sie fast alle großen Wagner-Partien an der Met, 1948 auch erstmals die Salome und 1949 die Elektra in den gleichnamigen Opern von Richard Strauss.

Nach dem Krieg gab sie 1948 in London am Royal Opera House Covent Garden ihr Europa-Debüt als Isolde und sang 1949 die Elektra in der gleichnamigen Richard-Strauss-Oper. Im Mai 1951 gab sie ihr Debüt in Florenz als Lady Macbeth in Giuseppe Verdis Oper und lernte dabei Martha Mödl und Gustaf Gründgens, der Regie führte, kennen. Wenig später sang sie als erste Amerikanerin – sie hatte 1943 die US-Staatsbürgerschaft angenommen – auf Empfehlung von Kirsten Flagstad und auf Einladung von Wieland Wagner 1951 bei den Bayreuther Festspielen. Bis 1968 trat sie jedes Jahr in Bayreuth auf. Sie gilt als Mitgestalterin von Neu-Bayreuth und zählt neben Martha Mödl sowie Birgit Nilsson zu den „drei großen Wagnerschen Nachkriegsprimadonnen“.[3]

Im Herbst 1951 sang Astrid Varnay erstmals in Berlin, ein Jahr später in München (wo sie im Prinzregententheater acht Vorstellungen hintereinander sang). Ab 1955 Jahr sang sie regelmäßig an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf-Duisburg, wo sie ihren ersten europäischen Jahresvertrag mit 36 Vorstellungen pro Jahr bekam und einige Jahre auch als Gesangslehrerin tätig war. Ab 1970 war sie Leiterin einer Meisterklasse für Gesang am Robert-Schumann-Konservatorium und von 1975 bis 1979 Professorin an der Robert Schumann Hochschule.[4][5] Nach dem Tod ihres Mannes (1955) ließ sie sich 1959 in München nieder, wo sie bis zu ihrem Tode wohnte. 1972 wechselte die Sopranistin in die Stimmlage Mezzosopran.

Die Künstlerin sang dann bis 1991 alle Paraderollen ihres Fachs und arbeitete an allen großen Häusern Europas und mit allen großen Dirigenten und Regisseuren ihrer Zeit. Insgesamt stand sie über 100 Mal als Ortrud in Lohengrin oder Isolde in Tristan und Isolde auf der Bühne. Die Walküren-Brünnhilde sang sie knapp 140 Mal. Überragende Erfolge waren ihre Rollen in Elektra, in der sie 79 Mal die Elektra und 121 Mal die Klytämnestra sang. Eine ihrer späten Erfolgsrollen war die Herodias in Salome, die sie insgesamt 213 Mal sang. Nach einer 1990 notwendig gewordenen Knieoperation war sie gezwungen ihre Bühnenauftritte stark einzuschränken.

 
Grabstätte in München

1987 wurde Astrid Varnay Mitglied des Lehrkörpers im Münchner Opernstudio. Ihre letzte Rolle war die Partie der Amme in Modest Mussorgskys Boris Godunow im Jahr 1995 an der Bayerischen Staatsoper München, wo die Kammersängerin ebenso wie bei den Bayreuther Festspielen langjähriger Gast[6] war. 1996 schrieb sie ihre Autobiographie, die unter dem Titel „Hab’s mir gelobt“ erschien. Am 4. September 2006 verstarb sie nach einem erfüllten Künstlerleben in einem Münchener Krankenhaus. Ihre Urne wurde auf dem Friedhof am Perlacher Forst in München beigesetzt (54-UM-5 Innenseite, Grab Nr. 170).

Würdigung

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Astrid Varnay hatte eine ähnlich kräftige Stimme wie Birgit Nilsson, die nach ihr in Bayreuth ankam und mit der sie sich viele Rollen teilte, ebenso wie mit Martha Mödl. Ihr dunkles Timbre war wärmer, der Gesang ausdrucksvoller, ihre Diktion jedoch nicht so klar. Nilsson klingt vergleichsweise stählern, Varnay jedoch menschlicher. Dass die Sängerin relativ in Vergessenheit geraten konnte, lag an ihrem kleineren Repertoire und ihren weniger zahlreichen Gastspielen. Der Hauptgrund scheint jedoch zu sein, dass es von ihr nur tontechnisch oft mittelmäßige Liveaufnahmen gibt, so z. B. die von Herbert von Karajan geleitete Elektra von 1964.

Im Gegensatz zu manchen Opernsängern war Astrid Varnay eine sehr talentierte Charakterdarstellerin. Eindrücklich agierte sie als Elektra oder im 1. Akt von Tristan und Isolde, im 2. Akt der Götterdämmerung und vor allem in Siegfried, 3. Akt, dort die Momente des Erwachens, bevor sie zu Heil Dir Sonne ansetzte. Die Körpersprache und was sich, einmal aufgerichtet, in dem unsagbar ausdrucksstarken Gesicht ereignete, wird jenen, die sie erleben durften, als Theater-Opernerlebnis in Erinnerung bleiben. So faszinierte sie ihr Publikum auch während ihrer letzten aktiven Bühnenjahre, insbesondere als Klytämnestra und Herodias, als Kabanicha in Janáčeks Katja Kabanova und als Küsterin in Jenůfa, sowie in Cameo-Auftritten – wie Mamma Lucia in Cavalleria Rusticana.

