Der Kneifer (auch Klemmer, Pince-Nez oder Zwicker) ist die seitenbügellose Nasen-Klemm-Brille vom zweiten Viertel des 19. bis zum frühen 20. Jahrhundert (um 1840–um 1940). Sie waren eine modernere Variante der mittelalterlichen Klemmbrillen und wurden parallel zu den bereits erfundenen Ohrenbrillen (Brillen mit Seitenbügeln) verwendet. Diese damals modernen Klemmer hatten eine hoch elastische Federspange zwischen den Gläsern und seitliche Nasenauflagen, oft mit Kork bzw. Zellhornauflage. Die federnde Verbindung zwischen den Gläsern sorgte nicht nur für einen guten Sitz auf der Nase, sondern man konnte auch, für besonders kleine Etuis, die Gläser übereinander schieben und einhaken. Während man den aus dem Mittelalter bekannten Klemmer vorzugsweise vorn auf die Nasenflügel klemmte, wurde der moderne Klemmer oben auf die Nasenwurzel geklemmt, ohne die Beeinträchtigung von Atmung und Stimme. Ovale Gläser ab 1841, ab 1857 erstmals Nasenstege in Form von gebogenen Schildpattplätchen, erfunden durch den Pariser Optiker Poullot (Quelle Buck, Der geschärfte Blick, 2002; Michael B. Andressen: Brillen des 20. Jahrhunderts, S. 46.)
Unterarten der Kneifer
BearbeitenDie Erfindungen der einzelnen Kneiferarten und die eigentliche Verbreitung variert oft um Jahrzente. Der tatsächliche Hauptnutzungszeitraum der „modernen“ Kneifer war etwa von 1870 bis 1940.
- Rednerbrille 1825, Joseph Bressy ließ sich eine Klemmfederbrille patentieren, die nach hinten ausgestellte Nasenstege hatte[1]. Diese Nasenstege saßen am oberen Ende der Nasenwurzel direkt auf dem Nasenknorpel und beeinträchtigten so weder das Atmen noch die Stimme beim Reden - daher der Name Rednerbrille. Ob überhaupt und wann diese patentierte Brille gefertigt wurde, ist nicht bekannt. Selbst in der Fachliteratur des späten 19. Jh. wird bezweifelt, ob es neben der Patentschrift auch entsprechende Brillen gab.
- Wiener Klemmer (auch Kaiserklemmer), ähnlich der Federparille aus der Bügelbrillenzeit aber nun mit ovalen Gläsern und Nasenstegen. Diverse Varianten aus Metall oder Zellhorn. Der als Feder dienende flachgewalzte C-förmige Federdraht ist oberhalb der Gläser am Rahmen verschraubt und war in der Seitenansicht in einer Flucht mit den Gläsern. Spätere Modelle (20. Jh.) dann auch mit runden Gläsern und nach hinten ausgestellten Knie-Stegen. Vor allem die Bezeichnung „Kaiserklemmer“ wurde von den div. Herstellern auch gerne für andere kaiserlich wirkende Klemmerformen benutzt.[2]
- Kneifer mit durchgehend beweglicher Feder[3]. Feder und Stege bestehen aus einem durchgehenen flachgewalzten Federdraht. Am unteren Ende der Stege ist die Feder mit der Fassung fest verschraubt, während die obere Befestigung eine Führung ist, in der sich die Feder seitlich frei bewegen kann. Die Feder hatte entweder eine C-förmige oder die häufigere gerade „deutsche“ Form. Faltbar und mit Verriegelungsstiften versehen.
- Amerikanischer Kneifer. Neuerung und Besonderheit war hier die zusätzliche Federung der Nasenauflagen durch eine Spange an der oberen Befestigung. In Europa kannte man ihn als amerikanischen Kneifer, in US-amerikanischen Katalogen wurden diese Kneifer als Canadien Eye-Glasses bezeichnet. Wahrscheinliche Verwendung ab 1850. Spätere Modelle (20. Jh.) dann auch mit runden Gläsern und nach hinten ausgestellten Knie-Stegen.
