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Karnismus

Allgemeines

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Der Ausdruck >Karnismus< (engl.: carnism) bezeichnet ein unsichtbares System aus Überzeugungen (engl.: belief system, ideology), das es Menschen ermöglicht, bestimmte Tierspezies zu töten, bzw. töten zu lassen, und zu essen, ohne Mitgefühl für diese Spezies zu empfinden. Der Begriff wurde zuerst von der Sozialpsychologin Joy (2001) benutzt und dann im Rahmen ihrer Doktorarbeit weiter vertieft (Joy 2003). Joys Ausgangsposition war die Frage, wieso Menschen, die sich selbst als tierliebend bezeichnen, die Körper bestimmter Tiere essen können, ohne dass sie dabei irgendeinen Widerspruch verspüren (ebd.: 1). Joy argumentiert, dass sich dahinter ein unsichtbares System aus Überzeugungen, bzw. eine Ideologie, befindet, das sie >Karnismus< (>carne< bedeutet Fleisch und die Endung >-ismus< weist auf ein Glaubenssystem oder eine Ideologie hin) (ebd.: ii). Sie argumentiert, dass dieses Glaubenssystem unbewusst bewirkt, dass die Werte von Menschen ( Ich bin gegen Tierquälerei ) nicht mehr mit ihren tatsächlichen Handlungen ( Ich esse (bestimmte) Tiere ) im Einklang stehen und es dabei zu einer veränderten Wahrnehmung des Selbst und der eigenen Handlungen und Werte kommt, so dass es trotz allem den Anschein hat, als wären die Werte mit den Handlungen vereinbar (ebd.: 1). Damit verbunden kommt es zu einer psychischen Betäubung (engl.: psychic numbing), einer Art emotionaler Abstumpfung, die Joy anhand der Ausführungen des Psychiaters Robert Jay Lifton wie folgt beschreibt:

„Psychische Betäubung ist eine Unterbrechung in der psycho-emotionalen Verarbeitung, die zu einem verminderten oder abgestumpften Empfinden führt. Sie wird ermöglicht durch und manifestiert in verschiedenen Abwehrmechanismen des Egos. Psychische Betäubung ermöglicht jemandem an gewaltvollen Praktiken teilzunehmen, ohne wahrnehmbare kognitiv-affektive Störungen zu erleben (ebd.: i).“

Joy vertritt die Ansicht, dass Karnismus einerseits eine dominante Ideologie sei, die mit sämtlichen gesellschaftlichen Institutionen verwoben ist, und andererseits eine gewaltvolle Ideologie, da Fleisch nicht ohne die Tötung von Tieren gewonnen werden kann (ebd.: 7-9).

Sie vertritt weiterhin die These, dass Karnismus deshalb eine Reihe sozialer und psychologischer Schutzmechanismen verwenden muss, die Menschen überhaupt erst dazu befähigt, emotional abzustumpfen und an gewaltvollen Praktiken teilzunehmen, die sie eigentlich niemals unterstützen würden. Diese Verteidigungsmechanismen teilt sie grob in drei große Kategorien ein: Leugnung, Rechtfertigung und Wahrnehmungsverzerrung.

Zusammengefasst lässt sich Joys These in sechs Schritte einteilen (ebd.: 16-17):

  1. Menschen streben nach kognitiver Konsistenz und einem positiven Selbstbild;
  2. In der westlichen Kultur ist ein positives Selbstbild nicht mit - Gewalt gegenüber unschuldigen Lebewesen vereinbar;
  3. Die aktuelle Fleischproduktion ist ein unnötiger Gewaltakt;
  4. Durch Fleischkonsum macht man sich an dieser Gewalt in einer gewissen Art mitverantwortlich;
  5. Deswegen löst Fleischkonsum kognitive moralische Dissonanz aus;
  6. Karnistische Betäubung mildert diese Dissonanz ab.

Diese Betäubung wird durch drei Abwehrmechanismen (Leugnung, Rechtfertigung und Wahrnehmungsverzerrung) ermöglicht (Mannes 2012: 25).

