Adolf Spieß (* 3. Februar 1810 in Lauterbach (Hessen); † 9. Mai 1858 in Darmstadt, Hessen) war ein deutscher Sportpädagoge. Er gilt als der Begründer des deutschen Schulsports.

Der erste Sohn der Eheleute Spieß kam am 2. April 1808 tot zur Welt [1], sodass Adolf Spieß die Rolle des Erstgeborenen und Ältesten einnahm. Es folgten, jeweils im Abstand von 2 Jahren, die Geschwister: Marie (* 10.01.1812), Carl (* 27.12.1814, † Mai 1849), Luise (* 19.03.1816) und Hermann (* 15.06.1818)[1].

Johann Balthasar Spieß (* 08.01.1782, † 06.12.1841) wurde bereits in frühen Jahren auf eine Ausbildung zum Volksschullehrer vorbereitet. Jedoch bemerkte er, auch anhand seiner eigenen Schulbildung, die verfehlten Unterrichtsinhalte- sowie -methoden des damaligen Schulsystem. Auf einer pädagogischen Studienreise im Frühjahr 1801 wohnte er mehreren Turnübungen bei, die GutsMuths leitete. Voller Begeisterung fasste er den Entschluss: "Die Menschenbildung zur Aufgabe seines Lebens zu machen." Die bedeutesten Leistungen Johann Balthasars bestanden in der Neuordnung und Reformierung des öffentlichen Schulwesens in Offenbach, wobei auch die Forderung der Einführung der Leibesübung als Lehrgegenstand in den Schulen gehörte[1].

Über die Mutter Adolf Spieß´ ist nur wenig bekannt. Sie wurde am 17. Februar 1780 in Saarbrücken geboren und war als Erzieherin in Frankfurt tätig, wo sie ihren späteren Mann kennenlernte. Sie besaß großen Einfluss auf ihren Ältesten und förderte dessen musische Begabung. Weiter unterhielten sie Zeit ihres Lebens regen Briefkontakt.

Adolf Spieß wurde bereits früh in die Pflicht genommen, sich um die Erziehung seiner jüngeren Geschwister mit zu kümmern, sowie sie beruflich zu fördern, sodass Hermann ihn 1833 nach Burgdorf begleitete. Hier besuchte Hermann das Gymnasium in Darmstadt und studierte Forstwissenschaft an der Landesuniversität Gießen. Später emigrierte er in die USA aus.

Carl Spieß wandte sich 1836 nach Frankreich. Er emigrierte ebenfalls in die USA, kehrte jedoch nach mehrjährigen Aufenthalt nach Frankreich zurück, wo er im Mai 1849 an Cholera starb. Luise Spieß emigirerte ebenfalls in die USA, während Marie in Dreieichenhain bei Frankfurt Zeit ihres Lebens verbrachte.[2]

Kindheit

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Die Kindheit von Adolf Spieß war geprägt vom väterlichen Einfluss. Nach dem Theologiestudium nahm der Vater die Pfarrstelle in Offenbach am Main an. Zudem mietete er das ehemalige Musikhaus in der Kaiserstraße, um eine private Lehr- und Erziehungsanstalt zu gründen. Ab dem 01. August 1814 besuchte Adolf Spieß das väterliche Institut und ihm wurde eine umfassende Ausbildung zu Teil. Neben den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Latein und Griechisch, wurde er in Zahlen- und Raumlehre, Naturlehre und Naturbeschreibung, Menschen-, Gewerb-, Erd- und Himmelskunde, biblischer Geschichte, Glaubens- und Sittenlehre, Geschichte, Musik, Zeichnen und Schönschreiben, sowie allgemeiner Körperpflege und Turnübung (nach GuthsMuths) unterrichtet[3]. Diese vielseitige und umfassende Ausbildung, sowie die Förderung seiner musikalischen (besonders der Gesangsfähigkeiten) und zeichnerischen Begabungen sollten im späteren Verlauf seines Lebens von Nutzen sein. Einen Schwerpunkt der Ausbildung bildete, entgegen dem zeitgenössischen Schulsystem, ein planmäßiger und ganzjähriger Turnunterricht. Diesen beschrieb Spieß wie folgt:

