Hirsch: Rothirsch mit zwei Kühen
Reh: Ricke und Kitz
Reh: Rehbock

Als Bambi-Irrtum bezeichnet man den Irrglauben, dass das Reh die weibliche Entsprechung zum männlichen Hirsch sei. Die Deutsche Wildtier Stiftung stellte in einer Umfrage fest, dass 62 Prozent der Kinder in Deutschland davon überzeugt sind, dass „das Reh die Frau vom Hirsch“ sei.[1] Auch die Bezeichnung Bambi-Lüge ist in Gebrauch, wenngleich keine Lüge im Sinne des Wortes angenommen wird.


Das Reh ist nicht die Frau des Hirsches

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Tatsächlich sind Rehe (Capreolus capreolus) eine Art aus der Familie der Hirsche (Cervidae), zu denen auch der Rothirsch (Cervus elaphus) gehört, der hierzulande das typische Bild eines Hirsches prägt. Die Rehe zählen aber zu den Trughirschen (Capreolinae), der Rothirsch zu den Echten Hirschen (Cervinae). Die beiden Arten sind nicht kreuzbar.

Auch enthält keine der beiden Bezeichnungen eine Aussage über das Geschlecht. Zwar nennt man den männlichen Hirsch nur Hirsch, die „Frau“ des Hirsch aber Hirschkuh, poetisch veraltet Hinde oder Hindin, in der Jägersprache auch Tier oder Kahlwild, den „Mann“ des Rehs Bock, die „Frau“ Ricke oder Rehgais (und das Kind des Rehs Kitz, das der Hirschen aber Kalb).

Rehe (Schulterhöhe 60–90 cm) sind deutlich kleiner als Hirsche (75–150 cm je nach Unterart), die jeweiligen Männchen um 10–15% größer als die Weibchen. Der Rotirsch ist ein typischer Waldbewohner, während das Reh zur Äsung Freiland sucht, und auch in steileres Gelände steigt, und ein ausgeprägtes Fluchttier ist (daher wird es sprachlich auch mit Ziegen und der Gämse verglichen, der Hirsch aber mit Rindern). Auffallendster Unterschied ist aber das Geweih (jagdlich die Stangen), das nur das Männchen trägt. Es ist beim Hirsch prächtig ausgebildet (und wird auch Krone genannt), und gewinnt jedes Jahr ein Ende mehr, sodaß nur alte Hirsche mehr als Zehnender sind, während der Rehbock kleine Stangen trägt, beim einjährigen Bock unverzeigte Spieße, später nur zwei- bis dreiendig. Das Rehgeweih wird auch nicht „Geweih“, sondern Gehörn genannt. Beide Arten werfen aber das Gestänge im Herbst ab, und unterscheiden sich darum Winters wenig von den jeweiligen Weibchen. Das Gestänge wächst im Frühjahr komplett neu, unter einer Haut, dem Bast und es besteht aus Knochen, nicht Hornsubstanz, nicht wie Haare, Nägel oder die Hörner der Ziegen und Rinder, die über einen Zapfen vorgeschoben wachsen. Im Frühsommer, wenn es fertiggebildet ist, wird der vertrocknende Bast an Bäumen abgestreift (gefegt).

Bildung des Mythos

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Der Irrtum basiert auf der deutschen Fassung des Kinderfilms Bambi der Walt Disney Studios (1942), für die die englische Bezeichnung deer („Hirsch“) falsch mit „Reh“ (engl. Roe deer) übersetzt wurde. Daraus wird häufig gefolgert, dass Bambis Mutter ein Reh sei, während Bambis Vater, der ein Hirschgeweih trägt, für einen Hirsch gehalten wird. In der zweiten Filmhälfte wächst auch Bambi zum jugendlichen Hirsch, erkennbar am Geweih, heran. Weil viele nur selten mit Rehen in Kontakt kommen, der Film aber sehr populär ist, tritt dieser Irrtum, mit dem mehrere Generationen Kinder und Jugendliche aufgewachsen sind, noch heute immer wieder auf. Bastian Sick bezeichnet ins seiner in seiner Sprachkolumne „Zwiebelfisch“ den Irrtum als Bambi-Lüge[2]

