Das Tuscany Dog Project war ein wissenschaftlices Feldforschungsprojekt an verwilderten Haushunden in der Toskana (Italien). Die Studie war als Langzeitstudie auf einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren angesetzt. Leiter des Projektes waren Karin und Günther Bloch, sowie Stefan Kirchhoff; wissenschaftlicher Projektbegleiter war Udo Gansloßer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Das Projekt begann am 8. Mai 2005 und wurde Ende 2007 eingestellt.

Studienobjekte

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Im Mittelpunkt stand eine von drei Gruppen (bei Studienanfang) verwilderter Haushunde, welche im 220 km² großen Naturpark Parco Naturale Migliarino – San Rossore – Massaciuccoli zwischen Viareggio und Livorno[1] leben. Da diese Hunde weder Streuner im klassischen Sinne noch Touristen-Begleithunde und auch nicht völlig vom Menschen unabhängig sind, werden sie nicht als „wilde Hunde“ sondern als „verwilderte Haushunde“ bezeichnet.

Laut Bloch haben diese Hunde keinen völlig verwilderten Status, da sie regelmäßig von Tierschützern gefüttert werden. Auf diesen Umstand führt Bloch die Gegebenheit zurück, dass diese Hunde im Gegensatz zu „typischen“ Mittelmeer-Streunern alle in etwa Schäferhundgröße und -gewicht (zwischen 54 und 63 cm Schulterhöhe, 21 bis 32 kg Gewicht) haben.

Fragestellungen

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Das Projekt wurde gestartet um das Verhalten von Haushunden ohne den direkten Einfluss des Menschen studieren zu können. Dabei ging es vor allem um die Themen:

Im Einzelnen wollte man dabei auch der Frage nachgehen, inwieweit sich das Verhalten dieser Hunde von denen wilder Wölfe in Bezug auf Rangordnung und Reproduktion unterscheidet. Daneben wurde auch der Frage nachgegangen, woher diese Hunde ursprünglich stammen und wie sie sich nach dieser langen Phase der „Verwilderung“ in Bezug auf Menschen verhalten.

Methoden

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Beim Sammeln von Daten und Schlussfolgerungen werden verschiedene Methoden angewendet. Zum einen werden Daten zur Bestimmung der Reviergrößen und Aktivitäts- bzw. Ruhephasen gesammelt. Zum anderen wurden Persönlichkeitsprofile und Verhaltenskataloge erstellt. Ebenso wurden Interviews (stichprobenartig) mit Angestellten der Parkverwaltung, im Wald arbeitenden Holzfällern, einheimischen Geschäftsleuten und Tierschützern, ortskundigen Hundehaltern, Joggern, Radfahrern, Anglern, Spaziergängern und Touristen geführt.

Bei der Betäubung und Besenderung einiger Hunde (am 12. Mai 2005) wurden auch Blutproben (DNA-Bestimmungen, Parasitenbefund) gesammelt. Mithilfe von Telemetrieequipment und einem GPS-System konnten die Aufenthaltsorte der markierten Hunde protokollierbar erfasst werden.

Zum Vergleich wurden die gesammelten Daten über eine Gruppe Timberwölfe aus dem Banff-Nationalpark herangezogen.

Ergebnisse

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Ursprung der Hunde

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Mit hoher Wahrscheinlichkeit gehen die Hunde der Großen Gruppe auf einen Collie (Weibchen), einen Maremmaner Hirtenhund (Rüde) und einen Jagdhund unbekannten Geschlechts (alle unbekannter Herkunft) Mitte der 1990er Jahre zurück. Entgegen der Erwartung, dass sich das Problem der Hunde auf biologischem Wege von alleine lösen würde, passten sich diese Tiere an und konnten sich vermehren. Exakte Geburtenzahlen für diese erste Zeit fehlen, da es keine statistischen Feststellungen gab. Bereits damals fiel das generelle Fehlen der Zutraulichkeit dieser Hunde auf, was sich später auf die Welpen übertragen hat. Hinzu kam, dass die Fellfärbungsvarianten (bis heute sind die Hunde meist zwei- oder sogar dreifarbig gefleckt) und der Zusammenschluss zu Gruppeneinheiten mit der Zeit zu nahmen. Sozialverbände und feste Kernterritorien etablierten sich nach und nach um die Futterstandorte herum und wurden gegen Fremdhunde verteidigt.

