Benutzer:ANRIwiki/Schäfereigenossenschaft Finkhof

Die Schäfereigenossenschaft Finkhof ist in den 70er-Jahren entstanden. Über das Leben der Kommune wurden mehrere Filme gedreht.[1] Von Anfang an bestanden enge Verbindungen zur taz, die immer wieder über das Leben, die Ideen und die Arbeit auf dem Finkhof berichtete.


Die Anfänge

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Erst einmal waren sie "dagegen": Gegen den Kapitalismus, gegen den Vietnamkrieg, gegen das Leben der Eltern. 1970 bildete sich in Isny in Allgäu eine kommunistische Jugendgruppe. Nachdem sie die Schule beendet hatten, bezogen diese Jugendlichen einen leerstehenden Bauernhof - den Finkhof. Die einen machten eine Ausbildung, die anderen studierten. Fünf Jahre später stellte sich die Frage, was nun geschehen sollte. Die Idee, Landwirtschaft und Schafzucht zu betreiben, wurde in die Tat umgesetzt. Nur ein Jahr später hatten die Mitglieder der Kommune rund 100 Schafe. Der Platz auf dem Hof reichte nicht mehr aus. Ein Hof auf 1.000 Metern Höhe wurde 1977 gepachtet, die Kommunarden finden an, mit Wolle zu handeln, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Schnell entschieden sich die Kommunenmitglieder, eine gemeinsame Kasse zu führen.

„Uns ging es darum, möglichst hierarchiefrei miteinander zu leben, unsere anerzogenen bürgerlichen Verhaltensweisen über Bord zu werfen. Wir wollten radikal brechen mit individueller Raffgier, Neiderei, Eifersucht und Karrieristentum . Die alten Genossenschaften waren in Wirklichkeit zu wenig radikal, zu ökonomisch.“[1](Leupolz 1983, S. 35).

Politisch engagierten sich die Kommunenmitglieder bei der Arbeiterselbsthilfe, bei Longo Mai und in der Anti-Atomkraft-Bewegung.

Die Finkhöfler leihen sich von Freunden und Eltern Geld, kaufen Wolle, waschen sie und legen einen weiteren Grundstein für ihre „neue Ökonomie“. Die ersten 500 Kilo Wolle sind verkaufsfertig, die ersten Selbstdarstellungen gedruckt, 150 weitere Schafe aus Österreich gekauft. Und die Gruppe – zählte nur noch vier Mitglieder – das war der Stand der Dinge 1977.

1976 gründet die Jugendwohngemeinschaft eine Wanderschäferei, um ein freies und selbstbestimmtes Leben und vor allem auch Arbeitsleben führen zu können. Auf lokalen Märkten verkauft die Gemeinschaft Strickwolle und Felle, um den Lebensunterhalt zu sichern.

1979 genügte der Hof den Ansprüchen und Wünschen nicht mehr. Einige Mitglieder wollten die Wolle weiterverarbeiten, andere wollten eine Kneipe betreiben. Nach langer Suche konnte die Gruppe den Gasthof "Adler" in Arnach kaufen, der damals in einem sehr schlechten Zustand war. Nach und nach wurde das Gebäude renoviert, auch mit Hilfe von Freunden, die außerhalb lebten.

Ohne Geld ging es nicht - und so wurden die Finkhöflerinnen und Finkhöfler zu Wollhändlern mit politisch-ökologischem Gedankenunterbau. Die ökologischen Vorteile der Wanderschäferei und das Thema Landschaftspflege rückten in den Vordergrund der Argumentation, die "Aktion Schafpatenschaft" entstand: Für 130 Mark konnte man damals die Patenschaft für ein Bergschaflamm erwerben. Die Resonanz der Öffentlichkeit war groß. „Aktives Engagement gegen Umweltzerstörung und Jugendarbeitslosigkeit, das hörte man gerne“ (Leupolz 1983, S. 37).

Durch die Wolltouren und den Presserummel wächst die Gruppe wieder stark.

Der Weg zur Genossenschaft

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Die Kommune musste viele Rückschläge in der Landwirtschaft durchleben, war schon auf dem Weg in die konventionelle Bewirtschaftung. Auch in der Spinnerei zeigten sich die Grenzen der alternativen Arbeit. Mit der Expansion des Gewerbes musste eine neue Rechtsform gefunden werden - die Gruppe entschied sich für die Genossenschaft. Am 30. November 1978 findet die Gründungsversammlung der Schäferei Finkhof eG statt.