Unsere Übungen waren Klettern, Schwebegehen, Springen, Laufen, Hangeln, Seilübungen, Marschieren, Schwimmen, Schleifen, Schlittschuhlaufen, Werfen und Spiele der verschiedensten Art. In jeder Woche […] führten uns die Lehrer ein-, oder zweimal spazieren […]. Während der Wintermonate nahmen viele Schüler Antheil an regelmäßigem Tanzunterricht, der sich wie von selbst an unsere übrigen Leibesübungen anreihete.“[4]

Bei einer Reise nach Schnepfenthal, wobei er seinen Vater 1820 begleitete, lernte Adolf Spieß Johann Christoph Friedrich GutsMuths persönlich kennen. Für den Zehnjährigen hinterließ diese Begegnung einen bleibenden Eindruck und steigerte seinen Enthusiasmus für das Turnen. Hinzu kam der Erfahrungsaustausch durch verschiedene Gäste am Institut seines Vaters. So erlebte Spieß einen ständigen Erkenntnisgewinn neuer Übungen. Zudem lernte er den Umgang mit den Jahnschen Gerätübungen des Turnens kennen und lieben. Zugleich zeigte sich der junge Adolf Spieß beeindruckt vom patriotischen Gedankengut Jahns, welchen er später persönlich kennenlernte. Die Ideen der Nationalerziehung, sowie den Anspruch bei der Schaffung eines neuen deutschen Staates aktiv teilzunehmen fassten tiefe emotionale Wurzeln bei Spieß. Hinzu kamen Turnfahrten, welche meist auch mit unvernünftig übertriebenen körperlichen Anstrengungen und Strapazen einhergingen, bei denen Spieß seine Leidenschaften (patriotische Gesänge und Turnübungen) verknüpfen konnte. Dieser Partizipationsgedanke an einen neuen Staat sollte ihn ins Theologiestudium begleiten, welches er, auf Ratschlag seines Vaters, 1828 in Gießen begann[5].

Studienzeit in Gießen und Halle

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Das an der Landesuniversität Gießen aufgenommene Theologiestudium hatte Spieß nicht mit der Absicht gewählt, sich später dem Pfarramt zu widmen, sondern mit der Hoffnung, sich seiner Neigung zum Lehrberuf widmen zu können. Durch fehlende öffentliche Turngelegenheiten musste er seine Übungen in Zimmer absolvieren. Zudem kompensierte er die fehlenden Leibesübungen durch Zeichnen der Umgebung und Wanderungen. Um seinen patriotischen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, schloss er sich der Gießener Burschenschaft „Germania“ an[6]. Man tarnte sich als Waffenverbindung, um der Verfolgung der Behörden und der folgenden Exmatrikulation zu entgehen. Allerdings trugen ausweitende Streitigkeiten mit dem Gießener Corps zur Auflösung bei. Adolf Spieß blieb von Repressalien verschont, jedoch wurde u.a. sein enger Freund Carl Bernhard Hundeshagen (* 30.01.1810, † 02.06.1872) der Hochschule verwiesen[7]. Spieß´ Sturm- und Drangphase und die überschäumende Lust des Burschenschaftsleben, sowie Hundeshagens Plan nach der Begnadigung das Studium in Halle fortzusetzen, veranlasste beide zu einem Wechsel.

