Künstliche Höhlen auf den Balearen
Bjohas/Cova des Càrritx Cova des Càrritx
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Lage auf Menorca | ||
Koordinaten | 39° 57′ 59″ N, 3° 57′ 56″ O | |
Ort | Maó, Balearische Inseln, Spanien |
Im Jahr 1995 wurde auf Menorca eine natürliche Höhlen in schwer zugänglichem Gelände entdeckt. In der Cova des Càrritx, im Südwesten von Menorca wurden unzählige menschliche Knochen und Nachweise von menschlichen Aktivitäten entdeckt die dort seit Jahrtausenden unberührt waren. Unter anderem wurde in einem schwer zugänglichen Teil der Höhle einer der spektakulärsten Funde der Vorgeschichte der Balearen entdeckt; ein mit einer Steinplatte versiegeltes Depot in dem vor allem sehr gut erhaltene Gegenstände aus Holz und menschliches Haar gefunden wurden. Ein ähnlicher Fund wurde 1997 in der Cova des Mussol, im Nordwesten der Insel gemacht.
Die ältesten Spuren von menschlichen Aktivitäten in den beiden Höhlen wurden durch C-14 Analyse auf 1600–1400 v. Chr. bestimmt. Diese Zeit bedeutete auf den balearsichen Inseln eine Zeit der Veränderungen, es wurden die Navetas errichtet und die letzten Formen der künstliche angelegten Höhlen sind etwa zeitgleich. Die beiden neu entdeckten Höhlen liefern einen Einblick in die Ideologie dieser Zeit. Im vorderen Bereich beider Höhlen wurden Reste von Feuerstellen entdeckt, hier wurden eine Reihe von verschiedenen Hölzern und Pflanzen verbrannt, von denen mehrere schlecht brennen aber dafür wohlriechend sind, wie z. B. Rosmarin. In der Nähe der Feuerstellen lagen einige essbare Tierreste, die keine Verzehrspuren aufwiesen. Große Keramikgefäße deuten wohl auf eine Opferung von Flüssigkeiten hin. Mikromorphologische Analysen zeigen, dass die Höhlen nur von Zeit zu Zeit besucht wurden, die Höhle von Es Mussol liegt außerdem so schwer zugänglich, dass sie nur übers Meer bei sehr ruhigem Seegang erreicht werden kann. In Es Càrritx fanden sich etwa 100 m vom Eingang entfernt auf einer Felsplatte Reste einer Feuerstelle in der ausschließlich Heidekraut verbrannt wurde, diese liefert keine zur Beleuchtung ausreichende Flamme dafür aber eine lang anhaltende Glut. In diese Glut hatte man kleine menschliche Knochen, vor allem von Händen und Füßen von verschiedenen Personen geworfen. In der Nähe fanden sich Knochen die wie eine vollständige menschliche Hand aussahen, beim näheren Betrachten aber stellte sich heraus, dass einer der Knochen von einem Fuß stammte und hier eine Hand „nachgestellt“ wurde. Die Felsspalten waren mit zerschlagenen Stalaktiten und menschlichen Knochen aufgefüllt worden. Am Ende der Höhle, 170 m im Inneren, stand auf einem Steinsockel eine Vase mit zwei Knubben, die dem Besucher zugewandt waren und an eine weibliche Figur erinnert.
Um 1400 verändert sich die Kultur auf den Inseln, die Eingänge der Höhlen wurden nun als Bestattungsplätze genutzt, während die hinteren Teile wohl nicht mehr betreten wurden. Viele Höhlen wurden mit einer Art Mauer verschlossen. Manche dieser Nekropolen wurden bis zum Ende der Talayotzeit hinein genutzt, was einem Zeitraum von ca. 600 Jahren entspricht. In Es Càrritx wurden ca. 200 Menschen bestattet, eine anthropologische Untersuchung stellte große Ähnlichkeiten zwischen den Toten fest und lässt auf eine kleine soziale Einheit von ca. 13 gleichzeitig lebenden Personen schließen. Die Lebenserwartung lag bei Frauen wie Männern zwischen 40 und 45 Jahren, die Kindersterblichkeit war hoch. Erstaunlich ist, dass keine pathologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen feststellbar waren. Die Beigaben sind ebenso einheitlich, vor allem v-förmig durchlochte Knöpfe und seltener Armreife aus Bronze. Die Beigaben lagen nicht bei den Toten selber sondern hauptsächlich hinter der Mauer am Eingangsbereich der Höhle.