Rechtlicher Status und Territorium

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Obwohl sich die Hunde rechtlich gesehen in einer Grauzone befinden, wird ihnen doch Vollschutz gewährt und die Jagd auf sie ist wie bei allen Tieren des Naturparks tabu. Das Territorium der Hunde variiert je nach Jahreszeit zwischen 15 und 20 km².

Verhalten

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  • Diese Hunde sind offenbar in der Lage außerhalb des menschlichen Einflussbereiches neue Verhaltenstraditionen zu entwickeln und über längere Zeiträume aufrechtzuerhalten und zu verfeinern.
  • Neben Verhaltenstraditionen, die über das ganze Rudel verteilt sind, gibt es auch solche, die nur von einzelnen Tieren gezeigt werden (z. B. wurde das Beobachten von Singvögeln nur bei zwei Hunden nachgewiesen).
  • Die Hunde haben über Jahre scheinbar ein ausgeklügeltes Verteidigungskonzept entwickelt und wissen die Gegebenheiten ihres Territoriums geschickt zu nutzen (z. B. Wachposten, Rückzug in Buschwerk, Schutz bei Unwetter).
  • Anhand 92 konkreter Beobachtungen konnte dokumentiert werden, dass die Hunde ein räumliches Vorstellungsvermögen von ihrem Revier haben.
  • Die Hunde sind in der Lage sich ebenso wie Wölfe durch Heulen zu verständigen und wieder zu finden.
  • Die Hunde zeigen individuelle Charaktere.
  • Die ältesten Hunde des Rudels waren nicht die Rudelführer.
  • Die Hündin „Eurecia“ war meistens die Leiterin des Rudels.
  • Die meisten Kontakte zwischen den einzelnen Hunden sind sozio-positiver Natur.
  • Die Hunde benutzen zur Welpenaufzucht diverse, qualitativ hochwertige Standorte, wie Altbaumbestände, die seit mindestens 30 Jahren vom Menschen unberührt sind. Höhlen werden dabei (wie bei Wölfen) unter Flachwurzeln angelegt. Daneben werden auch Fuchshöhlen als Welpendomizil genutzt.
  • Das Lernvermögen der Welpen ist scheinbar ungemein ausgeprägt und das Verhalten der Erwachsenen ist den Gegebenheiten der Umwelt angepasst.
  • Alle Welpen bis zum Ende der dritten Lebenswoche in Erdbauten, halten sich in deren Nähe bis zum Ende des dritten Monats auf.
  • Langzeitbeobachtungen Blochs ergaben, dass die meisten Hunde, welche aus dem Rudel entnommen wurden, weder sozial- noch umweltsicher, sondern scheu geblieben sind. Dies trifft auch auf solche Individuen zu, die schon im Alter von ca. acht bis zwölf Wochen von der Mutter getrennt wurden.
  • Zumindest die effiziente Jagd auf Wildkaninchen ist nachgewiesen. Jagderfolge bei Rehen wurden nicht beobachtet.

Fortpflanzung

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Die Hündinnen sind zweimal im Jahr läufig und versorgen ihre Welpen hauptsächlich alleine (wobei sie für die Welpen auch Futter hervorwürgen), allerdings konnte ein Fall von Adoption nachgewiesen werden. Zu einer unkontrollierten Vermehrung kam es bisher nicht, der Gesamtreproduktionserfolg war während der bisherigen Beobachtungszeit scheinbar niedrig und zwei Fälle von Inzest innerhalb der Großen Gruppe sind nachgewiesen.