So immatrikulierte sich Adolf Spieß am 20. Mai 1829 an der evangelisch-theologischen Fakultät der Friedrichs-Universität. Obwohl er bei der Immatrikulation das Versprechen abgab, keiner Verbindung beizutreten, schloss sich Spieß auch hier der hallischen Burschenschaftsbewegung „Germania“ an. Jedoch gehörte er zum „arministischen“ Flügel, welche ihre Ziele, eine geeinte Nation als konstitutionelle Monarchie, durch Erziehung und Überzeugungsarbeit, auf friedlichem Wege, zu verwirklichen suchte[7]. In Halle widmete sich Spieß, neben dem Burschenschaftsleben, ausführlich dem studentischen Turnen. Turnfahrten zu Friedrich Ludwig Jahn, Reisen nach Leipzig, Dresden, Dessau und Wörlitz, sowie burschenschaftliche Aktivitäten ließen Spieß sein Studium vernachlässigen. Auf Anraten seines Vaters, sein Studium ernster zu nehmen, kehrte Spieß 1830 nach Gießen zurück. Dort angekommen schloss er sich der aufkommenden Turnbewegung an, allerdings wurden durch die Karlsbader Beschlüsse im November jegliche Turnanstalt gesetzlich verboten, um in Europa den politischen und sozialen Unruhen Herr zu werden[8]. Obwohl Spieß zu keiner radikalen Gruppierung gehörte, wurde sein Enthusiasmus zum Turnen durch die Behörden erheblich beschnitten. Große Turnveranstalltungen unter seiner Leitung konnten nicht mehr stattfinden, sondern mussten auf ein behördlich abgesegnetes Minimum reduziert werden. Spieß wurde klar, dass er sich der Staatsgewalt beugen musste und eine potentiell pädagogische Bedeutung der Leibesübungen für die Volksbildung nicht gegen den Widerstand des Staates, sondern nur durch eine gleichberechtigte Integration des Turnens in das öffentliche Erziehungssystem dauerhaft gesichert werden kann[8].

Durch das Eingreifen des Staates in die Aktivitäten Spieß´ widmete er sich mehr dem Studium. Allerdings konnte er die bereits vorhandenen Defizite, die durch Vernachlässigung und Orientierung auf das Turnen entstanden sind, im letzten Studienjahr nicht mehr kompensieren, sodass er am 18. August 1831 im Examen scheiterte. Nach halbjähriger intensiver Vorbereitung bestand er seine Abschlussprüfung am 02. April 1832 mit der Note 4[9].

Erste Lehrerfahrungen und Emigration

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Schon während seiner Vorbereitung auf sein erneutes Examen leiteten die Behörden Untersuchungen gegen die Burschenschaft und die Tätigkeiten von Adolf Spieß ein. Einer Festnahme entging Spieß nur durch einer eiligen, über Nacht in die Wege geleiteten, Flucht nach Assenheim zum Grafen Karl zu Solms Rödelheim und Assenheim (* 1790, † 1844). Der ehemalige Befreiungskämpfer gegen die napoleonische Vorherrschaft und begeisterter Turner übertrug Spieß die Ausbildung und Erziehung seiner Söhne Maximilian und Friedrich [10]. Die Aufenthaltszeit nutzte Spieß, um erste Erfahrungen als Lehrer zu erlangen. Jedoch entschloss er sich, durch erneute Verschärfung der behördlichen Maßnahmen, zu emigrieren. Obwohl kein öffentliches Verfahren gegen Spieß vorlag wanderte er, wie viele politisch Verfolgte, 1833 in die Schweiz aus.

