Kolonialgeschichte ist ein Forschungsgebiet der Geschichtswissenschaft und erforscht und beschreibt die Entwicklungen und Folgen des Kolonialismus vorrangig europäischer Kolonialmächte seit dem 15. Jahrhundert sowie den durch die Kolonisation bedingten historischen Wandel in allen gesellschaftlichen Bereichen, dabei vorrangig der Politik, Wirtschaft und der Kultur. Diente die sich Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelnde Kolonialgeschichtsschreibung zunächst mehr der Legitimierung des Kolonialismus und des zivilisatorischen Anspruchs der Kolonialmächte, hat sich seit der postkolonialen Wende eine kritische Perspektive auf den Kolonialismus etabliert, die sich zunehmend mit der Perspektive der Kolonisierten und den Machtstrukturen des Kolonialismus auseinandersetzt. Entsprechend kontrovers wird der Kolonialismus heute gedeutet und hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Debatten zur Folge.

Kolonialgeschichte: kontroverse Deutung der Kolonialzeit, vielfach aktuelle Debatten

Die postkoloniale Wende in den 1970er und 1980er Jahren, angestoßen durch Theoretiker wie Edward Said mit seinem Werk Orientalism (1978), hinterfragte diese eurozentrische Sichtweise. Said gilt als einer der Wegbereiter der postkolonialen Studien, die .

Internationale Forscher wie Dipesh Chakrabarty, Gayatri Chakravorty Spivak und Homi K. Bhabha spielten eine zentrale Rolle in der Entwicklung des postkolonialen Ansatzes, der insbesondere in der Kulturgeschichte großen Einfluss hatte. In Frankreich trugen Historiker wie Aimé Césaire und Frantz Fanon zur Dekolonialisierungsdebatte bei und beleuchteten die psychologischen und sozialen Folgen des Kolonialismus. In Großbritannien prägten Historiker wie Catherine Hall und John Darwin das Feld durch ihre Arbeiten zur britischen Kolonialgeschichte und deren Nachwirkungen auf die Gegenwart.

In Deutschland wurde die Kolonialgeschichte vor allem in den 1990er Jahren intensiver erforscht. Forscher wie Jürgen Zimmerer, Birthe Kundrus und Sebastian Conrad stellten die Rolle des Deutschen Kaiserreichs im Kolonialismus in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen und wiesen auf die Verbindungen zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus hin. Die deutsche Kolonialgeschichte, die lange Zeit wenig Beachtung fand, wurde zunehmend als Teil der europäischen und globalen Kolonialgeschichte verstanden. Susanne Schröter erweiterte das Feld durch ihre Arbeiten zu Gender und Kolonialismus.

Die heutige Kolonialgeschichtsschreibung ist durch eine interdisziplinäre und globale Perspektive geprägt. Sie untersucht nicht nur die Herrschaftsverhältnisse und wirtschaftlichen Interessen der Kolonialmächte, sondern auch die Widerstandsformen und kulturellen Transfers, die zwischen den Kolonialmächten und den Kolonisierten stattfanden. Diese Entwicklungen spiegeln das gestiegene Bewusstsein für die langfristigen Auswirkungen des Kolonialismus in der heutigen Welt wider.

Forschungsstand

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international

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positive Deutung, bis in die 1970er

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Die Europäer blieben „bis in die nachkoloniale Zeit die Herren der Historia wie der Memoria“ und haben auch die Kontrolle über die Quellen, die von den Kolonialmächten zumeist nach Europa gebracht wurden. Reinh 1312

In den nachkolonialen Staaten spielt die dortige Geschichtsschreibung eine große Rolle besonders in Hinblick auf eine identitätsstiftende Nationalgeschichtsschreibung. Z.B. in Afrika Cheikh Anta Diop mit der These, dass (inklusive Ägyptens) die Geschichte Afrikas immer die der schwarzafrikanischen Kultur und einer kulturellen Einheit gewesen. Allerdings waren alle drei an europäischen Universitäten sozialisiert und tätig. Fortgesetzt bei Martin Bernal und Molefi Kete Asante Reinh 1313

Bis zum zweiten Weltkrieg vorwiegend positive Deutung des Kolonialismus: Als Leistung der Europäer und „trotz aller unbestreitbaren Mängel als Segen für die Kolonisierten“. Reinh 1313

radikal kritische Wende

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„Radikal kolonialkritische Wende“ im Zuge der Dekolonisation nach 1945. Wende um 180 Grad, marxistischer Einfluss spielte „eine durchaus kreative Rolle“, denn der Kolonialherrschaft wurde nun als vorrangig wirtschaftliche Phänomene begriffen. Insgesamt ein „einziges großes Verbrechen“ auch im Zusammenhang der Dependenztheorie, Kolonien wurden erst unterentwickelt gemacht. Reinh 1314

