Benjamin Lay

britischer Philanthrop, Abolitionist, Schriftsteller

Benjamin Lay (* 26. Januar 1682 in Colchester, Essex, England; † 3. Februar 1759 in Abington, Pennsylvania, Dreizehn Kolonien) war ein britischer Philanthrop, Schriftsteller und Quäker. Gezeichnet durch körperliche Behinderungen, trat er als Abolitionist gegen die Sklaverei ein. Er gilt als ein früher Vorreiter sowohl der Ökologie- und Tierrechtsbewegung als auch der Aktionsform des Boykotts.[1]

Lay mit Schrift African Emancipation in Memoirs of the lives of Benjamin Lay and Ralph Sandiford, Philadelphia 1815
Porträt in Öl, 1750–1758
Seine Anklageschrift gegen Sklavenhalter

Seine Eltern William und Mary Lay waren Quäker und erzogen ihren Sohn in dieser christlichen Gemeinschaft. Nach einem kurzen Schulbesuch sollte Lay Handschuhmacher werden. Er heuerte bei den Londoner Reedereien an und lebte so in Westindien, später auch in Syrien. Um 1710 war er als Handelsreisender auf Barbados. 1710 kehrte er nach London zurück und heiratete Sarah Smith (ca. 1677–1735) aus Deptford. Die Ehe blieb kinderlos. Das Devonshire House Monthly Meeting verurteilte seine rücksichtslose und zynische Art zu reden 1720 scharf, und er wurde zeitweise aus der Quäkergemeinschaft ausgeschlossen.

1731 verließ das Ehepaar Lay Europa und ließ sich auf der Insel Barbados nieder, die er als junger Mann besucht hatte. Hier erlebten sie hautnah die unmenschlichen Bedingungen der Sklaverei. Die Familie hielt sonntags Predigten vor dortigen versklavten Plantagenarbeitern und verköstigte sie mit Essen. Aber die Plantagenbesitzer veranlassten gegen Ende des Jahres 1731 die Ausweisung der Lays, die nun nach Philadelphia weiterzogen.

Danach zog Lay nach Abington, Pennsylvania, wo seine Frau später in der Gemeinde als Predigerin auftreten konnte, bevor sie 1735 starb. Er wurde dort als einer der ersten Aktivisten gegen die Sklaverei tätig mittels Weitergabe von Traktaten und anderen Protestaktionen.[2] Der Politiker, Wissenschaftler und Verleger Benjamin Franklin publizierte eine von Lay verfasste Schrift gegen die Sklaverei mit dem Titel All Slave-Keepers That Keep the Innocent in Bondage, Apostates in 1737 (deutsch: Alle Sklavenhalter, die Unschuldige in Sklaverei halten, sind Abtrünnige im Jahr 1737).

Er besuchte Versammlungen der Quäker und hielt anklagende Predigten, wenn er zu Wort kam, so beispielsweise am 19. September 1738 im Versammlungshaus (englisch: meetinghouse) in Burlington (New Jersey).[3] Weil er die Sklavenhalter schonungslos als Heuchler bloßstellte, kam es teilweise zu heftigen Auseinandersetzungen und chaotischen Zuständen in den Versammlungen, und manchmal wurde er weggewiesen.[4][5]

Nach dem Beschluss des Philadelphia Yearly Meeting of Friends 1758 gegen Import und Verkauf von Sklaven soll Lay gesagt haben: I can now die in peace (deutsch: Nun kann ich in Frieden sterben). Ungefähr ein Jahr später verstarb er 1759 nach kurzer Krankheit und wurde auf dem Quäkerfriedhof Abington bestattet.

