Spin (von englisch spin ‚Drehung‘, ‚Drall‘) ist eine quantenmechanische Eigenschaft von Teilchen. An Elektronen wurde er 1924 erstmals entdeckt, danach auch an allen anderen Teilchenarten. Der Spin hat alle Eigenschaften eines mechanischen Drehimpulses, ausgenommen die, dass er durch die Drehbewegung einer Masse hervorgerufen wird. Für jedes Teilchen hat der Spin einen unveränderlichen Betrag, der durch die Spin-Quantenzahl angegeben wird. Selbst wenn das Teilchen mit kinetischer Energie Null ruht, hat es seinen Spin, der deshalb auch als Eigendrehimpuls bezeichnet wird. Wie oder wodurch der Spin zustande kommt, bleibt in der klassischen Physik unerklärbar. Anschauliche oder semi-klassische Beschreibungen sind daher unvollständig.

Der Spin ist als feste Eigenschaft der elementaren Teilchen von fundamentaler Bedeutung für das physikalische Weltbild. Er spielt beim Aufbau der Materie bis hin zur Festlegung ihrer makroskopischen Eigenschaften eine bestimmende Rolle.

Abweichend von dieser grundsätzlichen Bedeutung wird in der Kernphysik das Wort Spin auch für den ganzen Atomkern benutzt, also für den Drehimpuls eines zusammengesetzten Systems, das in verschiedenen Anregungsstufen auch verschieden großen Spin haben kann Auch der Spin Null kann hierbei vorkommen. Schon der leichteste aller Kerne, das Proton, hat einen Spin. In der heute verbreiteten medizinisch-diagnostischen Methode der magnetischen Kernspin-Tomographie (MRT) ist dieser Eigendrehimpuls des Protons angesprochen.

Zur Entdeckung und Rezeption des Spins siehe Elektronenspin

Das magnetische Moment des Elektronenspins ermöglichte im Stern-Gerlach-Versuch den ersten direkten Nachweis der Richtungsquantelung. Die Effekte der magnetischen Kernspinresonanz bzw. Elektronenspinresonanz werden in Chemie, Biologie und Medizin zur detaillierten Untersuchungen von Materialien, Geweben und Prozessen genutzt.

Spinoperator und Eigenwerte

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Der zum Spin gehörende Operator   gehorcht denselben drei Vertauschungsrelationen wie die Operatoren zum Bahndrehimpuls und Gesamtdrehimpuls:

  (auch für x, y, z zyklisch vertauscht)

Daher gelten hier auch alle anderen allgemeinen Regeln des quantenmechanischen Drehimpulses.

Den Spin   unterscheidet sich vom Bahndrehimpuls   darin, dass er mit allen anderen Operatoren für die am Teilchen beobachtbaren Observablen vertauschbar ist. Das erweitert seinen Wertevorrat der Quantenzahlen um halbzahlige Werte. [1] (Der Bahndrehimpuls erfüllt zusätzlich die Bedingung  , die natürlich auch für den (Bahn-)Drehimpuls der klassischen Mechanik gilt.)

Da (außer im Fall von Spin Null) die drei Komponenten nicht miteinander vertauschbar sind, wählt man als maximal möglichen Satz vertauschbarer Operatoren analog zum Bahndrehimpuls   und  . Jeder Zustand des Teilchens ist Eigenzustand zu   mit dem Eigenwert  . Der Wertevorrat für die Spinquantenzahl   ist  . Der Eigenwert für   heißt auch magnetische Spinquantenzahl und wird meist mit   oder   bezeichnet. Möglich sind stets die   Werte  , alle zusammen je nach Wert   entweder nur halbzahlig (dann in gerader Anzahl) oder nur ganzzahlig (dann in ungerader Anzahl).

Die Regeln für die Addition von zwei Drehimpulsen gelten völlig gleich für Bahndrehimpuls und Spin. Daher entsteht durch die Addition von zwei halbzahligen Drehimpulsen ein ganzzahliger (wie bei zwei ganzzahligen auch), während sich ein halbzahliger und ein ganzzahliger Drehimpuls zu einem halbzahligen Drehimpuls addieren. Ein System aus Bosonen und Fermionen hat daher genau dann einen halbzahligen Gesamtdrehimpuls, wenn es eine ungerade Anzahl Fermionen enthält.