Schutzmechanismen

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Leugnung

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Der erste Verteidigungsmechanismus des karnistischen Systems ist Leugnung (Joy 2003: 124). Sie zeige sich u.a. in der Dissoziation, indem unangenehme Gedanken und Gefühle in Verbindung mit dem Fleischkonsum aus dem Bewusstsein ausgeschlossen werden (ebd.:11-119), sowie in der Vermeidung mit der Konfrontation der Hintergründe der Fleischproduktion (ebd.: 123-124). Die Leugnung äußere sich jedoch am stärksten durch die Unsichtbarkeit der Opfer des Karnismus, indem versucht wird, die Lebenssituation der Nutztiere in der Nutztierindustrie vor dem öffentlichen Bewusstsein zu verbergen (Joy 2013: 38).

Die »drei N's der Rechtfertigung

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Joy ist zweitens der Ansicht, dass Unsichtbarkeit und Leugnung allein nicht zur Aufrechterhaltung des karnistischen Systems reichen, z.B. wenn Dokumentationen über die Zustände in Tierhaltungsbetrieben veröffentlicht werden, aber auch weil wir täglich mit Tierkörpern oder Teilen von Tierkörpern in Kontakt kommen, z.B. in der Form von Fleisch. In solchen Momenten bediene sich Karnismus oftmals eines weiteren Schutzmechanismus, den Joy die »drei N's der Rechtfertigung« nennt: Fleischessen sei normal, natürlich und notwendig. Ihrer Auffassung nach seien alle Rechtfertigungsargumente auf diese drei Worte reduzierbar (Joy 2003: 11of). Z.B. sei das Argument, dass jemand, der kein Fleisch zu sich nehme, an Proteinmangel leiden werde, unter dem Aspekt der Notwendigkeit aufzufassen. Des Weiteren zeigt sie auf, dass diese »drei N's der Rechtfertigung« in der Geschichte der Menschheit auch benutzt worden sind, um andere dominante und gewaltvolle Ideologien zu legitimieren, wie z.B, die Sklaverei, männliche Dominanz oder heterosexuelle Vormachtstellung ( Intersektionalität). Dadurch zeigt sie gleichermaßen die Verbindung des Karnismus mit anderen diskriminierenden Ideologien wie Rassismus und Sexismus auf, sowie die Bedeutung des Wissens um Karnismus im Einsatz für soziale Gerechtigkeit (ebd 157-159).

Wahrnehmungsverzerrung

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Der dritte große Verteidigungsmechanismus ist laut Joy Wahrnehmungsverzerrung, die sich durch folgende Merkmale äußern kann: Dichotomisierung bzw. Kategorisierung (Aufteilung von Spezies in essbar und nicht essbar) (ebd.: 102-110), Übergeneralisierung bzw. Entindividualisierung (Aberkennung jeglicher Persönlichkeit und Charakterzüge bei verschiedenen Tieren derselben Spezies) (ebd.: 119-123), Objektivierung bzw. Verdinglichung (Tiere nicht als Lebewesen wahrnehmen, sondern als Nummern, Objekte oder Nahrungsmittel) (ebd.: 125f.), Rationalisierung (vermeintlich rationale Erklärungen für irrationales Verhalten) (ebd.: 126ff.) und Ekel bzw. die Abwesenheit von Ekelgefühlen (ebd.: 128). Während Menschen, die kein Fleisch essen, in der Regel den Konsum aller Spezies als ekelhaft empfinden würden, würden Menschen, die Fleisch essen, dies nur bei der überragenden Mehrheit tun - mit Ausnahme der Spezies, die sie zu essen erlernt hätten (Nahrungstabu).