Nach einer vielzitierten Anekdote wurde Wieland Wagner kritisch auf sein karges Bühnenbild bei einer Bayreuth-Aufführung angesprochen, woraufhin er erwidert haben soll: „Was brauche ich einen Baum auf der Bühne, wenn ich Astrid Varnay habe?“ Gustaf Gründgens war ebenso als ein großer Verehrer ihrer Kunst bekannt. Als er 1951 die Oper Macbeth von Verdi mit ihr in der Hauptrolle in Florenz inszenierte, bedauerte er es zutiefst, kein Sänger zu sein, da er am liebsten zusammen mit ihr auf der Bühne stehen und singen wolle.[7]

Im Jahre 1967 wurde sie in Anerkennung ihrer Leistungen zur Bayerischen Kammersängerin ernannt.

Zitat:

“Astrid was unique. She was a great, singing actress who could act, using her face, her body and her voice. She gave everything on stage.”

„Astrid war einzigartig. Sie war eine großartige singende Schauspielerin die ihr Gesicht, ihren Körper und ihre Stimme zum Spielen einsetzen konnte. Auf der Bühne gab sie alles.“

Martin Bernheimer: Los Angeles Times[8]

Auszeichnungen

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Diskografie (Auswahl)

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Film- und Fernsehaufzeichnungen

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Opern

Interviews

Literatur (Auswahl)

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Memoiren

  • Astrid Varnay: Hab mir’s gelobt. 55 Jahre in fünf Akten und einem Prolog. Memoiren einer Opernkarriere. Unter Mitarbeit von Donald Arthur. Deutsche Übersetzung von Maurus Pacher. Henschel, Berlin 1997, 495 S., Ill., (Inhaltsangabe, Rezension). Englische Ausgabe: Fifty-five Years in Five Acts. My Life in Opera. Northeastern University Press, Boston, 2000 (Leseprobe)

Lexika

Sekundärliteratur

  • Josef Müller-Marein u. Hannes Reinhardt: Das musikalische Selbstportrait von Komponisten, Dirigenten, Instrumentalisten, Sängerinnen und Sängern unserer Zeit. Nannen-Verlag, Hamburg, 1963, spez. S. 157–164 (Eine Amerikanerin in Bayreuth).
  • Berndt W. Wessling: Astrid Varnay. Schünemann, Bremen, 1965.
  • Harold Rosenthal: Great singers of today. Calder & Boyars, London, 1966.
  • André Tubeuf: Le chant retrouvé : sept divas : renaissance de l'opéra. Fayard, Paris, 1979, ISBN 2-213-00731-4.
  • Ethan Mordden: Demented. The world of the opera diva. Franklin Watts, New York/Toronto, 1984.
  • Jens Malte Fischer: Große Stimmen. Von Enrico Caruso bis Jessye Norman. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar, 1993, S. 261–263 (eingeschränkte Vorschau bei books.google.de).
  • John Hunt: Six Wagnerian sopranos. Leider, Flagstad, Varnay, Mödl, Nilsson, Jones. Hunt, Exeter, 1994, ISBN 0-9510268-9-5.
  • Robert Baxter: „Hochdramatische Zwillingsschwestern. Astrid Varnay and Birgit Nilsson“. In: The Opera Quarterly 14, 1997, S. 7–24.
  • Dieter David Scholz: Mythos Primadonna. 25 Diven widerlegen ein Klischee. Gespräche mit großen Sängerinnen. Parthas Verlag, Hildesheim, 1999, ISBN 3-932529-60-X, S. 285–293 (Astrid Varnay. Tu nichts, das nicht etwas bedeutet!).
  • Dieter David Scholz: Astrid Varnay ist tot. Nachruf auf eine der größten Wagner- und Strauss-Sängerdarstellerinnen. In: dieterdavidscholz.de (mit Abdruck des Gespräches aus seinem Buch Mythos Primadonna).
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Nachrufe

Einzelnachweise

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  1. Hildburg Heider: Astrid Varnay zum 100. Geburtstag. (Memento vom 15. April 2018 im Webarchiv archive.today) In: SWR2 Zur Person, 15. April 2018.
  2. vgl. Sängerpartien mit den Hauptrollen von Astrid Varnay. (Memento vom 14. Mai 2007 im Webarchiv archive.today). In: homepages.ihug.com.au/~kimkemmis und Varnay-Portal von Kim Kemmis: Vale Astrid. (Memento vom 17. April 2011 im Internet Archive).
  3. Walter Herrmann und Adrian Hollaender: Legenden und Stars der Oper. Leykam, Graz 2007, ISBN 978-3-7011-7571-0, S. 42.
  4. Bayreuther Festspiele: Astrid Varnay. (Memento vom 16. April 2018 im Internet Archive) In: Aufführungsdatenbank, abgerufen am 15. April 2018.
  5. Clemens von Looz-Corswarem, Benedikt Mauer (Hrsg.): Das grosse Düsseldorf Lexikon, Greven Verlag, Köln 2012, ISBN 978-3-7743-0485-7, S. 716.
  6. Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 1276.
  7. und Macbeth (Giuseppe Verdi) @1@2Vorlage:Toter Link/homepages.ihug.com.au (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2018. Suche in Webarchiven)
  8. Mary Rourke: Astrid Varnay, 88; Soprano Sang With Intensity, Passion. In: Los Angeles Times. 6. September 2006.
  9. 50 Jahre Richard-Wagner-Verband Saarland 1956–2006. wagner.verband.saarland.de, S. 30.
  10. Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 1276.
  11. Alina Steffan: Vor 50 Jahren. Der 18.10.1968: Windgassen und Varnay ausgezeichnet. In: Kurier, 18. Oktober 2018
  12. Verdienstordenträgerinnen und -träger seit 1986. (PDF) In: Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen. Archiviert vom Original am 31. März 2019; abgerufen am 11. März 2017.
  13. Kim Kemmis: Astrid Varnay • Biography • Honours and Awards. (Memento vom 6. Januar 2009 im Internet Archive)