Rechtskatholizismus bezeichnet eine Strömung innerhalb des politischen Katholizismus, die sich seit dem 20. Jahrhundert entwickelt und als politisch rechts eingeordnet wird. Charakteristischerweise ist eine patriotische Grundhaltung mit konservativ-katholischem Verständnis vorhanden.
Begriffsgeschichte
Bearbeiten„‚Rechtskatholizismus‘ wird verstanden als eine Richtung innerhalb des politischen Katholizismus , deren Anhänger bereits im Kaiserreich eine bewusst positive Haltung gegenüber dem preußischen Nationalstaat eingenommen hatten und die nach dem Ersten Weltkrieg weitgehend mit der nationalen Rechten der Weimarer Republik verschmolzen.“[1]
Der Politikwissenschaftler Andreas Püttmann nennt drei Kriterien für den Begriff des Rechtskatholizismus, dessen Definition aber schwierig sei.[2] Er unterscheidet
- eine empirisch-organisatorische Dimension: ein Sympathisieren von Katholiken mit rechtskonservativen oder rechtsradikalen Organisationen, Parteien und Verbänden oder sogar eine Zusammenarbeit oder Mitgliedschaft. Er verweist auf die historische Herleitung der Aktivitäten der Deutschnationalen Volkspartei in der Weimarer Republik;
- ein ideologisches Moment: eine Tendenz zu autoritären Staats- und Gesellschaftsmodellen im Gegensatz zu einer liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie mit Gewaltenteilung, außerdem ein nationales Verständnis im Sinne von „nationalistisch“;
- ein auf das Menschenbild bezogenes Kriterium, bei dem nicht das freie Individuum mit seiner Personenwürde im Mittelpunkt steht, sondern die Ordnung bis hin zu ständestaatlichen Vorstellungen und ausdrücklicher Kritik an der „falschen Idee von Gleichheit“. Püttmann verknüpft hier reaktionäre Bestrebung im Zusammenhang mit der Französischen Revolution von 1789 über Strömungen wie die Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum (FTP) bis zur Priesterbruderschaft St. Pius X.
Politikgeschichte
Bearbeiten19. Jahrhundert
Bearbeiten- „Hof- und Staatskatholiken“ der 1870erJahre des Kaiserreichs[3]
- Rechtskatholizismus in Luxemburg: Luxemburger Wort 1849 bis 1880[4]
20. Jahrhundert
Bearbeiten- „Nationalkatholiken“ nach der Jahrhundertwende[3]
- Demokratisierung in Deutschland nach 1945[6]
- Nach 1945 etablierten sich im deutschsprachigen Raum die Termini Rechtskatholizismus und Linkskatholizismus als Übersetzung von catholiques de droite et de gauche.[7]
- „Der über einen längeren Zeitraum hinweg einflussreiche Rechtskatholizismus konnte nach 1945 nicht wiederbelebt werden. Stattdessen setzte sich von diesem Zeitpunkt an die christliche Demokratie irreversibel durch.“[8]
- „Deutschkatholiken“ und ihr Einfluss auf die Alt-Katholische Kirche in Deutschland
- Heinrich Hütwohl
- Gemeinde Bottrop
- Die „Katholisch-Nationalkirchliche Bewegung“
21. Jahrhundert
Bearbeiten- AfD und Rechtskatholizismus[9]
Literatur
Bearbeiten- Monografien
Sortierung alphabetisch nach Verfassername.
- Gabriele Clemens: Martin Spahn und der Rechtskatholizismus in der Weimarer Republik (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe B: Forschungen. Band 37). Grünewald, Mainz 1983, ISBN 3-7867-1049-X. Unter dem Titel Katholizismus und „nationaler Gedanke“ bei Martin Spahn. Dissertation. Universität Marburg 1981.
- Felix Dirsch: Rechtskatholizismus. Vertreter und geschichtliche Grundlinien – ein typologischer Überblick. Romeon, Kaarst 2020, ISBN 978-3-96229193-8.
- Horst Gründer: Rechtskatholizismus im Kaiserreich und in der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der Rheinlande und Westfalens. 1984. (pdf-Datei)
- Christoph Hübner: Die Rechtskatholiken, die Zentrumspartei und die katholische Kirche in Deutschland bis zum Reichskonkordat von 1933 – ein Beitrag zur Geschichte des Scheiterns der Weimarer Republik. Lit, Berlin 2014, ISBN 978-3-64312710-5, 875 S.