Lehrjahre in Burgdorf

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Burgdorf hieß das Ziel von Spieß. Durch die Vermittlung seines Vaters (mit den Burgdorfer Schulbehörden) sollte Spieß eine Stelle für die Fächer Musik, Zeichnen, Kalligrafie, sowie Turnen erhalten. Die Kontakte des Vaters erlaubten, dass Adolf Spieß keine Prüfung ablegen brauchte, lediglich verschiedene Einschätzungsschreiben, sowie Zeichen- und Schriftproben vorlegen sollte [11]. Man einigte sich auf eine zweijährige Bewährungsphase, worauf eine weitere 6jährige provisorische Anstellung folgte. Anfänglich als Hilfslehrer Erfahrung sammelnd, traf er in Burgdorf ideale Bedingungen für seine pädagogischen und turnerischen Ambitionen. Der Unterrichtsplan von Spieß sah wöchentlich jeweils 8 Stunden Schreiben und Zeichnen, sowie je 6 Stunden Singen und Turnen vor. Während die ersten drei Unterrichtsfächer für jeden Schüler Pflicht waren, diente Turnen untergeordnet als fakultatives Fach am Nachmittag, welches sich Spieß (als einziger Turnlehrer der Schule) mit besonderer Hingabe widmete.

Erste Reformierungen des schulischen Turnbetriebes bestanden darin eine Verbesserung des Übungsplatzes und Anschaffung neuer Geräte anzufordern. Wenngleich nicht sofort alles realisiert werden konnte, so stimmte Schulkommission und Bürgerrat zu. Eine weitere Neuerung in der Schulordnung sah vor, dass Mädchen den Turnunterricht besuchen durften. Spieß´ Organisation sah vor, die Schulkinder in 2 festen Riegen einzuteilen (1. Riege: Jungen von 5-9 Jahren mit Mädchen 5-16 Jahren; 2. Riege: Jungen von 10-17 Jahren), sodass jedem 3 Übungsstunden pro Woche zur Verfügung standen. Jeweils 50-60 Jungen und Mädchen in einem 400 m² großen, für das Turnen hergerichteten, Saal trieben unter Spieß Anleitung Sport [12]. Innerhalb kürzester Zeit schaffte es Spieß einen ganzjährigen, planmäßigen und regelmäßig betriebenen Turnunterricht für die Schüler in Burgdorf zu schaffen.

Spieß förderte die Leibesübungen auch für Mädchen zugänglich zu machen. In seinem Enthusiasmus erteilte er unentgeltlich einmal die Woche Turnunterricht an der Mädchenschule in Kirchberg. Adolf Spieß´ Name erreichte überregionale Bekanntheit, sodass andere Gemeinden seinem Vorbild folgten und Lehrer seinen Unterrichtseinheiten beiwohnten und sich ausbilden ließen. Dem zuerst skeptisch beäugten Mädchenturnen wurde Zugang fürs allgemeine Schulturnen geschaffen[12]. Nach Ende der 2jährigen Probezeit stand die Verpflichtung Spieß 1836 an, wobei Kritik an seiner Person geringfügig vorhanden war. Dennoch entschloss man sich ihn zu übernehmen, jedoch ihm anstatt des ungeliebten Schreibunterrichts Geschichte und Geographie zu übertragen.

Im Laufe der Jahre erreichte er mehr Ansehen, indem er den Turnunterricht weiter reformierte, Turnfahrten und Wanderungen unternahm, sowie größere Turnfeste ausrichtete.

Familiengründung und Basler Zeit

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Privat fand er sein Glück als er am 21. Februar 1840 Marie Buri (* 1819, † 1884) heiratete. Zuvor musste er die Schweizer Staatsbürgerschaft erlangen, welche ihm am 07. Dezember 1839 verliehen wurde [13]. Aus der Ehe entstammen sieben Söhne, wovon jedoch drei (alle mit dem Namen Adolf) im Kindsalter verstarben. Otto, Eduard, Hermann und Wilhelm kehrten nach dem Tod des Vaters mit ihrer Mutter in die Schweiz zurück. Die neue Familiensituation belastete Spieß in finanzieller Hinsicht, sodass er seinen Wirkungskreis erweitern musste und über eine Anstellung und Rückkehr nach Deutschland nachdachte. Neben den Finanzen stand der immer noch lodernde Patriotismus in Spieß, sowie der Traum das Turnen in Deutschland zu reformieren.