Soziale Gerechtigkeit

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Aus ihren Arbeiten zieht Joy den Schluss, dass der Konsum von Tieren mehr als nur eine persönliche Entscheidung sei, sondern das unvermeidliche Resultat einer gesellschaftlich tief verwurzelten Ideologie (Joy 2013: 30-38). Ihrer Auffassung nach ähnelt Karnismus strukturell anderen gewaltvollen Ideologien, wie Rassismus oder Sexismus, auch wenn sie betont, dass die Erfahrungen jeder Opfergruppe einzigartig seien. Die Verteidigungsmechanismen von Karnismus fånden sich auch in anderen diskriminierenden Glaubenssystemen wieder (Joy 2003: 157-159). Deswegen sei es wichtig die Gemeinsamkeiten dieser Ideologien auszumachen und sich dieser bewusst zu werden, um weitere Gewalt- und Diskriminierungsformen zu vermeiden.

Aktuelle Forschung

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So jung die Theorie auch ist, haben bereits weitere Forschungen begonnen, An der Universität Massachusetts in Boston arbeitet ein Team von Wissenschaftlerlnnen an der sog. Karnismus-Skala (carnism scale), einer Messskala, die auf der SDO-Skala (Social Dominance Orientation Scale) basiert. Ausgehend von 97 in 11 Kategorien eingeteilte Aussagen, bei denen Probandten ihren Grad der Zustimmung angeben sollen, möchte man so den Grad an Karnismus von Individuen und Bevölkerungsgruppen messen. Bei einem ersten Verfahren wurden die Testpersonen neben der Karnismus-Skala u.a. auch an der SDO-Skala gemessen, wobei man einen nicht unerheblichen Korrelationswert feststellte (r = 0.49, Erklärung: Pearsons Korrelationskoeffizient r misst in der Statistik den Grad des linearen Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen. Er kann einen Wert zwischen -1 und +1 annehmen. Je näher der Wert an -1 oder +1 liegt, desto stärker ist der Zusammenhang). Die Reliabilität der Karnismus-Skala erwies sich darüber hinaus als sehr hoch (a = 0.91, zum Vergleich SDO: a = 0.83, Erklärung: Cronbachs Alpha (a) misst die Realibilität bzw. die interne Konsistenz einer Skala. Er kann einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen. Je größer der Wert, desto höher ist die Realibilität. Bei einem Wert ab 0.9 spricht man von exzellenter Realibilität) (Monteiro et al. 2013).

Bedeutung und Auswirkung

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Die Karnismus-Theorie sowie die aktuellen Forschungen haben nicht nur eine zentrale Bedeutung im Wissenschaftsfeld der Human-Animal Studies, in dem das Verhältnis zwischen Menschen und jenen Tierspezies, die sie essen, untersucht wird, sondern können darüber hinaus auch in der Praxis eine zentrale Bedeutung einnehmen, z.B. in der > Tierrechtsbewegung. Die Forschungen und Arbeiten um die Karnismus-Theorie generieren Hintergrundwissen über die psychologischen Wirkmechanismen des Fleischkonsums u.a. auch abhängig von Geschlecht oder sozialem Milieu, sowie um die Effektivität verschiedener Kampagnen, Das Verständnis von Karnismus kann ein bedeutendes Werkzeug in der Strategie der Tierrechtsbewegung sein, sowohl für Organisationen als auch für Individuen. Jeff Mannes

Das Fleisch-Paradoxon

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Mit der Hilfe von Festingers Theorie, nahmen sich Bastian und Loughnan (2016) der Erklärung des Phänomens des sogenannten Meat-Paradoxes (übs.: Fleisch-Paradox) an. Es beschreibt den psychologischen Konflikt, der aus der gleichzeitigen Vorliebe für Fleisch und Ablehnung von Tierleid entsteht.

“Most people care about animals and do not want to see them harmed but engage in a diet that requires them to be killed and, usually, to suffer” (Loughnan, Bastian, and Haslam, “The Psychology of Eating Animals,” S. 104)

Es gibt also eine psychologische Erklärung dafür, warum es Stress beim Fleischesser auslöst, wenn jemand in dessen Begleitung eine Quinoa-Bowl bestellt: Es löst ein schlechtes Gewissen aus, dass zu vermeiden versucht wird. Denn bei Fleischessern ist es ähnlich wie bei Rauchern - beide wissen: eigentlich ist es nicht gut, was ich gerade tue, so auch Christoph Kotter, Professor für Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda (vgl. Schneider P., Focus Online, 10.08.2020).

