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Seit 1999 wird in Deutschland alle zwei Jahre ein internationaler Whistleblower-Preis vergeben. Der Preis soll die Öffentlichkeit für das Whistleblowing sensibilisieren und die – häufig von Entlassung und Maßregelungen betroffenen oder bedrohten – Preisträger unterstützen.
Geschichte
BearbeitenAm 12. November 1999 wurde zum ersten Mal in der Humboldt-Universität zu Berlin der deutsche Whistleblowerpreis vergeben. Der Preis wurde ursprünglich von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der deutschen Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) gestiftet. Einmalig an der 3. Preisverleihung beteiligte sich zusätzlich die Ethikschutz-Initiative des International Network of Engineers and Scientists to Promote and Protect Ethical Engagements (INESPE).[1]
Seit 2013 beteiligt sich auch die deutsche Sektion von Transparency International (TI) an der Preisvergabe und -dotierung.
Preisträger
BearbeitenSechs der bisherigen zwölf Preisträger haben in deutschen Angelegenheiten die „Pfeife geblasen“, Vier Preisverleihungen betrafen US-amerikanische und je eine Angelegenheit das Vereinigten Königreich und Russland.
Jahr | Preisträger | Flagge | Staat | Beschreibung |
---|---|---|---|---|
1999 | Alexander Nikitin | Russland | ehemaliger sowjetischer Marinekapitän, der auf unsichere Atommülllager und gefährliche Praktiken der russischen Nordmeerflotte aufmerksam machte | |
2001 | Margrit Herbst | Deutschland | deutsche Tierärztin, die 1994 die Öffentlichkeit über die Vertuschung der ersten BSE-Fälle informierte | |
2003 | Daniel Ellsberg | Vereinigte Staaten | hochrangiger Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums, der 1971 die Pentagon-Papiere an die Presse weitergab | |
2005 | Theodore A. Postol | Vereinigte Staaten | Physiker am MIT, der das US-Raketenabwehrprogramm GMD kritisierte und dabei dem Lincoln Laboratory des MIT Wissenschaftsbetrug sowie dem MIT selbst Vertuschung vorwarf | |
2005 | Árpád Pusztai | Vereinigtes Königreich | Biochemiker am Rowett Institute in Aberdeen, der bei Ratten-Fütterungsversuchen mit Gen-Kartoffeln Schäden am Immunsystem und Wachstumsstörungen von Organen feststellte und dies veröffentlichte | |
2007 | Liv Bode | Deutschland | deutsche Wissenschaftlerin, die den Verdacht der Kontamination von Plasmaspenden mit infektiösen Bestandteilen von Bornavirus im Bereich der Infektionsforschung am Robert-Koch-Institut in Berlin zu klären versuchte | |
2007 | Brigitte Heinisch | Deutschland | Altenpflegerin in einer Berliner Einrichtung, die die dortige unzureichende Pflege und Betreuung alter und hilfebedürftiger Menschen durch eine Strafanzeige wegen Betrugs öffentlich machte. Sie wurde daraufhin fristlos gekündigt. Die Kündigung wurde von den deutschen Arbeitsgerichten bestätigt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sah darin jedoch einen Menschenrechtsverstoß, weil die deutschen Gerichte bei der Bewertung des Whistleblowings nicht in ausreichendem Maße die Meinungsfreiheit der Arbeitnehmerin und das öffentliche Interesse an der Information berücksichtigt hatten. Er sprach der Betroffenen eine Entschädigung für den Arbeitsplatzverlust zu.[2][3] In der daraufhin erhobenen Restitutionsklage gegen die Arbeitgeberin schlossen die Parteien am 24. Mai 2012 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einen Vergleich, nach dem Heinisch eine Abfindung im hohen fünfstelligen Bereich erhielt und das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. März 2005 endete.[4][5] | |
2009 | Rudolf Schmenger | Deutschland | für die Aufdeckung von Steuerhinterziehung der Commerzbank und der Deutschen Bank von 500 Mio. Euro[6] und ihren Einsatz für den Erhalt effektiver Arbeitsmethoden bei der Steuerfahndung Frankfurt im Kampf gegen Steuerhinterziehung – auch gegen den Widerstand der Finanzverwaltung.[7] (Siehe Steuerfahnderaffäre.) | |
2009 | Frank Wehrheim | Deutschland | für die Aufdeckung von Steuerhinterziehung der Commerzbank und der Deutschen Bank von 500 Mio. Euro[8] und ihren Einsatz für den Erhalt effektiver Arbeitsmethoden bei der Steuerfahndung Frankfurt im Kampf gegen Steuerhinterziehung – auch gegen den Widerstand der Finanzverwaltung.[9] (Siehe Steuerfahnderaffäre.) | |