Erste Kontaktaufnahmen Spieß in Basel scheiterten an der Gehaltsforderung, sowie dessen Reformbestrebungen im Turnunterricht. Ein Fußfassen in Berlin im Frühjahr 1843 war nach der Berufung Maßmanns als Leiter des preußischen Turnwesens nicht mehr möglich, da dieser ein erbitterter Feind des Schulturnens war. Darüber hinaus unterhielt Spieß Kontakt zu den Behörden in Darmstadt, die positiv seiner Arbeit und Reformbestrebungen gegenüberstanden, aber ebenfalls die Gehaltsforderungen von Spieß nicht akzeptierten. Ein Sinneswandel der Basler Behörden veranlassten Spieß jedoch eine Anstellung in der Stadt anzunehmen[14]. Aufgrund des Verfalls der Turnsituation in Basel entschlossen sich die Behörden zur Berufung Spieß mit einer Besoldung von 1600 Franken[15].

Wie schon in Burgdorf waren erste Aktivitäten von Spieß der Ausbau der Übungsplätze, die Anschaffung neuer Geräte und die feste Integration des Turnunterrichts im Schulbetrieb[16]. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Ausbildung und Anleitung der zur Hilfe gestellten Turner, damit Einheitlichkeit in der Lehre vorherrsche. Ebenfalls kümmerte er sich um die Eingliederung der Schulmädchen in den Leibesübungen. Zudem forderte er die Gleichberechtigung des Turnunterrichts zu anderen Schulfächern, da sonst kein Nachwuchs an Pädagogen für das Turnen entstehe. Mit dem Schulgesetz von 1852 wurde das Schulturnen mit anderen Fächern gleichgesetzt. Damit schaffte Spieß die Schaffung des heutigen Sportunterrichts im Schulsystem. Das registrierten man auch in Darmstadt. Ebenfalls kümmerte er sich um die Eingliederung der Schulmädchen in den Leibesübungen [17].

Nachdem Spieß, nun finanziell abgesichert, es geschafft hatte das Basler Turnen zu reformieren und zu strukturieren, machten die Revolutionsereignisse in Deutschland 1848 den Weg frei, um in Deutschland das Turnen zu reformieren. Das war ein lang gehegter Traum von ihm.

Schulturnen in Darmstadt

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Die Erfolge Spieß´ in Basel wurden in Deutschland zur Kenntnis genommen. Da Spieß in Darmstadt bereits Kontakte besaß versuchte er an die Behörden heran zu treten und wollte „die Leitung des gesamten öffentlichen, vom Staat ausgehenden Turnwesens unseres Landes übernehmen“[18]. Nach der Zustimmung des Gesuchs trat Spieß im Mai 1848 in Darmstadt seine Arbeit als Turnlehrer und Turninspektor an. Seine Ziele waren, wie schon in Burgdorf und Basel, eine umfassende Neustrukturierung des gesamten hessischen Turnwesens und die landesweite Einführung des Schulturnens zu organisieren[19]. Diesbezüglich ging er nach altbekannten Muster vor, einen ständigen Übungsplatz zu schaffen. Die Grundsteine zum neuen Darmstädter Turnhaus am Kapellplatz wurden im Frühjahr 1851 gelegt[19]. Es folgte die Fortbildung der Turnpädagogen auf einer einheitlichen Grundlage, didaktisch-methodische Aufbereitung, sowie die Kenntnis den Unterricht unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Anlagen und Bildungsunterschieden zu strukturieren. Der eingeführte Lehrplan sollte dabei eine Orientierung, aber keinen Leitfaden bilden. Spieß verstand den Turnunterricht als nichts starres, sondern sich entwickelndes, welcher Offenheit, Improvisation und Innovation erfordert[20].