Auch die spätere kritische Kolonialgeschichte beschäftigte sich in der Regel mit der jeweiligen nationalen Kolonialgeschichte: „Wer etwas auf sich hält, der schreibt immer noch über das britische Empire oder koloniale Erinnerungsorte der Deutschen“. Reinh 1314

Seit den 1970er Jahren Debatten über Widergutmachungen zum Beispiel der First Nations Nordamerikas.

Postkolonialismus

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oder Postcolonial Studies

Eröffnet wurde das Forschungsfeld der Postcolonial Studies von Edward Saids Analyse des Orientalismus aus dem Jahr 1978. In seinem Buch entlarvte Said den Orient als westliches Konstrukt eines umfassenden Suprematiediskurses. Li

In den 1980er-Jahren in der angloamerikanischen Wissenschaftslandschaft entwickelnde Perspektive Li

erforscht „Wirkungen und Hinterlassenschaften von Kolonialismus auf Nationen, Gesellschaften und Kulturen vor und nach der Unabhängigkeit beschäftigen, was auch die entkolonisierten Gesellschaften und die Gesellschaften der (Ex)-‚Mutterländer ‘mit einschließt“. Die Bedeutung von Kolonialisierungs- und Entkolonialisierungsprozessen wird also für das Verständnis aller daran beteiligten Kulturen und Gesellschaften betont. Li

Postkoloniale Kritik zielt auf ein radikales Umdenken: Das eurozentrische Wissen und die Identitäten, die durch Kolonialismus und westliche Dominanz kreiert wurden und laufend bestätigt werden, sollen kritisiert, unterlaufen und entmachtet werden. Li

Durch globalhistorische und postkolonialistische Forschungsansätze wurden seit den 1970er Jahren zunehmend die Verflechtungen zwischen den Gesellschaften der Kolonialmächte und der indigenen Völkern sowie die Auswirkungen der Kolonialisierung auf diese Gesellschaften in den Blick genommen. Postkolonialismus ist eine interdisziplinäre Theorie und Wissenschaftsdisziplin, die sich mit den Auswirkungen der Kolonialisierung auf kolonisierte Gesellschaften sowie mit den fortbestehenden Dynamiken der Macht und Unterdrückung in der Nachkolonialzeit befasst. Sie kritisiert die eurozentrischen Narrative und Machtstrukturen, die während der Kolonialzeit entstanden sind, und analysiert deren Fortbestehen in der gegenwärtigen Weltordnung. ?

Im Bereich des Postkolonialismus sind Gayatri Chakravorty Spivak und Homi K. Bhabha bedeutende Stimmen, die die Komplexität der kulturellen Identität und die Machtverhältnisse in postkolonialen Gesellschaften analysieren und postkoloniale Theorie weiterentwickeln. ?

Literatur- und Kulturwissenschaftler/innen wie Homi Bhabha und Gayatri Chakravorty Spivak, die als Begründer der Postcolonial Studies gelten, entwickelten diese Ansätze in den 1980er-Jahren weiter zu einer eng am Poststrukturalismus orientierten Literatur- und Kulturkritik, die gerade in den USA zu einer einflussreichen intellektuellen Strömung geworden ist.

Die Begriffe Hybridität und Mimikry, die Homi Bhabha in seinen berühmten Essays geprägt und weiterentwickelt hat, spielen dabei in den Postcolonial Studies eine zentrale Rolle. Li

Postcolonial Studies beschäftigen sich mit den Wirkungen und Hinterlassenschaften von Kolonialismus auf Nationen, Gesellschaften und Kulturen vor und nach der Unabhängigkeit, was auch die entkolonisierten Gesellschaften und die Gesellschaften der Ex-Kolonialmächte betrifft. ?

Deutlich anders als zuvor werden diese Prozesse als eine verflochtene, reziproke Geschichte des Westens und des „globalen Südens” analysiert und nicht mehr als die eines einseitigen Einflusses Europas oder „des Westens” beziehungsweise einer defizitären Entwicklung oder einer nachgeholten Moderne im „Rest” der Welt. ?

