Der Fortuna-Altar von Dalheim ist ein römerzeitlicher Weihaltar an die Glücks- und Schicksalsgöttin Fortuna, der 2008 bei Ausgrabungen in der luxemburgischen Gemeinde Dalheim aufgefunden wurde. Die darauf befindliche Weihinschrift ist eines der bedeutendsten epigraphischen Zeugnisse des antiken Siedlungsgebietes der Treverer und erbrachte verschiedene Erkenntnisse für die Geschichte des nördöstlichen Galliens in der Mitte des 3. Jahrhunderts. Sie lässt sich mangels entsprechender konkreter Angaben nicht genau datieren, wird aber

Kontext und Beschreibung

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Der Vicus von Dalheim war eine der mittelgroßen Ansiedlungen auf dem Gebiet der Treverer und wohl der bedeutendste römerzeitliche Ausgrabungsort Luxemburgs, mit Theater, Tempelbezirk, Thermen, Nekropole.[1]

Der Großteil des Altars wurde bei Ausgrabungen in den Thermen am 23. Oktober 2008 aufgefunden; ein Fragment war bereits am 20. August ans Tageslicht gekommen. Inmitten einer relativ umfangreichen Brandschicht lag neben dem massiven Sockel lag in mehrere Teile zerbrochen die Vorderseite, den beschriebenen Teil nach unten. Die Stratigraphie zeigt relativ klar, dass die Inschrift bereits in der Mitte des 4. Jahrhunderts vom Sockel geworfen war. Die Kalksteinstücke wurden 2010 bis 2011 im Musée national d'histoire et d'art aneinandergesetzt und die fehlenden Teile ersetzt, um eine dauerhafte stabile Aufstellung der Originalstücke zu gewährleisten. Dabei zeigte sich, dass vom Text alle Stücke vorhanden sind mit Ausnahme eines kleinen dreieckigen Teils, der das Ende der Zeilen 6 und 7 umfasst. Der rekonstruierte Altar ist (wohl dem Original entsprechend) 1,65 hoch.

Der Stein besteht aus Oolith-Kalkstein lothringischer Herkunft, der in der Region immer wieder für Skulpturen und Inschriften Verwendung fand. Der breite Original-Sockel misst 1,21 x 1,09 x 0,38 m und wiegt insgesamt 830 kg. Darüber folgt zunächst eine weitere Basis, von der verschiedene Teile erhalten waren und die das Profil des Unterteils fortsetzt. Sie ist 0,24 cm hoch und maximal 0,86 m breit. Die glatte beschriebene Fläche misst 0,66 x 0,70 m. Darüber befindet sich zur Verzierung ein Gesims und ein dreieckiger Giebel, der nach innen durch reliefartige Vertiefungen geschmückt ist. Dieser an ein Tempeldach erinnernde Abschluss ist auf beiden Seiten durch Voluten mit floralen Motiven verziert und trägt ganz oben eine Art unverzierten Abakus. Das deutet darauf hin, dass es sich nicht um einen Altar im klassischen Sinn handelte, sondern um den Sockel einer Statue. In seiner rekonstruierten Form erreicht der gesamte Stein eine Höhe von 1,63 m.

Die zehn Zeilen umfassende Inschrift ist nahezu komplett erhalten; die Buchstaben sind sauber ausgeführt und weitgehend einheitlich geschrieben. In der ersten Zeile sind sie 3,8 cm hoch, in den restlichen Zeilen 3,5 cm.

Erhaltener Text Ergänzter Text (Wiedergabe nach dem Leidener Klammersystem)

01 I • N • H • D • D
02 DEÆ FORTVNAE OB SALV
03 TE IMPERI VICANI RI
04 CCIENSES PORTICVM
05 BALINEI VI BARBAR[.]
06 RVM ABSVM[...]
07 SVO RESTITVER[...]
08 CVRA AGENTE MA
09 RINIANO MARINO
10 ϶ LEG VIII AVG

01 In h(onorem) d(omus) d(ivinae)
02 deae Fortunae ob salu
03 te(m) imperi(i) vicani Ri
04 ccienses porticum
05 balinei vi barbar[o]
06 rum absum[ptam de]
07 suo restituer[unt]
08 cura(m) agente Ma
09 rinianio Marino
10 (centurione) leg(ionis) VIII Aug(ustae)

Die Übersetzung lautet: „Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses. Der Göttin Fortuna wegen der Errettung des Reiches. Die Einwohner des Vicus Ricci(ac)us haben die Portikus des Bades, welche durch die Gewalt der Barbaren zerstört worden war, auf eigene Kosten wiederherstellen lassen. Sorge dafür trug Marinianus Marinus, Zenturio der Legio VIII Augusta.“[2]

Sprachlich enthält der Text kaum Besonderheiten, Abkürzungen kommen kaum vor. Lediglich die Weihformel an das Kaiserhaus („In honorem domus divinae“) in der ersten Zeile ist wie üblich zu „IN H D D“ abgekürzt, wobei die einzelnen Buchstaben durch jeweils einen Trennpunkt separiert sind. In der letzten Zeile findet sich das ebenfalls gebräuchliche Zeichen ϶, das für den militärischen Rang eines Centurio steht. In der dritten Zeile ist das „m“ am Wortende von „salutem“ weggelassen, in der achten das des Wortes „curam“ – diese Schreibweisen finden sich ab dem 3. Jahrhundert in Gallien häufiger. In der zweiten Zeile sind das A und das E von „deae“ zu einer Ligatur (Æ) zusammengezogen.