Gesundheit

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Sterblichkeit der Welpen aufgrund der Übertragung von Krankheiten durch Moskitos sehr hoch. Alle untersuchten Hunde litten an der durch Zecken übertragenen Rickettsia aber bildeten Antikörper aus.

Die Hunde sind fähig ein hohes Alter zu erreichen.

Umgang mit Fremdhunden und Menschen

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Fremdhunde werden aus dem Revier grundsätzlich vertrieben. Eine Hündin aus einer kleineren Gruppe des Parks wurde aber im Laufe der Zeit in das Rudel aufgenommen. Zu Angriffen auf Menschen oder deren Begleithunde kam es während der bisherigen Beobachtungen nie, die Hunde meiden Menschen grundsätzlich, wobei die Fluchtdistanz von Hund zu Hund variiert. Meist blieb es beim Umgang mit Menschen und deren Hunden bei lautstarkem Gebell, einigen Scheinangriffen und Nachtrotten über einen gewissen Zeitraum. Und das auch nur, wenn ein Mensch mit einem Hund unterwegs war, Menschen ohne Hunde wurden gemieden.

Probleme

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Die Studie kann nicht in jedem Fall sichere Ergebnisse liefern, da es viele Faktoren gibt, welche eine lückenlose Auswertung und Erfassung aller Daten erschweren, z. B.:

  • es wurden bereits nachweislich Welpen aus dem Rudel entnommen und das Verschwinden anderer Welpen sowie erwachsener Hunde durch menschliche Einflüsse ist nicht ausgeschlossen
  • genaue Verhaltensbeschreibungen sind aufgrund der üppigen Vegetation nur schwer abzugeben
  • die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb des Rudels sind noch lückenhaft
  • alle bisher beobachteten Fremdhunde ohne Begleitung von Menschen waren Rüden

Veröffentlichungen

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Günther Bloch selber hat einige seiner ersten Erfahrungen mit diesen Tieren in seinem Buch „Die Pizza-Hunde“ veröffentlicht.

Alle Diplom- und Doktorarbeiten werden Dr. Udo Ganßloser aus fachlicher Sicht begleitet. Folgende Arbeiten sind bereits veröffentlicht worden:

  • Beschwichtigungsverhalten bei Hunden (Diplomarbeit, Mira Meyer, August 2006)
  • Abbruchsignale der Hunde, Untersuchung ausgewählter Signale in einer frei lebenden Hundegruppe (Diplomarbeit, Sandra Fischer, 2007)
  • Olfaktorische Kommunikation bei Hunden (Diplomarbeit, Valeska Stöhr, Februar 2008)
  • Zuteilungsbeziehungen und hierarchische Strukturen beim Zugang zur Ressource Futter (Diplomarbeit, Victoria Warstat, März 2008)
  • Untersuchungen zur tatsächlichen Gefährlichkeit von verwilderten Haushunden bei Begegnungen mit Menschen im Naturpark von San Rossore (Gesamttext: 19 Seiten, Dezember 2005)
  • Kynologische Notizen zum Populationstrend in einem verwilderten Haushundbestand im Naturpark von San Rossore (Gesamttext: 8 Seiten, Januar 2006)
  • Verhaltensbeobachtungen zur Nahrungskonkurrenz zwischen verwilderten Haushunden, Wildschweinen und Rotfüchsen an drei Futterstandorten im Naturpark von San Rossore (Gesamttext: 12 Seiten, Februar 2006)


Weitere Diplom- und Doktorarbeiten zu folgenden Themen waren als in Vorbereitung angekündigt:

  • Doktorarbeit zum Thema „Reproduktion und Rangordnung“
  • Doktorarbeit zum Thema „Verwandtschaftliche Beziehung von Hunden/Krankheitsbilde...“

Einzelnachweise

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  1. it:Parco naturale di Migliarino, San Rossore, MassaciuccoliParco naturale di Migliarino, San Rossore, Massaciuccoli in der italienischen Wikipedia

Literatur

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Kategorie:Verhaltensbiologie