Barbara Schulthess

schweizerische Salonnière und Brieffreundin Johann Wolfgang von Goethes

Barbara Schulthess, geb. Wolf (* 5. Oktober 1745 in Zürich; † 12. April 1818 ebenda) war eine Freundin von Johann Wolfgang von Goethe und Johann Caspar Lavater. Sie wurde von Zeitgenossen Bäbe genannt. Sie galt als Mittelpunkt des schöngeistigen Zürich im späten 18. Jahrhundert.

Barbara Schulthess. Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein in der Zentralbibliothek Zürich.
Der Schönenhof auf einer Zeichnung von Hermann Hintermeister, 1931.

Schulthess wurde als Tochter eines wohlhabenden Seidenfabrikanten in Zürich geboren. Im Jahr 1763 heiratete sie den Seidenfabrikanten und Hauptmann David Schulthess, mit dem sie vier Kinder bekam. David Schulthess starb 1778, sodass Barbara die Kinder allein aufzog.

1772 kaufte das Ehepaar den Schönenhof in der Zürcher Vorstadt. Er entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem Anlaufpunkt für die Zürcher Gesellschaft. Vor allem durch ihren Freund Johann Caspar Lavater kam Schulthess in Kontakt mit nahezu allen Geistesgrössen Zürichs bzw. Gelehrten, die in Zürich zu Besuch waren. Es fanden häufig Konzerte statt, und das Haus diente ebenso als Atelier für Maler. Schulthess war auch eine Vermittlerin von Literatur, liess ihre Abschriften von aktuellen Werken kursieren und organisierte als Salonnière Abende, in denen man sich die neuesten Erscheinungen auf dem Schweizer Buchmarkt vorlas und auch selbst dichtete.

Schulthess’ Kinder verstarben jung. Um 1800 lebte nur noch die jüngste Tochter, mit deren Familie sie bis zu ihrem Tod 1818 in ihrem Geburtshaus, dem sogenannten „Neuhaus“, Oberdorfstrasse 5, lebte. Der Schönenhof wurde 1935 abgerissen.

Barbara Schulthess und Johann Wolfgang von Goethe

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Johann Wolfgang von Goethe, Tuschzeichnung von Johann Heinrich Lips von 1779

Johann Wolfgang von Goethe lernte Schulthess auf seiner ersten Reise in die Schweiz 1775 kennen. Die Bekanntschaft hatte Johann Caspar Lavater vermittelt. Im Schönenhof waren Goethe und auch Philipp Christoph Kayser als Klavierlehrer für ihre Kinder tätig.

In den folgenden Jahren entwickelte sich ein reger Briefwechsel zwischen Goethe und Schulthess. 1779 besuchte er die inzwischen verwitwete Bäbe im Zuge seiner zweiten Reise in die Schweiz erneut. Hier entstand u. a. das Gedicht Gesang der Geister über den Wassern, das Goethe seiner Freundin widmete, und dessen Originalmanuskript sich 1902 in ihrem Nachlass fand. In Konstanz trafen beide 1788 erneut zusammen, jedoch kühlte die Freundschaft in den nächsten Jahren langsam ab, was auch an Goethes zunehmend kritischer Haltung gegenüber Schulthess’ langjährigem Freund Lavater lag. Einen letzten Besuch stattete ihr Goethe 1797 in Zürich ab.

Schulthess verbrannte den gemeinsamen Briefwechsel mit Goethe kurz vor ihrem Tod, und auch Goethe vernichtete die bis 1792 geschriebenen Briefe seiner Freundin.

Literaturhistorische Bedeutung

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Goethe sandte Schulthess ab 1779 zahlreiche Manuskripte seiner neuesten Werke, wie z. B. die Entwürfe von Iphigenie auf Tauris, Torquato Tasso oder Hermann und Dorothea, die Schulthess zusammen mit ihrer ältesten Tochter Anna Barbara abschrieb und auch in der Geselligkeit des Schönenhofs vorlas. 1909 fand Schulthess’ Ururenkel Gustav Billeter in ihrem Nachlass Buch I–VI der von Goethe vernichteten Urfassung des Wilhelm Meister. Es handelt sich dabei um eine Abschrift des Originals von Schulthess und ihrer ältesten Tochter; sie gilt als einzige erhaltene Version des Ur-Meisters. Sie erschien erstmals 1911 unter dem Titel Wilhelm Meisters theatralische Sendung bei Cotta in Stuttgart.

Literatur

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  • Bernhard Suphan: Goethe und Barbara Schulthess. Rütten & Loening, Frankfurt 1892.
  • Gustav von Schulthess-Rechberg: Frau Barbara Schulthess zum Schönenhof, die Freundin Lavaters und Göthes. Berichthaus, Zürich 1903.
  • Hans Trog: Frau (Bäbe) Barbara Schulthess, Goethe und sein Wilhelm Meister. In: Schweizer Illustrierte, Bd. 14, 1910, S. 165–168.
  • Friedrich Zollinger: Goethe in Zürich. Atlantis, Zürich 1932.
  • Ute Kröger: „Zürich, du mein blaues Wunder“. Literarische Streifzüge durch eine europäische Kulturstadt. Limmat, Zürich 2004, ISBN 3-85791-447-5.
  • Johann Georg Schulthess: Trauungsrede an Herrn Georg Gessner, und Jungfrau Barbara Schulthess, den 23. May 1791 gehalten zu Kloten bey Zürich. Zürich 1791.[1]
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Commons: Barbara Schulthess – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. im Bestand der Zentralbibliothek Zürich. Beide Familien gehörten zu den führenden Patriziern der Stadt. Zum Zusammenhang der beiden Schulthess’ (Braut, Pfarrer) siehe Weblink: Vortrag 2007. Gessner gehörte zu den Familien um den später Orell Füssli genannten Verlag.