Interpretation und Einordnung

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  • Zeile 1: Die Inschrift öffnet mit der Weihung an die Kaiserfamilie (wörtlich „das göttliche Haus“), die ab der Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. auf lateinischen Inschriften eine übliche Eingangsformel war (und im gallischen Raum um 260 unüblich wurde). Dennoch ist bemerkenswert, dass sie auf dem Dalheimer Fortuna-Altar deutlich größer geschrieben ist als der Rest des Textes, also anscheinend nicht nur als hohle Phrase verstanden wurde. Da die Inschrift von einer ganzen Gemeinde aufgestellt wurde, also offiziellen Charakter hat, lässt sich vermuten, dass sie während der Regierung eines Kaisers entstand, der die dynastische Politik stark in den Vordergrund stellte. In der Zeit der Soldatenkaiser trifft das vor allem auf Philippus Arabs (244–249) und Valerian mit seinem Sohn Gallienus (253–260) zu.
  • Zeile 2: Die Bezeichnung „Dea“ vor einem Götternamen (hier: „Dea Fortuna“) ist ebenfalls für die chronologische Einordnung der Inschrift relevant, da sie in Gallien/Germanien nur in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts üblich war. Dass überhaupt eine Weihung an die Göttin Fortuna inschriftlich festgehalten wird, ist sonst vor allem für Grenzregionen des römischen Reiches belegt und war bisher für die Provinz Gallia Belgica noch überhaupt nicht belegt. Diese Beobachtung legt nahe, dass der Fortuna-Altar, obwohl ein Stück im Binnenland gelegen, in einen militärischen Zusammenhang gehört. In der Nähe der Inschrift wurde ein steinernes Fragment der Darstellung eines Füllhorns gefunden, das möglicherweise zur Fortuna-Statue gehörte, die sich auf dem Altar befunden haben dürfte. Rein bildliche (und deutlich kleinere) Darstellungen der Fortuna wurden schon mehrfach in Dalheim gefunden.
  • Zeile 2/3: Die Formulierung ob salutem imperii, die sich etwa mit „aufgrund der Rettung des Reiches“ übersetzen lässt, ist auf Steininschriften völlig einzigartig, wohingegen sie in literarischen Texten der Antike durchaus vorkommt und ähnliche Formulierungen wie salus Augusti („Heil des Kaisers“) oder salus rei publicae („Heil/Rettung des Staates“) auch in Inschriften üblich sind.[3]
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Literatur

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  • Jean Krier: Die Göttin Fortuna als Erretterin des Reiches – Ein monumentaler Altar aus den Thermen des römischen Vicus in Dalheim. In: Unter unseren Füßen – Sous nos pieds. Archäologie in Luxemburg / Archéologie au Luxembourg 1995–2010. Ausstellung im Musée national d'histoire et d'art vom 20. Oktober 2011 bis zum 2. September 2012 (= Publications du Musée national d'histoire et d'art Luxembourg. Band 14). Centre national de recherche archéologique, Luxemburg 2011, ISBN 978-2-87985-161-7, S. 103–107.
  • Jean Krier: Deae Fortunae ob salutem imperi. Nouvelles inscriptions de Dalheim (Luxembourg) et la vie religieuse d’un vicus du nord-est de la Gaule à la veille de la tourmente du IIIe siècle. In: Gallia. Band 68, 2011, S. 313–340, mit Abbildung auf S. 325.

Einzelnachweise

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  1. Zur Einordnung und Forschungsgeschichte der Inschrift Jean Krier: Deae Fortunae ob salutem imperi. Nouvelles inscriptions de Dalheim (Luxembourg) et la vie religieuse d’un vicus du nord-est de la Gaule à la veille de la tourmente du IIIe siècle. In: Gallia. Band 68, 2011, S. 313–340, hier S. 313–319.
  2. Jean Krier: Die Göttin Fortuna als Erretterin des Reiches – Ein monumentaler Altar aus den Thermen des römischen Vicus in Dalheim. In: Unter unseren Füßen – Sous nos pieds. Archäologie in Luxemburg / Archéologie au Luxembourg 1995–2010. Centre national de recherche archéologique, Luxemburg 2011, ISBN 978-2-87985-161-7, S. 103–107, hier S. 104.
  3. Gallia, S. 329. Krier schreibt dort, der Fortuna-Altar sei der einzige inschriftliche Beleg für die Formulierung salus imperii. Auf einer in Spanien gefundenen Bronzeinschrift, dem Senatus consultum de Gnaeo Pisone patre, findet sich dieser Begriff jedoch auch (Eintrag in der Epigraphik-Datenbank Clauss/Slaby).