- Autofix Kneifer. Wie der „Kneifer mit durchgehend beweglicher Feder“ (siehe oben), aber mit nach hinten ausgestelltem Nasen-Steg Bereich, dem „Autofix“ Steg. Durch die nach hinten herausragenden Stege war dieses Modell, trotz oft weiterhin vorhadenen Verriegelungstifte, nicht mehr faltbar.
- Sportkneifer. Typisch ist hier, dass die elastische Brücke nur je eine Verbindung zum Glas bzw. Fassungsrahmen hat, statt deren zwei. Minimalistische Bauart. Schildpatt, Zelluloid, Metall und randlos.[4]
- Oxford pince-nez [1917-1940] Ähnlich einer Wickellorgnette ohne Stiel aber mit Nasenflügeln. Zusammenfaltbar durch übereinander schieben der Gläser, mit Verriegelung. Das zusammenfalten geschieht hier durch federunterstützte Scharniere seitlich an der Brücke. Diese Scharniere verbinden die Brücke mit der Glaseinfassung und befinden sich am höchsten Punkt der meist runden Gläser.[5][6]
- Chinakneifer, Japanklemmer. Meist verwendet für Metall oder Schildpatt Klemmer mit gerundeter Nasenauflage, bogenförmiger Brücke und ovalen Gläsern ohne zusätzlich Federelemente.
- Halbbrille nach Ribard Aus dem Jahre 1902 stammte eine streifenförmige Glasform, die auf E. Ribard zurückgeht. Dazu schrieb Moriz v. Rohr 1911: „Offenbar wünschte er den Träger eines solchen Klemmers in den Stand zu setzen, sowohl oberhalb als unterhalb an seinem Glase vorbeizusehen; man geht wohl in der Annahme nicht fehl, dass es sich meistens um schwächere Gläser, wahrscheinlich sogar vornehmlich um solche gehandelt hat, die als Lupen- oder Presbyopenbrillen verwendet wurden.“
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Autofix Kneifer, mit nach hinten ausgestellter Nasenauflage
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Amerikanischer Klemmer mit der zusätzlichen Spange oberhalb der Nasenauflage, Faltbar
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Pincenez mit kräftigem Rahmen aus Schildpatt bzw. Zelluloid
Regionale Bezeichnungen:
Frankreich - pince-nez (pincer »Zange« + nez »Nase«) ['paaz-nay']
England, Nordamerika - eyeglasses[7], pince-nez (pincer »Kneifzange«) ['pins nääs']
Spanien - gafas de pinza
Österreich - Stecher
Süddeutschland - Zwicker, Zwickel
Hessen (D) - Petzer
abfällig auch gerne - „Nasenkneifer“
Asti-Klemmer (Balkenklemmer)
BearbeitenNachdem man erkannt hatte, das es nicht nur sphärische Fehlsichtigkeiten gab, sondern auch astigmatische (1807)[8], verbreiteten sich solche astigmatischen Gläser dann ab 1825[9] langsam aber stetig. Der Kneifer mit seiner elastischen Brücke zwischen den Gläsern, der um 1840 in Mode kam, eignete sich allerdings nicht für diese Gläser. Die Achsen der Gläser verdrehten sich beim Aufsetzen gegeneinander. Abhilfe kam 1861 durch den Bristoler Optiker J. Braham, der eine horizontale Sprungfeder zwischen die Gläser des Kneifers setzte. So blieb die Klemmfunktion auf der Nase erhalten, und gleichzeitig blieb aber auch beim Aufsetzen die Horizontale der Gläser immer gleich. Diese, parallel zu den normalen Klemmern erhältlichen, neuen Kneifer nennen sich Asti Klemmer und waren speziell für torische astigmatische Zylindergläser. Auch bei dieser Brille gab es keine standardisierte Bezeichnung und so wurden von den Herstellern aus Kneifer, Klemmer, Pince-nez und Zylinder, torisch astigmatisch allerlei Wortschöpfungen gebildet. Weitere Bezeichnungen waren „Balkenklemmer“, „Vertikalklemmer“ und „Horizontalklemmer“. Die Mitte des 19. Jh. immer mehr an Bedeutung gewinnende Problematik des Augenabstandes, im Bezug zu den optischen Achsen der eingebauten Brillengläsern, war aber weder bei dem Standardkneifer noch bei dem Asti-Klemmer in befriedigender Weise zu lösen.