Körperliche Behinderung

Bearbeiten

Lay und seine Frau waren körperbehindert. Er war kleinwüchsig, seine Körpergröße betrug nicht mehr als 1,30 Meter, und er hatte mehrere körperliche Missbildungen. Lay hatte einen Buckel, eine verkrümmte Wirbelsäule und Arme von ähnlicher Länge wie seine Beine.[6]

Überzeugungen

Bearbeiten

Lay lehnte die Todesstrafe ab, wie es der religiösen Überzeugung der Quäker entspricht. Seit der Zeit in Philadelphia war er Vegetarier und kämpfte gegen den Alkoholismus, dessen Folgen er auf seinen Schiffsreisen kennengelernt hatte. Er boykottierte den Kauf von Produkten von Sklavenplantagen. Aus Demutshaltung lehnte er zeitweise das Tragen von Kleidung ab, lief in einem einfachen rohen Leinengewand umher und lebte in einer Erdhöhle an der York Road bei Branchtown.[7] Lays Argumente gegen die Sklavenhaltung und für den Vegetarismus sind nicht zu trennen: Er wollte keine Erzeugnisse gebrauchen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die das Ergebnis von Sklavenarbeit waren – ob diese nun von Menschen oder von Tieren verrichtet werden. So verschmähte er auch Nahrung und Kleidung, für deren Herstellung Tiere sterben müssen, und lehnte es ab, per Pferd zu reisen. Er rief dazu die vegetarische Tradition der Häretiker des Mittelalters in Erinnerung, wenn er etwa über die Waldenser schrieb: „Ich las in der Geschichte der Waldenser, unserer ersten Reformer des Papismus, nie, dass sie Sklaven gehalten hätten; ich weiß, dass sie sehr gemäßigt waren und weder Fleisch, noch Milch, noch Eier verzehrten.“ Lay meinte: „Ich glaube nicht daran, dass rechtschaffene, durchweg gute Menschen ihre Mitgeschöpfe in Knechtschaft halten würden“, und fordert: „Mitgefühl, Vergebung auch den schlimmsten Feinden, Zartheit, Sanftmut, Milde, süße Liebe und Mitleid mit allen Kreaturen jeder Art.“[8] Lay besaß eine umfangreiche Bibliothek mit ca. 200 Büchern und Schriften von pietistischen Klassikern und Kirchenvätern.

In Versammlungen der Quäker verkündete Lay seine Botschaft von der Lösung der Gebundenen, die sich auf Sklavenhalter wie auf Sklaven gleichsam bezog. Damit zog er sich auch die Gegnerschaft der Sklavenhalter zu, die auch unter den Quäkern vorhanden waren, und wurde teilweise gewaltsam von Versammlungen verwiesen.

Bekannt ist der Vorfall, als ihn ein Schmiedegeselle aus einer Versammlung in Philadelphia (Market Street Meeting) auf die Straße setzte. Lay blieb im Straßengraben liegen und sagte den Vorübergehenden, er sei nicht frei, aufzustehen: Nur derjenige könne ihm aus dem Graben helfen, der ihn hineingeworfen hatte.

Lay inszenierte spektakuläre, unvergessliche Auftritte auf den Jahresversammlungen, so erschien er in einem weißen Laken, um sich nach einer Zeit des Schweigens zu erheben und zu verkünden: You slaveholders, although you put up a front of your quaker-ness, your true nature comes through (dt. etwa: Ihr Sklavenhalter, obwohl ihr als Quäker gelten wollt, zeigt sich doch eure wahre Natur). Dann warf er das Laken weg und stand in militärischer Uniform in der Mitte der Quäkerversammlung. In der einen Hand hielt er eine Bibel, in der anderen einen Säbel. Erneut rief er: Thus shall God shed the blood of those persons who enslave their fellow-creatures (So soll Gott das Blut derer vergießen, die ihre Mitgeschöpfe versklaven). Dabei zerstieß er mit dem Säbel eine im Buch versteckte Blase, die mit roter Farbe gefüllt war.

Lay hatte Vorbildfunktion für John Woolman, der sein Werk fortsetzte.

Gedenken

Bearbeiten

Für die im Artikel verwendeten Fachbegriffe siehe auch Artikel „Glossar Quäkertum“.