Die Verwechslung entstand, als Felix Saltens deutschsprachiges Buch Bambi, ein Leben im Walde von 1923, das 1929 in den USA erschien, von den Übersetzern an die nordamerikanische Umwelt angepasst wurde, da es in Nordamerika gar keine Rehe in freier Wildbahn gibt. Schon in der englischen Buchübersetzung wurde aus dem Reh Bambi also der Hirsch Bambi. So ist auch nicht Walt Disney der Urheber der „Umwandlung“ von Bambi, sondern er bezog sich in seiner Verfilmung des Stoffes auch auf die US-Übersetzung des Buches. Als der Film 1949 nach Österreich[3] und 1950 nach Deutschland kam, wurde er „korrigierend“ synchronisiert. Es wird also im Film ein Nordamerikanischer Hirsch (Odocoileus) dargestellt, aber nach der deutschen Buchfassung von einem „Reh“ gesprochen. In Europa wurde das Bilderlebnis aber auf den heimischen Rothirsch übertragen, der dem Reh viel weniger ähnlich ist, als diese Neuwelthirsche (Trughirsche).

Dargestellt ist wohl ein Maultierhirsch (Odocoileus hemionus, auch Großohrhirsch, engl. Mule deer )[4], ein seltenerer und ansehnlicher Hirsch der Rockies, trägt in Jugendjahren ein Rehbock-ähnliches Spießgeweih, und zeichnet sich durch seine typischen vierbeinigen, gazellenartigen „Bocksprünge“ aus, die auch im Film dargestellt sind.[5] Die Bewegung erinnert an den Springbock Südafrikas, aber auch die Gämse, die ebenfalls eine Gazelle ist, oder eine Ziege. Beide sind wie der Maultierhirsch Bergbewohner, und Männchen werden deshalb ebenfalls „Bock“ genannt. Es kommt im Film aber auch das Laufbild von Waldhirschen vor, Ähnlichkeit bsteht auch mit dem nahe verwandten Weißwedelhirsch (Odocoileus virginianus, engl. White-tailed deer) verkörpert, der ein anderes Geweihbild als der Maultierhirsch zeigt[4].

Beim Amerikanischen Hirsch nennt man das Weibchen doe[6], das im Deutschen sowohl als „Hindin“ wie auch „Ricke“ wiedergegeben werden kann (und auch für Weibchen bei Hase und Kaninchen gebraucht wird)[7], das Männchen buck, was die deutschen Übersetzer zusätzlich verwirrt haben könnte. Zwei Synchronisationsfehler sind bekannt, zum einen: „Bei Familie Reh gibts Nachwuchs!“ (Original: „The new Prince is born!“) und „Wir sind nicht die einzigen Rehe im Wald” (Original: „We’re not the only deer in the forest“).[2]

Auch viele andere Synchronfassungen US-amerikanischer Filme weisen diesen Fehler auf: So auch im Film Die Wildnis ruft von 1946 mit Gregory Peck, in welchem ein Weißwedelhirschkalb eine Hauptrolle spielt. Auch in zahllosen Western kommt diese Falschübersetzung vor.

Hirsch – Reh

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♂ ♀
 
Maultierhirsch
 
Weißwedelhirsch
 
Reh
 
Weißwedelhirsch
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Einzelnachweise

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  1. Ist das Reh die Frau vom Hirsch? (Pressemitteilung) Deutschen Wildtier Stiftung, abgerufen am 13. April 2008.
  2. a b Bastian Sick: Was meint eigentlich Halloween?, KulturSPIEGEL 11/2006, S. 6 ([http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,443346,00.html Webdokument), Archiv, spiegel.de
  3. Bambi (1942), Internet Movie Database
  4. a b Dana M. Krempels (University of Miami, Department of Biology): Bambi and That Other Guy. Abgerufen am 13. April 2008 (englisch).
  5. Bewegungsbild siehe Dana: Bambi and That Other Guy
  6. Mule deer – The free encycolpedia (engl.)
  7. doe, LEO Online-Wörterbuch

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