Öffentliche Lehrvorführungen bewirkten, dass die Idee des Schulturnens großes Interesse in der Bevölkerung weckte und überregionale Anfragen nach Konzepten und praktischen Umsetzungen für die Schule folgten. Spieß war sich im Klaren, dass Schulturnen nur durch qualifizierte Lehrkräfte eine Gleichberechtigung in der Schule erfährt. So widmete er sich der Turnlehreraus- und fortbildung, indem er Turnlehrkurse abhielt[21].

Innerhalb kürzester Zeit schaffte es Adolf Spieß Darmstadt zu einem Zentrum des Turnens zu formen, welches enorme Impulse für die Leibesübung und den Schulsport setzte. Im Frühsommer 1855 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand drastisch. Eine aus Studienzeit erlittene Lungenverletzung, verbunden mit den Strapazen und Kämpfen die er für die Erfüllung seines Traumes im Kauf nahm, machte es ihn nicht mehr möglich am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen. Am 09. Mai 1858 starb er an den Folgen der Lungenschwindsucht in Darmstadt und wurde am 11. Mai 1848 auf den Alten Friedhof zu Darmstadt beigesetzt[22].

Spieß und das Schulturnen

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Die Bezeichnung Schulturnen ist mit dem heutigen Verständnis nicht mehr vergleichbar. Während heutzutage Turnen als eine Unterrichtssequenz im Schulsport mit Gerät- und Bodenübungen verbunden wird, so stellte für Spieß das Turnen eine weitaus übergreifendere Bedeutung dar. Neben den Turnübungen an Gerät und Boden, beinhaltete das Schulturnen u.a. auch Tanzen, Läufe, Spielformen, Wanderungen, Übungen und Läufe zu Gesang, Liederreigen und Freiübungen. Besonders die Rhythmisierung der Übungen zu Gesang förderte Spieß (auch aufgrund seiner gesanglichen Talente). Zudem förderte er die Teilnahme der Mädchen am Turnunterricht. Spieß ging es nicht nur allein um die Entwicklung körperlicher Eigenschaften, er ordnete seinen Unterricht übergeordneten und sozialen Zielen unter. Ordnung und Zusammengehörigkeit stellten die ersten Anforderungen, die er lehrte [23]. So sah er im Seilspringen, welches vom Lehrer im Kreis geschwungen wurde, eine Form des Mutes, nicht

„von dem Seile ertappt zu werben. Es fordern dabei die Leistungen von Seite der Uebenden zugleich den besonnenen Muth, die ruhige Entschlossenheit heraus; wer handelt muß den rechten Augenblick erfassen, weil sonst die That eine verfehlte ist.“ [24]

Zudem nutzte Spieß die Turnstunden, um die Kinder zu disziplinieren. So wurden Verhöhnungen der Schwächeren von Spieß nicht toleriert und Wetteifern von Kraftleistungen nicht begünstigt. Spieß sah die Herausforderung des Pädagogen darin, sowohl die körperlich und motorisch Schwachen und die leistungsstarken Schüler zu fördern und zu entwickeln. Wenngleich die Methoden des Frontalunterrichts dem heutigen Bild der pädagogischen Erziehung veraltet erscheinen, so schaffte Adolf Spieß es dennoch heute gültige Gesetzmäßigkeiten, wie vom Leichten zum Schweren[23], in seinem Unterricht zu etablieren.

Literatur

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Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991

Einzelnachweise

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  1. a b c Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 5-12
  2. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 11-14
  3. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 15-16
  4. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 17
  5. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 19-22
  6. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 22-23
  7. a b Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 25-29
  8. a b Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 32-39
  9. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 47
  10. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 48
  11. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 51
  12. a b Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 56-59
  13. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 76
  14. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 77-88
  15. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 96
  16. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 101
  17. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 106-112
  18. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 125
  19. a b Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 130-133
  20. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 136
  21. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 144-149
  22. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 160-164
  23. a b Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 108
  24. Philipp H. Geiss: Das Leben des Turnpädagogen Adolf Spieß (1810 - 1858), Idstein 1991, S. 109