Literatur

Bearbeiten
  • Benjamin Bush: Biographical Anecdotes of Benjamin Lay. In: The Annual Monitor, or, New Letter-Case and Memorandum Book. Band I. York 1815.
  • Richard Vaux: Memoirs of the lives of Benjamin Lay and Ralph Sandiford, two of the earliest public advocates for the emancipation of the enslaved Africans. Philadelphia 1815. London 1816.
  • William Allan: An American Biographical and Historical Dictionary, containing an Account of the Lives, Characters, and Writings of the most eminent Persons in North America from its first settlement, and a summary of the History of the several colonies and of the United States Boston 1832.
  • John Hunt: Notices of Benjamin Lay. In: John und Isaac Comly (Hrsg.): Friends Miscellany. Being a Collection of Essays and Fragments, Biographical Religious Epistolary, Narrative and Historical. Designed for the Promotion of Piety and Virtue to Preserve in Remembrance the Characters and Views of Exemplary Individuals, and to Rescure from Oblivion those Manuscripts, Left by them which may be useful to Survivors. Band IV,6. Philadelphia 1833, S. 274–276.
  • Lydia Maria Francis Child: Memoir of Benjamin Lay, Compiled from Various Sources. New York 1842.
  • Account of the life of Benjamin Lay, one of the early antislavery advocates. In: The Friend. A Religious, Literary and Miscellaneous Journal, Band XXIX, 1856, 180f.
  • Sarah Lay: Account of the life of Sarah Lay, given in connection with the biographical sketch of her husband, Benjamin Lay. In: The Friend. A Religious, Literary and Miscellaneous Journal, Band XXIX, 1856, 180f.
  • Biographical Anecdote of Benjamin Lay. In: Evert Augustus Duyckinck, George Long Duyckinck, Michael Laird Simons (Hrsg.): Cyclopaedia of American literature embracing personal and critical notices of authors, and selections from their writings, from the earliest period to the present day, with portraits, autographs, and other illustrations. Band I. Philadelphia 1856, S. 279–280.
  • Joseph Smith: A descriptive catalogue of friends’ books, or books written by members of the society of friends, commonly called quakers, from their first rise to the present time, interspersed with critical remarks, and occasional biographical notices, and including all writings by authors before joining, and those after having left the society, whether adverse or not, as far as known, Band I, London 1867, S. 92–93.
  • Certificate for Benjamin Lay from Colchester Monthly Meeting, dated 12mo. 4, 1731, and addressed to Philadelphia Monthly Meeting. In: The Friend. A Religious, Literary and Miscellaneous Journal, Band LIII, 1879, S. 135.
  • Lay, Benjamin. In: James Grant Wilson, John Fiske (Hrsg.): Appletons’ Cyclopædia of American Biography. Band 3: Grinnell – Lockwood. D. Appleton and Company, New York 1887, S. 643 (englisch, Textarchiv – Internet Archive).
  • Benjamin Lay. Born 1677 - died 1759 - aged eighty-two years. In: W. Beck, W. F. Wells, H. G. Chalkley, H. G.: Biographical Catalogue, being an Account of the Lives of Friends and others whose Portraits are in the London Friends’ Institute. Also descriptive Notices of Friends’ Schools and Institutions of which the Gallery contains Illustrations. London 1888, S. 418–422.
  • John Hunt: Anecdotes of Benjamin Lay. In: Journal of Friends’ Historical Society, Band XXII, 1925, 72f (zgl.: The Friend. A Religious, Literary and Miscellaneous Journal, Band C, 1926, S. 18–19).