Auslöser für kognitive Dissonanz hinsichtlich des Fleischkonsums

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Auslöser nach Rothgerber (2019)

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Aus Festingers Thesen ergibt sich also, dass der Mensch stets versucht kognitive Dissonanz zu vermeiden. In Bezug auf das Fleisch-Paradox (Meat-Paradox) beschreibt Rothgerber (vgl. Rothberger 2019,Kapitel 2.1 bis 2.5,) fünf unterschiedliche Kategorien von Auslösern:

  1. Informationen zu Bedingungen der Massentierhaltung;
  2. Hinweise auf den tierischen Ursprung von Fleisch;
  3. das Eingestehen des Fleischessens;
  4. das Eingeständnis, dass Fleischkonsum Tieren schadet; und
  5. der Präsenz einer Person, die kein Fleisch isst.

Im Umkehrschluss bedeutet es für den Fleischkonsumenten, dass er diese Faktoren möglichst meiden müsste oder auf ein Minimum zu reduzieren versucht. Oder natürlich, das Fleisch essen komplett aufgibt.

Für die Fleischwerbung hingegen bedeutet es, dass sie sich verschiedener Möglichkeiten bedienen muss, um möglichst wenig Dissonanz beim Käufer auszulösen um diese weiterhin zu binden und Umsatz zu erzielen.

Relevante empirische Befunde in Bezug auf die Fleisch-Prospektwerbung

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Eine Studie von Kunst und Hohle (2016) zeigt (unter anderem), dass Norweger und US- Amerikaner Fleisch ekliger fanden, wenn es mit anstatt ohne Knochen gezeigt wurde. Damit einher ginge auch die starke Verarbeitung von Fleischprodukten (z.B. Geschnetzeltes), da hierdurch der tierische Ursprung psychologisch betrachtet leichter in den Hintergrund gestellt werden kann (vgl. Kunst & Hohle, 2016). Eine weitere Art der Distanzierung und Dissonanzreduktion, ist die Verwendung von Euphemismen, beispielsweise Geflügel statt Huhn, Produktionsprozess statt Schlachtung, Fleisch statt Körperteil. (vgl. Bastian & Loughnan, 2017; vgl. Kunst & Hohle, 2016). Es verschleiert die oft qualvollen Lebensumstände der Tiere und stuft sie herab zu Objekten, die eher wenig Schmerz- und Bewusstsein empfinden (Vgl. Joy 1993, S. 11-52). Zudem kann Dissonanz dadurch reduziert werden, dass dem Tier die Fähigkeit zum Leiden abgesprochen wird. Das passiert, indem Tiere in Nutztiere (,,food animals”) und Haustiere kategorisiert werden (vgl. Bastian und Loughnan, 2017).

Die verschiedenen empirischen Befunde hinsichtlich der Dissonanzreduktion beim Fleischkonsum sind somit sehr eindeutig: Je größer die Distanzierung zwischen dem Tier (und somit dem Tierleiden, welches einen moralischen Konflikt auslöst) und dem Endprodukt, je geringer die kognitive Dissonanz des Fleischkonsumenten.