An fundamentalen Teilchen beobachtet hat man bisher nur die Spinquantenzahlen   (z.B. Elektron, Neutrino, Quarks, sämtlich Fermionen) und   (Photon, Gluon, W-Boson und Z-Boson, sämtlich Bosonen). Zu   wird das Higgs-Boson erwartet, ist aber noch nicht richtig nachgewiesen. Für weitere Einzelheiten zu den besonderen Eigenschaften von Spin- -Teilchen siehe Benutzer:Bleckneuhaus/Sandkasten Elektronenspin.

Auch bei vielen weiteren Teilchen und Quasiteilchen wird in der Umgangssprache der Physik der Drehimpuls um den Schwerpunkt als Spin bezeichnet, der bei derselben Teichenart je nach angeregtem Zustand des Teilchens dann auch verschiedene Werte haben kann. Dies sind alles zusammengesetzte Systeme, deren Drehimpuls sich nach den allgemeingültigen Regeln der quantenmechanischen Addition aus den Spins und Bahndrehimpulsen ihrer fundamentalen Bestandteile bildet. Sie werden hier nicht weiter berücksichtigt.

Boson, Fermion, Teilchenzahlerhaltung

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Gemäß dem Standardmodell der Elementarteilchenphysik bestimmt der Spin die grundlegende Klassifizierung der Elementarteilchen in Bosonen (Spin ganzzahlig) und Fermionen (Spin halbzahlig). Aus der Erhaltung des Gesamtdrehimpulses eines Systems bei allen möglichen Prozessen folgt für die Fermionen die Einschränkung, dass sie sich nur in Paaren erzeugen oder vernichten lassen, nie einzeln, weil sonst der Gesamtdrehimpuls von einem halbzahligen zu einem ganzzahligen Wert (oder umgekehrt) springen müsste.

Vertauschungssymmetrie, Statistik, Pauli-Prinzip

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Die Klasseneinteilung in Bosonen (Spin ganzzahlig) und Fermionen (Spin halbzahlig) hat starke Auswirkungen auf die möglichen Zustände und Prozesse eines Systems, in dem mehrere Teilchen gleicher Art vorhanden sind. Da wegen der Ununterscheidbarkeit gleichartiger Teilchen das Vertauschen von zweien von ihnen denselben physikalischen Zustand des Systems herstellt, kann auch der Zustandsvektor (oder die Wellenfunktion) bei dieser Vertauschung nur derselbe bleiben oder sein Vorzeichen wechseln. Alle Beobachtungen zeigen, dass für Bosonen immer der erste Fall gilt (Symmetrie der Wellenfunktion bei Vertauschung), für Fermionen aber immer der zweite (Antisymmetrie). Unmittelbare Folge der Antisymmetrie ist das Pauli-Prinzip, nach dem es kein System geben kann, das zwei gleiche Fermionen im selben Einteilchenzustand enthält. Dies Prinzip bestimmt z. B. den Aufbau der Atomhülle und zählt damit zu den Grundlagen für die physikalische Erklärung der Eigenschaften der makroskopischen Materie (z. B. beim chemischen Verhalten der Elemente im Periodensystem sowie bei der (näherungsweisen) Inkompressibilität von Flüssigkeiten und festen Körpern). Die Tatsache, dass es zwei verschiedene Vertauschungssymmetrien gibt, erklärt die großen Unterschiede zwischen Vielteilchensystemen aus Fermionen bzw. Bosonen. Beispiele sind das Elektronengas im Metall bzw. die Photonen in der Hohlraumstrahlung. In der Behandlung mit statistischen Methoden befolgen Fermionen die Fermi-Dirac-Statistik, Bosonen die Bose-Einstein-Statistik. Eine tiefliegende Begründung für diesen Zusammenhang liefert das Spin-Statistik-Theorem. Obwohl die von den Spins ausgehenden Kräfte meist vernachlässigbar sind (oder gleich ganz vernachlässigt werden) zeitigt die bloße Eigenschaft der Teilchen, einen halb- bzw. ganzzahligen Spin zu besitzen, weitreichende Folgen in der makroskopisch erfahrbaren Welt.


Einzelnachweise und Fußnoten

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  1. Corneliuas Noack: Bemerkungen zur Quantentheorie des Bahndrehimpulses, Physikalische Blätter 41, Nr.8, S.283-285 (1985)

Kategorie:Quantenphysik