  • Benjamin Lay. In: The Journal of the Friends’ Historical Society, Band XXIII, 1/2, 1926, S. 59f.
  • Brightwen Rowntree: Benjamin Lay (1681–1759) at Colchester, London, Barbados, Philadelphia. In: The Journal of the Friends’ Historical Society, Band XXXIII, 1936, S. 3–19.
  • Thomas E. Drake: Quakers and Slavery in America, Yale University Press, New Haven 1950.
  • Stevenson, Janet Marshall: Pioneers in freedom. Adventures in courage. Chicago 1969.
  • William Kashatus III: Abington’s Fierly Little Abolitionist. In: Old York Road Historical Society Bulletin, Band XLV, 1985, S. 35–39.
  • Marvin Perry: Benjamin Lay. In: Alden Whitman (Hrsg.): American Reformers. An H. W. Wilson Biographical Dictionary. New York 1985, S. 514–515.
  • Lay, Benjamin (1677–1759). In: Pennsylvania Biographical Dictionary. Band I. Wilmington 1998 (2), S. 31–33.
  • Marcus Rediker: The Fearless Benjamin Lay: The Quaker Dwarf Who Became the First Revolutionary Abolitionist, Beacon Press, Boston 2017, ISBN 978-0-8070-3592-4 (Neuauflage Verso, London 2023, ISBN 978-1-78663-472-6).
  • Paul Rosier: Benjamin Lay. In: John Garraty, Mark Carnes (Hrsg.): American National Biography. Band XIII. New York 1999, S. 305–307.
  • Gil Skidmore: Benjamin Lay. 1683-1759. In: Dear friends and bretheren. 25 short biographies of Quaker men. Reading 2000, S. 19–21.
  • Claus Bernet: Lay, Benjamin. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 19, Bautz, Nordhausen 2001, ISBN 3-88309-089-1, Sp. 875–880.
  • Marcus Rediker: Das Sklavenschiff: eine Menschheitsgeschichte, übersetzt von Sabine Bartel, Assoziation A, 2023, ISBN 978-3-86241-499-4.
  • David Lester, Paul Buhle und Marcus Rediker: Prophet Against Slavery: Benjamin Lay, A Graphic Novel, Beacon Press, Boston 2021, ISBN 978-0-8070-8179-2.
Bearbeiten
Commons: Benjamin Lay – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Marcus Rediker: You’ll Never Be as Radical as This 18th-Century Quaker Dwarf. In: The New York Times. 12. August 2017, abgerufen am 3. Januar 2018 (englisch).
  2. Kuratoren stellen vor: „Benjamin Lay“. Philipp Steinkamp, einer der Kuratoren von „Der Luthereffekt“, über das dort ausgestellte Gemälde „Benjamin Lay“, Website luther2017.de (2017, abgerufen am 4. Juni 2024)
  3. Marcus Rediker: The “Quaker Comet” Was the Greatest Abolitionist You’ve Never Heard Of. Overlooked by historians, Benjamin Lay was one of the nation’s first radicals to argue for an end to slavery, Website smithsonianmag.com (September 2017, englisch, abgerufen am 4. Juni 2024)
  4. Swarthmore College Bulletin: Fearless and Fiery, Website swarthmore.edu (englisch, abgerufen am 4. Juni 2024)
  5. Marcus Rediker: The Fearless Benjamin Lay. The Quaker Dwarf Who Became the First Revolutionary Abolitionist, Website marcusrediker.com (englisch, abgerufen am 5. Juni 2024)
  6. Marcus Rediker: The “Quaker Comet” Was the Greatest Abolitionist You’ve Never Heard Of. Overlooked by historians, Benjamin Lay was one of the nation’s first radicals to argue for an end to slavery, Website smithsonianmag.com (September 2017, englisch, abgerufen am 4. Juni 2024)
  7. Claus Bernet: Kelpius, Johann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 23, Bautz, Nordhausen 2004, ISBN 3-88309-155-3, Sp. 778–786.
  8. Matthias Rude: Antispeziesismus. Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken. Schmetterling-Verlag, Stuttgart 2013, S. 39.
  9. National Portrait Gallery: Benjamin Lay, Website npg.si.edu (englisch, abgerufen am 5. Juni 2024)