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1885, Asti-Klemmer für torische Gläser
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Um 1896 (D), Dame mit Asti-Klemmer
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1900, Asti-Klemmer (mit Schaukelstegen) für torische Gläser
Fingerklemmer
BearbeitenDer Fingerklemmer (auch Fingerkneifer oder Fits U Pince Nez) ist die letzte und jüngste Erfindung unter den bügellosen Nasenkneifern. In Frankreich (Morez-du-Jura) von Jules Cottet 1893[10] erfunden, patentiert[11] und auch mit geringem Erfolg gefertigt. Diese frühen Fingerkneifer besaßen allerdings eine noch recht klobige und schwere Klemmkonstuktion, die leicht von der Nase fiel. Erst nach Weiterverkauf des Patentes in die USA entwickelte dort R. B. Fink (eng. Finch) eine zierlichere Variante mit ab da durchschlagendem Erfolg. Unter anderem von AO (American Optical Company) ab 1901 in großen Stückzahlen gefertigt. Noch 1904 unterschied man auf dem deutschen Markt zwischen einer französischen Variante (Movilletes) mit Rand und der randlosen amerikanischen Version (Finch rigid spring eyeglasses)[12]. Mit ovalen Bi-Gläsern bis etwa 1915, danach dann mit runden Menisken-Gläsern noch etwa bis 1940. Fingerklemmer waren sehr beliebt, vor allem auch, sicherlich aus kosmetisch ästhetischen Gründen, mit randlosen Gläsern. Ausgestattet mit Nasenstegen die, mit Hilfe zweier gefederter Hebel, sich auf die Nase klemmen ließen. Da man dies am besten einhändig mit Daumen und Zeigefinger machte, ergab sich daraus die Bezeichnung Fingerklemmer. Verkaufsbezeichnung in USA Fits-U Eyeglasses und in Deutschland z. B. durch die Fa. Menrad als „Fingerkneifer“ hergestellt und vertrieben. Um den besten Sitz auf der Nase zu ermöglichen, wurde beim Optiker, mit Hilfe von rund 12 Musterbrillen, die beste Nasenstegbreite für den jeweiligen Kunden ermittelt.
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Um 1915, Fingerklemmer, Randlos, ovale Gläser
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Um 1910, Anita C. Bourgeoise mit Fingerklemmer
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Fingerklemmer mit runden Gläsern, nach 1912
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Fits-U Eyeglasses
Kneifer | |
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Kategorien | Nasen-Klemmbrillen, faltbare Brillen |
Zeit | 19. bis 20. Jh. |
Region | Europa, Amerika |
Vorgänger | Bügelbrille |
Nachfolger | – |
parallele Alternative | Ohrenbrille, Brille, Lorgnon |
Infoboxen 'Brille' Testseite
https://de.wikipedia.org/wiki/Vorlage:Infobox
Wie auf einigen Portätbildern gut zu erkennen, hatte die Ohrenbrille trotz des Namens Amfangs nicht umbedingt Kontakt noch Halt am Ohr, sondern umklammerte vielmehr den Kopf.
- ↑ Bressys-Klemmer
- ↑ Interessantes von Brille und Kontaktlinse. Heinrich Fleck
- ↑ 1904-Oppenheimer, Theorie und Praxis der Augengläser
- ↑ Sportkneifer
- ↑ https://www.wilke-optik.de/wp-content/uploads/winsor-kneifer-12272-2-670x397.jpg
- ↑ Dame mit Oxfort Klemmer
- ↑ R.J. Phillips - Spectacles and eyeglasses, 1861
- ↑ Thomas Young - Lecture on Optical Instruments
- ↑ Sir George Biddell Airy
- ↑ 1930 Rohr-Die optischen Instrumente
- ↑ Patentschrift Fingerkneifer
- ↑ 1904, E.H.Oppenheimer, Theorie und Praxis der Augengläser