2011 | Rainer Moormann | Deutschland | Atomwissenschaftler am Forschungszentrum Jülich, der aufdeckte, dass der 1988 stillgelegte Kugelhaufen-Versuchsreaktor AVR in Jülich im Normalbetrieb jahrelang mit gefährlich überhöhten Kerntemperaturen betrieben worden war.[10][11] | |
2011 | Bradley Manning | Vereinigte Staaten | des unter dem Titel Collateral Murder bekanntgewordenen Dokumentations-Videos über einen von US-Soldaten im Irak durchgeführten Luftangriff, den die verleihenden Vereinigungen als schweres Kriegsverbrechen einschätzen. Die Preisübergabe an den Whistleblower sollte erfolgen, sobald dessen Identität feststand.[10][11] Heute ist bekannt, dass es sich bei dem Whistleblower um den US-Soldaten Bradley Manning handelte. Da Manning jedoch in amerikanischer Haft sitzt, konnte die Preisverleihung bisher noch nicht erfolgen. | |
2013 | Edward Snowden | Vereinigte Staaten | ehemaliger technischer Mitarbeiter der US-amerikanischen Geheimdienste NSA und CIA, der mit Hilfe Tausender kopierter Dokumente die Existenz von Programmen amerikanischer und britischer Geheimdienste öffentlich machte, die der Totalüberwachung des weltweiten Internetverkehrs dienen, darunter PRISM, Tempora und Boundless Informant.[12] (Siehe auch: Überwachungs- und Spionageaffäre 2013) |
Siehe auch
BearbeitenWeblinks
Bearbeitenz. Zt. noch sinnlos, da die Kategorie in Commens noch nicht existiert:
- Whistleblower-Preis – offizielle
Literatur
Bearbeiten- Dieter Deiseroth, Annegret Falter: Whistleblowerpreis 2003 – Daniel Ellsberg. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2005, ISBN 3-8305-0973-1.
- Dieter Deiseroth, Annegret Falter: Whistleblower in Gentechnik und Rüstungsforschung : Preisverleihung 2005 – Theodore A. Postol, Arpad Pusztai. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2006, ISBN 3-8305-1262-7.
- Dieter Deiseroth, Annegret Falter: Whistleblower in Altenpflege und Infektionsforschung : Preisverleihung 2007 – Liv Bode, Brigitte Heinisch. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2007, ISBN 3-8305-1455-7.
- Dieter Deiseroth, Annegret Falter: Whistleblower in der Steuerfahndung : Preisverleihung 2009 – Rudolf Schmenger, Frank Wehrheim. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2010, ISBN 3-8305-1756-4.
- Dieter Deiseroth, Annegret Falter: Whistleblowing im nuklear-industriellen Komplex : Preisverleihung 2011 - Dr. Rainer Moormann. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2012, ISBN 3-8305-3021-8.
- Dieter Deiseroth, Annegret Falter: Zivilcourage im BSE-Skandal - und die Folgen : Whistleblower-Preis 2001 für die Tierärztin Dr. Margrit Herbst – Dokumentation und kleine Wirkungsgeschichte. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2002.online
- Whistleblowing in Zeiten von BSE – Der Fall der Tierärztin Dr. Margrit Herbst. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2001, ISBN 3-8305-0258-3.
- Dieter Deiseroth, Dietmar Göttling: Der Fall Nikitin –Eine Dokumentation zur Verleihung des Whistleblowerpreises 1999. G. Emde Verlag, Pittenhart 2000, ISBN 3-923637-56-X.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Vereinigung Deutscher Wissenschaftler VDW e.V. – Whistleblower: Publikationen. In: vdw-ev. Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e. V., archiviert vom am 27. Juli 2013; abgerufen am 27. Juli 2013.
- ↑ Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011 Heinisch gegen Deutschland, 28274/08 (englisch)
- ↑ Urteil - Kündigung wegen Kritik an Arbeitgeber ist ungerechtfertigt. In Süddeutsche Zeitung vom 21. Juli 2011
- ↑ Pressemmitteilung des LAG Berlin-Brandenburg vom 24. Mai 2012
- ↑ (http://www.123recht.net/article.asp?a=118812 123recht.net, abgerufen am 16. Juni 2012)
- ↑ Bericht der Frankfurter Rundschau vom 9. Mai 2009, S. 5.
- ↑ Whistleblower-Preis 2009: Jurybegründung
- ↑ Bericht der Frankfurter Rundschau vom 9. Mai 2009, S. 5.
- ↑ Whistleblower-Preis 2009: Jurybegründung
- ↑ a b http://www.hintergrund.de/201106061576/politik/inland/verleihung-des-whistleblower-preises-2011.html
- ↑ a b Heise.de am 6. Juni 2011: Whistleblower-Preis 2011 geht an Kernforscher. Abgerufen am 7. Juni 2011.
- ↑ Andreas Wilkens: Whistleblower-Preis für Edward Snowden. heise.de, 23. Juli 2013, abgerufen am 23. Juli 2013.