Darstellung von Fleisch in der Prospektwerbung

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Theresa Osterkamp - Als Beispiel zur Veranschaulichung und Prüfung diente eine aktuelle Lidl (11.02) sowie Kaufland (04.02). Prospektwerbung. Siehe Abbildung 1 und 2 im Abbildungsverzeichnis. Merkmale, die sich in beiden Prospekten wiederfinden, sind dass die Fleischprodukte meist komplett verarbeitet, und oft sogar schon als fertig gekochtes Gericht mit Dekoration auf dem Teller präsentiert werden. Motive der verarbeiteten Tiere sind nicht abgebildet. Gelegentlich sind die Produkte mit Siegeln versehen. Diese deuten auf eine deutsche Herkunft des Fleischs (Lidl, Abb.2) hin, das Auslassen von Gentechnik oder auch die Haltungsform (Kaufland, Abb.1). Die Tiere, aus denen die Produkte hergestellt wurden, werden nicht zusätzlich abgebildet. Die Knochen der Tiere sind gänzlich entfernt. Außerdem fallen eher weniger die tatsächlichen Bezeichnungen der Tiere, aus denen die Produkte bestehen. Es zudem wird mit “Qualität aus der Theke” (Abb. 1) geworben.

Verschiedene Mittel der Fleischwerbung um Dissonanzreduktion zu erreichen mit Bezugnahme auf die empirischen Befunde

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Nach Festinger und Rothgerber möchte der Mensch kognitive Dissonanz sowie Informationen und Situationen, durch welche sie auslöst wird meiden, um einem unangenehmem Gefühlszustand auszuweichen (siehe 2. und 2.1). Die empirischen Befunde in 2.2 geben zusätzlich Auskunft darüber, was genau in dem Menschen kognitive Dissonanz auslöst hinsichtlich des moralischen Konflikts Tierleiden abzulehnen, aber trotzdem Fleisch zu konsumieren. Anhand der beiden Fleischprospektwerbungen, die hierfür als Veranschaulichung dienen, sind Übereinstimmungen erkennbar, die aus Punkt 3. zu entnehmen sind.

Es wird Distanz zwischen Tier und Produkt bewahrt, indem das Fleisch ausschließlich stark verarbeitet, oder fertiggekocht und serviert präsentiert wird. Das Fleisch wird somit weniger mit dem lebenden Tier in Verbindung gebracht (vgl. Kunst & Hohle, 2016). Genauso verhält es sich damit, dass keine Knochen in den Abbildungen der Prospektwerbung vorhanden sind. Dies würde ebenfalls Ekel beim Konsumenten auslösen (vgl. ebd.). Die Fleischprospektwerbung tabuisiert zudem das Tierleiden und die Gewaltakte, die die Tiere erleben, nichts lässt auf die genauen Lebensbedingungen schließen, abgesehen von den vereinzelten Siegeln, die Qualität signalisieren (in Abb. 1 sind einzelne Produkte der „Haltungsstufe 3 Außenklima" eingestuft. Das bedeutet lediglich, dass bei der Schweinemasthaltung, dass jedes Tier 1,05m2 Platz gehabt haben muss (vgl. Haltungsform.de).

Auch die Verwendung von Euphemismen als weitere Art der Distanzierung nach Bastian und Loughnan (2017) ist anhand der beiden Beispiele (Abb. 1 u. Abb. 2) zu beobachten. Es werden Begriffe verwendet, wie ,,Geschnetzeltes”, ,,Braten”, ,,Roastbeef” und ,,Hackfleisch”, Haltung/regionale Herkunft anstatt Schlachtung (Abb. 1 u. 2). Auch der fehlende Kontrast auf den Verpackungen ist ein Kritikpunkt. Schaut man sich zum Beispiel einen Stall an, in dem auf engsten Raum tausende von Tieren untergebracht sind und im selben Atemzug das fertige Produkt, welches daraus resultiert, dann ist der Kontrast extrem (s. Abb. 3).

Es lässt sich sagen, dass die Lebensumstände der Tiere durch das Weglassen von Informationen idyllisiert. Generell wird alles, was die Überzeugungskraft oder die Attraktivität eines Produkts beeinträchtigen könnte, vermieden (vgl. Spieß 1994, S. 408-426). Ob die Zusammenhänge monokausal sind, ist trotz der Übereinstimmungen unklar und nicht nachzuvollziehen.

3.2 Problematik der Fleischwerbung: Wie weit darf Werbung gehen?

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Stellt man die Fleischwerbung der Realität gegenüber, kommen schnell Zweifel auf: Kann das ethisch und rechtlich in Ordnung sein, die Realität dermaßen zu verschleiern, wenn damit die jährliche Tötung von mehr als 750 Millionen Tieren (Stand 2019) in Deutschland einhergeht (vgl. Albert-Schweizer)?