- Franziska Metzger Die „Schildwache“ – eine integralistisch-rechtskatholische Zeitung 1912–1945. 2000.
- Franz Müller: Ein „Rechtskatholik“ zwischen Kreuz und Hakenkreuz. Franz von Papen als Sonderbevollmächtiger Hitlers in Wien 1934–1938. Peter Lang, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-63143010-8.
- Werner Neuhaus: August Pieper und der Nationalsozialismus. Über die Anfälligkeit des Rechtskatholizismus für völkisch-nationalistisches Denken. Books on Demand, Norderstedt 2017, ISBN 978-3-74601141-7.
- Otto Weiss: Rechtskatholizismus in der Ersten Republik. Zur Ideenwelt der österreichischen Kulturkatholiken 1918–1934. Peter Lang, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-631-55639-9.
- Zeitschriftenaufsätze und Beiträge in Sammelwerken
- Urs Altermatt, Franziska Metzger: Der radikale Antisemitismus der rechtskatholisch-integralistischen Zeitung Schildwache 1912–1945. In: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 92 (1998) 43–72.
- Felix Dirsch: Entwicklungslinien des Rechtskatholizismus von der Französischen Revolution bis zu aktuellen Diskussionen: Versuch einer Typologie. In: Felix Dirsch, Volker Münz, Thomas Wawerka (Hrsg.): Rechtes Christentum? Der Glaube im Spannungsfeld von nationaler Identität, Populismus und Humanitätsgedanken. Ares-Verlag, Graz 2018, ISBN 978-3-99081004-0.
- Jens Flemming: „Vollprozentige Katholiken und Deutsche!“ Max Buchner, die Gelben Hefte und der Rechtskatholizismus zwischen Demokratie und Diktatur. In: Uwe Puschner, Michel Grunewald: Le milieu intellectuel catholique en Allemagne, sa presse et ses réseaux (1871–1963). = Das katholische Intellektuellenmilieu in Deutschland, seine Presse und seine Netzwerke (1871–1963) (= Convergences. 40). Lang, Bern u. a. 2006, ISBN 3-03910-857-3, S. 363–394.
- Philipp Frei: Reformkatholizismus im Spannungsfeld zwischen linkskatholischem Modernismus und rechtskatholischem Integralismus. In: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte 98 (2004), S. 87-120 (online).
- Klaus Unterburger: Unentrinnbare Moderne. Antimodernität, Modernität und Rechtskatholizismus in der katholischen Kirche seit dem 19. Jahrhundert. In: Bibel und Liturgie 2010 (online).
- Andreas Püttmann: Katholische Republikverderber: anfällig für modische Strömungen von rechts. In: Herder-Korrespondenz 2017.
Weblinks
Bearbeiten- Julia Paulus: Gefährdete Demokratie. Rechtskatholizismus in der Weimarer Republik. In: H-Soz-Kult. 9. Februar 2022 .
- Thomas Meinhardt: Radikalisierungstendenzen am rechten Rand der Kirche. Deutsche Franziskanerprovinz, 22. August 2017 .
- Liane Bednarz: Expertin: Dass Kirche sich von rechten Christen abgrenzt, ist wichtig. katholisch.de, 13. Oktober 2022 .
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Heike Kreutzer: Das Reichskirchenministerium im Gefüge der nationalsozialistischen Herrschaft. Droste, 2000, S. 26
- ↑ Thomas Meinhardt: Radikalisierungstendenzen am rechten Rand der Kirche. Sind Katholiken anfällig für Rechtspopulismus? Ein Interview mit Andreas Püttmann. In: franziskaner.net. 22. August 2017, abgerufen am 26. September 2022.
- ↑ a b c Horst Gründer: Rechtskatholizismus im Kaiserreich und in der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der Rheinlande und Westfalens', S. 107
- ↑ Tanja Muller: „Nichts gegen die Juden als solche …“ ( vom 30. Januar 2012 im Internet Archive) (PDF; 1,1 MB) Forum für Politik, Gesellschaft und Kultur, Nr. 312, November 2011, S. 54ff.
- ↑ Gefährdete Demokratie. Rechtskatholizismus in der Weimarer Republik
- ↑ Antonius Liedhegener: Der deutsche Katholizismus und seine konstitutive Rolle im Demokratisierungsprozess Westdeutschlands nach 1945
- ↑ Philipp Frei: Reformkatholizismus…, S. 90
- ↑ Felix Dirsch: Authentischer Konservatismus …, S. 149
- ↑ https://www.youtube.com/watch?v=gX2T-ivax9M