Aktuelle Debatte: Historikerstreit 2.0

Kritik: Woher das Gefühl, „zu postkolonialer Zerknirschung verpflichtet zu sein?“ – „sich moralisch besser als andere zu fühlen“ - „als postmoderne Variante von Eurozentrismus“. Reinh 1316

„Postkolonialistische Dreifaltigkeit“: Edward Sais, Homi Bhabba und Bengalin Gayatri (alle drei anglistische Literaturwissenschaftler). Reinh 1317

Positiv am Postkolonialismus: Die „Wiederentdeckung des handelnden Menschen, der zeitweise hinter den anonymen Strukturen und Prozessen der wirtschaftsgeschichtlich geprägten Historie verschwunden war“. Reinh1318

„Als handlungskompetente Individuen waren die Kolonisierten keine passiven Objekte der Geschichte und hilflose Opfer der Kolonialherren“. Obgleich die Quellen zumeist nur die Perspektive der Kolonialherren widerspiegeln bzw. es nur wenige Quellen der Kolonisierten gibt. Reinh1319

Jede Kolonialherrschaft gründet sich auch auf die Kollaboration mit den Kolonisierten, besonders der indigen Eliten.Reinh1319

Explizit postkoloniale Untersuchungen und Themen wie z.B. die Analyse transkultureller und hybrider Formen in Sprachen und Kulturen findet man dagegen vor allem in der Anglistik, weiteren Literaturwissenschaften und den Kulturwissenschaften. Li

Deutschland

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Deutschland mit seiner kurzen und über lange Zeit als marginal eingeschätzten Kolonialgeschichte

Wachsende Interesse an Kolonialthemen seit den 1990er-Jahren im Zuge des Postkolonialismus Li

Drei „Hochkonjunkturen des kolonialen Interesses“ in D C8

1. Revisionistische Strömung 20er als Reaktion auf den Verlust der Kolonien, Historiker beklagten mehrheitlich Verlust der Kolonien, Werbung für eine Rückgabe der Kolonien C8

2. Kritisch-sozialgeschichtliche Strömung ab späte 60er/70er vor dem Hintergrund der Dekolonisationsprozesse: vorübergehend keine Beschäftigung, antiimperialistisches Erkenntnisinteresse, Wirtschaft, Kolonialverbände, Dritte-Welt-Bewegung C9 Schwerpunkt Afrika C10 dennoch Einbahnstraßenfokus: Blick auf Kolonialmächte deren Politik

3. Postkolonialstische 1990er Globalisierung - zunächst wieder kein Interesse zwischen Mitte der 1970er und 1990er, dann Antworten auf Vorgeschichte der Globalisierung, kulturgeschichtliche Ansätze C12 starke Einfluss Postkolonialismus: „Dekolonisation der Köpfe“, zB Völkerschauen

Internationale Vertreter der Kolonialgeschichte sind unter anderem Edward Said, der mit seinem Werk "Orientalismus" die eurozentrische Darstellung des Orients kritisierte, sowie Frantz Fanon, der die psychologischen Auswirkungen der Kolonialisierung auf die kolonisierten Völker untersuchte und für die Dekolonisierung eintrat.

Deutsche Vertreter der Kolonialgeschichte sind beispielsweise Jürgen Osterhammel, Jürgen Zimmerer und Sebastian Conrad.

Die neuere deutsche Kolonialgeschichte hat zwar Anregungen aus den Postcolonial Studies aufgenommen, ordnet sich aber weiterhin in die Forschungskontexte der europäischen Geschichte, der außereuropäischen Geschichte oder der Globalgeschichte ein und hat kein dezidiert postkoloniales Forschungsfeld ausgebildet. Li

Inhaltliche Ebene - übergeordnet

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Kolonialismus

Kolonisation

Zeitebenen

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  • Kolonialsmus 15. bis 19. Jh.
  • Imperialismus 19. Jh.
  • Dekolonisierung 1950er

Kolonialmächte

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Kolonialmächte 1, daraus:

Das erste globusumspannende Kolonialreich errichtete Portugal ab dem 15. Jahrhundert, das zudem am längsten bestand. Das Vereinigte Königreich verfügte mit dem Britischen Empire über das größte Kolonialreich, gefolgt von Frankreich, während hingegen das Deutsche Kaiserreich, Italien, Belgien und andere Staaten über vergleichsweise kurzzeitige oder kleinere Kolonialreiche verfügten.

Liste bekannter Kolonialreiche

Kolonien

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Kolonie

Deutsche Kolonien

Kolonien deutscher Länder vor 1871

Literatur

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