Nach dem deutschen Tierschutzgesetz, läge es in der Verantwortung des Menschen, ,,das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen” und dass es verboten sei „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zuzufügen (§1 TierSChG). Nach §17 des Tierschutzgesetzes sei Gewalt gegen „Wirbeltiere" legal, wenn ein (nicht genauer beschriebener) ,,vernünftiger Grund” vorliegt (§ 17 Abs. 1 TierSchG). Mit einem Blick auf die Realität bedeutet das folglich: Massentierhaltung ist ein „vernünftiger" Grund.

Auch der Deutsche Ethikrat forderte bereits mehrfach und zuletzt bei einer Pressemitteilung im Juni 2020 dazu auf, Massentierhaltung und das damit einhergehende Tierleiden nicht als „unvermeidbar" anzusehen.[1]

Die die Trennung von Tier und Produkt in der Fleischwerbung ist ein wichtiger, kritischer Punkt hierbei. Genauso auch die Gewaltakte, die die Tiere durchlaufen - diese sind in der Werbung nicht sichtbar. Aber sobald sie es ist, sind viele dagegen. Laut einer Umfrage des veganen Lebensmittelherstellers "Veganz", (vgl. Veganz, zitiert nach de.statista.com) im Oktober 2019 haben rund 95% der Veganer und Veganerinnen zu den Motiven ihrer Ernährungsweise tierethische Gründe angegeben. Das heißt u.a. im Umkehrschluss: Sie müssen von Tierleid erfahren haben, um dagegen zu sein. Die sehr positive und vor allem distanzierte (i.S.v. Tier und Endprodukt) Darstellung des Fleischs in der Prospektwerbung trägt zudem dazubei, dass die Tiere nicht als Individuen gesehen werden, die Leid empfinden können.

Auch der fehlende Kontrast auf den Verpackungen ist ein Kritikpunkt. Schaut man sich zum Beispiel einen Stall an, indem auf engsten Raum tausende von Tieren untergebracht sind und im selben Atemzug das fertige Produkt, welches daraus resultiert, dann ist der Kontrast extrem (s. Abb. 3) und vor allem sehr realitätsfern. Andererseits hat Werbung aber auch eine Image- und Suggestionsfunktion (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016), die sie verfolgen darf und soll. Wie so oft bei Werbung, stehen sich - hier besonders - Ethik und das Ziel, Umsatz zu erzielen, gegenüber.

Fazit / Schlussfolgerung

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Fleischprospektwerbung zielt darauf ab, Fleischprodukte nicht mit dem (einst) lebenden Tier in Verbindung zu bringen. Indem mit Hilfe positiver, bildlicher Darstellungen versucht wird, die Emotionen der Konsumenten zu erwecken und die Lebensumstände der Tiere zu harmonisieren, entsteht eine Distanz zwischen dem Verbraucher und dem (tierischen) Produkt. Die Gewaltakte, die die Tiere erleben, werden tabuisiert. Diese Distanz erleichtert es dem Käufer, Fleischprodukte trotz Massentierhaltung, Tierversuchen, der Liebe zu Tieren und gesellschaftlichen und eigenen ethischen Überzeugungen zu vereinbaren. Auch das Versehen der Produkte mit Siegeln, die einen scheinbar „hohe Standards" erfordern, verschleiert und beschönigt Haltungsbedingungen der Tiere. All diese Faktoren reduzieren die kognitive Dissonanz des Käufers.

Der Wunsch des Individuums kognitive Dissonanz zu reduzieren und die Darstellung des Fleischs in der Prospektwerbung ergänzen sich quasi - Laut Festinger möchte der Mensch kognitive Dissonanz möglichst vermeiden und die Fleischwerbung geht auf dieses Bedürfnis ein. Auch die von Rothgerber aufgestellten Auslöser und empirischen Befunde unterstützen diesen Punkt.