Die Grundsätze der Finkhof-Genossenschaft[2]:

  • Ein Mann/eine Frau - eine Stimme
  • Die annähernde Neutralisierung der Produktionsmittel
  • gleiche Bewertung der Arbeit - keine Trennung von Hand- und Kopfarbeit
  • nicht das Geld, sondern die Arbeitsleistung entscheidet

Im ersten Geschäftsjahr der Genossenschaft arbeiten 12 Menschen gemeinsam, sie kaufen den Gasthof "Adler" in Arnach.

1980 entsteht unter Beteiligung des Finkhofs die erste Ausgabe der "Betriebszeitung" als Beilage der taz.

1983 entschied sich die Gruppe, einen Haushalt als "Großgruppe" zu führen. Nach und nach gründeten die Mitglieder neue Arbeitsbereiche: die Weberei, die Pflanzenfärberei, eine kleine Bäckerei, der Versandhandel, die Kneipe. 1985 kommt die Fellnäherei dazu. Die Gastwirtschaft wird 1995 wieder geschlossen.

Ab Mitte der 80er-Jahre kam der große Aufschwung für den Versandhandel des Finkhofs.

Die Herde war 1997 auf 650 Mutterschafe angewachsen, ein neuer Schafstall wurde gebaut. Im "Löwen" entstand ein Tagungshaus, das Platz für das "Finkhof Bildungswerk" bot. Ab Mitte der 80er-Jahre stand der Aufbau und die Solidarität mit Nicaragua im Vordergrund, dort betreute der Finkhof ein Entwicklungshilfeprojekt, das die Verbindung zwischen Schafzucht und ökologischem Kaffeeanbau herstellt. Der Verein "Hilfe zur Selbsthilfe e.V." unterstützt genossenschaftliche Projekte in Nicaragua. 1988 beginnt das Projekt Kaffeeplantagenpflege mit Schafen in Nicaragua.

Der Allgäuer Schafskrieg

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Der Alpenverein machte dem Finkhof die Sommerweide streitig - das führt 1983 zur Besetzung der Oberen Mädele Alpe - mit 900 Schafen. Der "Allgäuer Schafskrieg" ging durch die Presse.

Zertifizierungen

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1992 wird die Schäferei anerkannter Bioland-Betrieb. 2001 wird der Finkhof MItglied im IVN, dem Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft e.V.

Mitgliederzahl der Kommune

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Im Laufe der Jahre schwankte die Zahl der Mitglieder ganz erheblich. Sie lag zwischen 4 und 35 Erwachsenen, Höhepunkt war Anfang der 90er-Jahre. 1982 lag die Gruppe bei 30 Mitgliedern. Bis 2000 wird die Gruppe wieder kleiner, die Zahl der Angestellten aber steigt. 2003 ist die Gruppe auf 10 Erwachsene, drei Jugendliche und zwei Schäferlehrlinge "geschrumpft". Gruppenzuwachs ist nicht mehr das erklärte Ziel. 2012 bekunden mittlerweile erwachsene "Finkhof-Kinder" Interesse daran, den Versand ab 2018 zu übernehmen. 2014 gibt es vier Menschen, die als "Übernehmer" eintreten wollen - darunter zwei Kommunekinder.

Die Schäferei

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2018 verkauft die Genossenschaft die Schafe, da sie die Schäferei nicht mehr selbst umtreiben will. Eine ehemalige Auszubildende und eine frühere Praktikantin gründen eine neue Schäferei und nutzen die Flächen und den Stall in Arnach. Die Fuchsschafe des Finkhofs bilden einen Teil der Bioland-Herde der neu gegründeten Schäferei.

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Einzelnachweise

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  1. Wilfried Leupolz: Der lange Marsch zum kollektiven Leben, Schäfereigenossenschaft Finkhof. Drumlin Verlag, Weingarten 1983, ISBN 3-924027-01-3, S. 35.
  2. Jens Herrmann: Was lange währt ... : Die Schäfereigenossenschaft Finkhof. In: www.anarchismus.at. Anarchia Versand, abgerufen am 7. Mai 2019 (deutsch).