In der Cova des Mussols lässt sich für das Jahr 1200 vor Chr. erneut eine Änderung in der Nutzung der Höhle erkennen. Nachdem die Archäologen die Steinplatten von dem Eingang der letzten Kammer zur Seite geschoben hatten, fanden sie auf einem Felsen den Kopf eines zooanthropomorphen Wesens. Es hatte ein menschliches Gesicht mit zwei kleinen Hörnern auf dem Kopf. Ein weiterer Kopf eines menschlichen, vermutlich männlichen, Wesens fand sich an der Wand gegenüber. Die C-14 Datierung datiert die beiden Köpfe in das 12. Jh. v. Chr. Einige Forscher meinen in dem zooanthropomorphen Köpfchen eine Figur mit Hirschgeweih erkennen zu können, und deuten die Figuren als Teil eines Ritus der im Inneren der Höhle abgehalten wurde. Eine Wandlung der Religion oder der Gesellschaft, von einer ursprünglich matriarchalische ausgerichteten (Gefäß mit Brüsten) in eine patriarchalische (männlicher Kopf) wird angenommen.
In der späten Talayotzeit wurden die Höhlen wieder andersartig genutzt. Ab ca. 1050 v. Chr. lassen sich Veränderungen in der Siedlungs- und Bestattungsstruktur erkennen. In Es Càrritx wurde weiterhin bestattet, doch änderten sich die Beigaben. Anstatt den v-förmig durchlochten Knochenknöpfen wurden jetzt konkave Knöpfe, Armreife, Haarspangen, Broschen, Nadeln, Perlen, Spiralen und Ösenhalsringe aus Bronze getragen. Außerdem wurden die Toten nun anders behandelt. Während man vor 1050 v. Chr. die Toten einfach in die Höhlen hineinlegte, in denen sie dann verwesten, wurden nun einige Zeit nach dem Tode die Köpfe vom Körper getrennt. Die Schädel wurden entlang der Wände aufgestellt und teilweise gestapelt. Der Kopf erhielt nun wohl eine neue Bedeutung, denn auch ein Depot im Inneren der Höhle lässt sich in diesem Zusammenhang sehen. Ein Fundkomplex aus mehreren zylindrischen Holz-, Horn- oder Beinbehältern, die dunkles gewelltes menschliches Haar enthielten, welches deutliche Schnittspuren und Reste von roter Farbe aufwiesen. Die Haare wurden rot gefärbt und kurz nach dem Tode abgeschnitten. Des Weiteren fanden sich einige Gefäße aus Holz und Keramik (in einem steckte noch ein Spachtel) die wohl zur Zubereitung einer bestimmten Substanz gebraucht worden waren. Als besonderes Stück fand sich ein Kamm aus Holz. All diese Funde im Zusammenhang betrachtet, lassen auf ein Ritual schließen, bei dem das menschliche Haare eine große Rolle gespielt hat. In beiden Höhlen wurden um 800 v. Chr. Opfergaben von Metall- und Elfenbeingegenständen beobachtet. Ein „Spiegel“ aus Bronze und bearbeitete Elfenbeinscheiben stellen die wichtigsten Funde dar, die Höhlen dienten nun nicht mehr für Bestattungen sondern als Orte für Votivgaben. Die beiden Höhlen erlebten im Laufe ihrer Nutzung also drei verschiedene Phasen: Die frühste Phase in der die Höhlen rituell genutzt wurden und Knochen von menschlichen Individuen zusammen mit Stalaktiten in die Felsspalten gefüllt wurden. Eine zweite Phase in der die Höhlen vornehmlich für Bestattungen im vorderen Bereich dienten. Dann noch eine dritte Phase in der die Höhlen als eine Art Heiligtum galten und verschiedene Gegenstände als Opfergaben niedergelegt wurden.
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