Die Problematik, die sich hieraus ergibt, ist die bereits genannte Verschleierung der realen Lebenszustände der Tiere, die dem Verbraucher und der Gesellschaft generell ein sehr realitätsfernes Bild dessen darlegt. Ethik und Umsatz befinden sich in einem Spannungsfeld, das Verhältnis zwischen Tierschutzgesetz und der Realität ist widersprüchlich.

  • Studie: Loughnan, Steve; Bastian, Brock; Haslam, Nick (2014): The Psychology of Eating Animals. In: Current Directions in Psychological Science. Vol. 23 (2), 104-108.
  • Theresa Osterkamp Das Meat-Paradox. Untersuchung von Fleischwerbung unter Berücksichtigung der Theorie der kognitiven Dissonanz

Karnismus, Ideologie und Gewalt

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Das Suffix -ismus verweist darauf, dass Karnismus eine Ideologie ist und mehr meint , als bloß tierische ( - das Tier als ) Lebensmittel zu konsumieren. Fleischkonsumenten sind der Überzeugung, dass Menschen die Tiere zu ihrem Nutzen ausbeuten dürfen.

„We don’t help people see different things. We help them see the same things, differently. Beyond carnism

Ökonomie

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  • Karnismus im Kapitalismus
  • Pandemien
  • Machtkonzentration
  • Überfischung

Quartäre_Aussterbewelle#Der_Mensch_als_Verursacher

Der moderne Karnismus

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  • soziale konditionierung ab Geburt > Kindesalter > Jugend

Das karnistische Schema

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Gesundheit

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siehe Fleischkonsum#Gesundheitsrisiken

Umweltverträglichkeit / Ökologie

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siehe Fleischkonsum#Umweltauswirkungen

Diskriminierung

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In Australien sorgte eine Immobilienanzeige für Empörung. Dort wurde ein Haus zur Vermietung angeboten – allerdings nur an Menschen, die kein Fleisch essen.[2]

Kritik an Gewalt möglich?

Literatur

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  • Melanie Joy (2001) From Carnivore to Carnists, in: Satya Magazin 8, S. 26-27.
  • Melanie Joy (2003) Psychic numbing and meat consumption : The psychology of carnism, Ann Arbor.
  • Melanie Joy (2013) Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen Münster.
  • Jeff Mannes (2012) Gesellschaft und ihr Naturverhältnis. Dualismengenerierung, Naturbeherrschung und Mensch-Tier-Gegensatz
  • Milburn, M. et al. (2013): Development of the carnism scale
  • Arianna Ferrari, Klaus Petrus Lexikon der Mensch-Tier-Beziehungen Transcript 2015 ISBN: 9783839422328
  • Thilo hagendorff Was sich am Fleisch entscheidet Verlag Büchner ISBN
  • Das Meat-Paradox. Untersuchung von Fleischwerbung unter Berücksichtigung der Theorie der kognitiven Dissonanz

Zum Weiterlesen

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  • Melanie Joy (2011): Understanding Neocarnism, One Green Planet
  • Melanie Joy (2o11): Carnism: Why Eating Animals Is a Social Justice Issue, One Green Planet
  • Melanie Joy (2013): Speaking Truth to Power, Vegetarierbund Deutschland
  • Melanie Joy (2012): Karnismus, Vegan Society Luxembourg
  • Melanie Joy (2012): Karnismus: Die Psychologie des Fleischkonsums

siehe auch

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Kategorie: Fleischwirtschaft

Portale:

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Einzelnachweise

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  1. https://www.ethikrat.org/mitteilungen/mitteilungen/2020/ethikrat-fordert-staerkere-achtung-des-tierwohls-in-der-nutztierhaltung/?cookieLevel=not-set
  2. https://www.rnd.de/panorama/nur-fur-veganer-hausangebot-sorgt-bei-fleischessern-fur-emporung-IFZM3KNLMHKKWUSX6GZPLU5RUU.html