Präfaschistischer Tripolitanienfeldzug
BearbeitenIn Reaktion auf den Versuch der Tripolitanier, eine gegen Italien gerichtete Allianz mit der Cyrenaika unter Führung der Senussi zu schaffen, begann Gouverneur Volpi am 26. Januar 1922 den Feldzug zur Rückeroberung Tripolitaniens. Über den Seeweg landete eine 1.500 Mann starke italienische Truppe nahe des Hafens von Misrata. Der von rund 200 Verteidigern gehaltene Hafen konnte von den Italienern erst nach siebzehn Tagen eingenommen werden. Innerhalb einer Woche nach dem Beginn der Kämpfe rief das tripolitanische Reformkomitee zum Angriff auf alle italienische Posten auf und verkündete den Dschihad. Die Eisenbahnverbindung nach Tripolis wurde unterbrochen und die eritreische Askari-Einheit der Italiener in al-ʿAzīzīya belagert – es folgten viele weitere kleinere Kampfaktionen. Ende Februar wurde ein Waffenstillstand vereinbart, der auf eine Regierungskrise in Rom und die Ernennung des neuen Kolonialministers Giovanni Amendola zurückging: Die Führung in Rom war über die weitere Vorgehensweise noch unentschlossen. Motivierend für die Tripolitanier wirkten sich die Entwicklungen im benachbarten Ägypten aus, das im März 1922 seine Unabhängigkeit von Großbritannien erklärte. Da Tripolitanien auf die Unterstützung der Senussi-Führung der Cyrenaika angewiesen war, nahmen tripolitanische Gesandte an der Versammlung der cyrenäischen Stammesführer in al-Adschdabia teil, wo sie Idris as-Senussi die Herrschaft als Emir über Tripolitanien anboten. Am 22. Juni wurde Idris von der tripolitanischen Repräsentanz auch offiziell zum Emir ausgerufen, dieser nahm den Titel jedoch erst am 22. September kurz vor seinem Gang ins ägyptische Exil an.[1]
Nach dem Ende der Waffenruhe am 10. April 1922 war Gouverneur Volpi, der nun die volle Unterstützung der italienischen Regierung in Rom genoss, bereit für die „Wiederherstellung der Normalität“, wie die präfaschistische Bezeichung für die Rückeroberung lautete. Seinen 15.000 Soldaten standen etwa 7.000 „Rebellen“ gegenüber, die die Italiener bei az-Zawiya angriffen. Dem jungen Oberst Rodolfo Graziani, den Volpi zusammen mit anderen kompetenten Offizieren um sich versammelt hatte, gelang es nun im Laufe von zehn Tagen den gesamten Küstenstreifen von Tripolis bis Zuwara zu besetzen. Unter der Oberaufsicht General Pietro Badoglios, einem kurz zuvor in Tripolis eingetroffenen Helden des Ersten Weltkrieges, marschierte Graziani am 30. April in der vom tripolitanischen Widerstand belagerten Stadt al-ʿAzīzīya ein. Bis mitte Mai erlangen die Italiener die Kontrolle über die gesamte Ebene von al-Dschifara, und Ende Mai begann Graziani mit der „Pazifizierung“ des westlichen Dschabal Nafusa Gebirges, wobei am 5. Juni die Stadt Nalut fiel. Gouverneur Volpi, der zu keinen Verhandlungen mit den tripolitanischen Vertretern mehr bereit war, hatte mittlerweile über Tripolitanien das Kriegsrecht ausgerufen, was einer formalen Kriegserklärung entsprach. Mussolinis Marsch auf Rom im Oktober 1922 hatte zunächst noch keinen großen Effekt auf den Krieg. Der seit zehn Monaten andauernde Feldzug gegen Tripolitanien ging weiter. Am 31. Oktober meldete Graziani die Einnahme der Stadt Yafran, im November folgte die Eroberung der gesamten Gebirgsgegend von Nalut bis Gharyan.[2]
- ↑ Ali Abdullatif Ahmida: The Making of Modern Libya. New York 2009, S. 133; Eduard Gombár: Dějiny Libye [= Geschichte Libyens]. Prag 2015, S. 89 f. (tschechisch); John Wright: A History a Libya. London 2012, S. 129 u. 132f.
- ↑ Eduard Gombár: Dějiny Libye [= Geschichte Libyens]. Prag 2015, S. 90. (tschechisch); John Wright: A History a Libya. London 2012, S. 134 ff.