Dieser Artikel ist noch nicht öffentlich! Der Text entstammt meines eigenen Beitrags zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten und sollte um Missverständnisse zu vermeiden nicht vor Mai 2021 veröffentlicht werden.
BearbeitenDie Anfänge des Frauenboxens
BearbeitenDie Geschichte des Frauenboxens lässt sich bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen. Im Jahre 1728 erschien in der britischen Daily Post folgende Anzeige:
„Ich, Elisabeth Wilkinson […] habe mit Hannah Hyfield einen erregten Wortwechsel gehabt, bei dem diese sich zu Beleidigungen hat hinreißen lassen. […] Deshalb fordere ich sie zu einem Zweikampf heraus unter der Bedingung, daß wir um den Einsatz von 60 Pfund kämpfen. Wer die andere zu Boden schlägt, soll Siegerin sein.“ [1]
Ein paar Tage später soll die angesprochene Hannah Hyfield geantwortet haben:
„So Gott will, werde ich dir mehr Schläge erteilen, als du vertragen kannst. Ich mache wenig Worte, aber ich schlage desto härter!“ [1]
Kurze Zeit später wurde der Kampf in Clerkenwell ausgetragen, aus dem Wilkinson als Siegerin hervorging. Die beiden Kämpferinnen durften zu dieser Zeit schlagen, treten und kratzen, was mitunter zu schwerwiegenden Verletzungen führen konnte. Die englische Historikerin Vanessa Toulmin berichtet ab 1776, dem Jahr der Unabhängigkeitserklärung, über das schau-boxende Geschwisterpaar George und Grace Maddox, das in England gemeinsam bei Jahrmärkten auftrat [2]. Dabei assistierte Grace ihrem kämpfenden Bruder George. Immer, wenn einer der Gäste ihren Bruder besiegte, stieg sie daraufhin selbst in den Ring und schlug diesen. Die historische Existenz des Pärchens ist auch in einem Volkslied aus jener Zeit vermerkt, in dem es heißt:
„George the pride of the milling race,- Secur'd his conquests with a Grace- But once neglected, changed the case, George ne'er had lost, had he said – Grace!“ [3]
Eine der berühmtesten Sportlerinnen im Boxsport, Polly Faircloug, trat etwa 100 Jahre später, in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts ebenfalls auf Jahrmärkten an und wurde dort als "Female Champion of the World" beworben. Zur gleichen Zeit wurde Nellie Stewart aus Norfolk (USA) zur ersten Frau, der es gelang, einen Welttitel im Damenboxen zu erringen. 1888 kam es dann zum ersten offiziellen WM-Kampf zwischen Alice Leary und Hattie Leslie in Bufalo (USA). Vor knapp 1.000 Zuschauer*innen errang Leslie in sieben Runden durch einen K.O. den ersten offiziellen Damenbox-WM-Titel [4].
Das Frauenboxen zu Beginn des 20. Jahrhunderts
BearbeitenNach dem Ende des Ersten Weltkriegs im Jahre 1918, gab es mit Beginn der Weimarer Republik, legales öffentliches Frauenboxen, erstmals auch in Deutschland. Diese Legalisierung, eine gesellschaftliche Aufwertung der Frau, die u.a. mit der Einführung des Frauenwahlrechts einherging, wurde aber dennoch durchaus kritisch gesehen. 1920 schrieb das Fachblatt Boxsport allerdings wenig anerkennend: „Wenn Damenboxen überhaupt eine Berechtigung hat, dann sollte derartiges, ähnlich den Damenringkämpfen, in den Vorstadtvarietés stattfinden; dort ist der richtige Platz.“ [5]. Boxende Damen hatte man in Deutschland zuvor nur in Clubs und Salons zu sehen bekommen, da bis 1918 jegliches öffentliches Frauenboxen in Deutschland verboten war. Ab 1920 wurden in Berlin, im Theater Metropol und im Friedrichstadtpalast erste Damenbox-Wettbewerbe veranstaltet [6].
Doch schon im darauffolgenden Jahr, 1921, wurde das Boxen durch den Deutschen Reichsverband für Amateurboxen verboten. Vier Jahre später zog auch der Deutsche Faustkämpferverband nach und verbot den Sport auf Profieben [5]. Trotz dieser Verbote konnte eine stetige Entwicklung des Frauenboxens vermerkt werden. So wurde es beispielsweise als Gymnastikübung an der Deutschen Hochschule für Leibesübung eingeführt, die das Ziel verfolgte, möglichst viele kompetente Sportlehrer*innen auszubilden [7].In einer Polemik schreibt der unter dem Pseudonym "Rumpelstilzchen" bekannte deutsche Journalist Adolf Stein am 08. Juni 1921 über diese Kämpfe:
„Innerhalb des viereckigen Kampfplatzes, den man Ring nennt, ist nun noch ein kleineres Viereck abgegrenzt. Auf diesem wird geboxt. Unsäglich komisch geboxt. Um die Federgewichts-Meisterschaften von Mittelgalizien. Eigentlich geben sich die Damen nur operettenhafte Ohrfeigen. Alles ist einstudiert, auch der Sieg der angeblich deutschen über angeblich ausländische Boxerinnen, auch das angeblich impulsive Lospauken der angeblichen Ilona Kowacs, einer drallen Köchinnenfigur, die wegen unfairer Kampfesweise - sie tritt die Gegnerin vor die Schienbeine - distanziert wird und nun dem Manager zu Leibe geht und ihm einen Blecheimer an den Kopf wirft.“ [8]
An diesen abschätzigen Aussagen lässt sich deutlich erkennen, dass es stark an Anerkennung seitens der Gesellschaft gegenüber dem Frauenboxen mangelte und dies auch öffentlich kundgetan wurde. Besonders in dem Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen galt das Boxen als ein Sport der Stärke, Ausdauer und Männlichkeit. Das damals vorherrschende Rollenbild der Frau beinhaltetet all diese Eigenschaften jedoch nicht. So heißt es in einer österreichischen Zeitschrift aus dem Jahre 1923: „Mit dem Begriff der Frau war noch immer in unserem Bewusstsein auch der Begriff des Zarten, Gütigen, Vermittelnden verbunden.“ [9]. Auch boxenden Männer zeigten teilweise ganz offen ihre Ablehnung gegenüber dem Frauenboxen. So äußerte sich der vielfache Europameister George Carpentier 1929 im Wiener Sporttagblatt wie folgt: „Das Boxen der Frauen verurteile ich scharf und grundsätzlich. […] Ich hasse jeglichen Kampf von Frauen im Ring und halte ihn für ebenso unnatürlich wie abscheulich. […] Ich weiß nur zu gut, dass Boxen ein Sport für Männer ist“ [10]. Das Fachblatt Boxsport stellte demgegenüber bereits 1927 fest: „Und so wird Boxen zu einem wichtigen Faktor im Emanzipationskampfe der Frau" [5].
Berühmte Schauspielerinnen wie Marlene Dietrich oder Leini Riefenstahl widersetzen sich dennoch bewusst den ausdrücklichen Verboten des Profi- und des Amateur-Boxverbandes uns ließen sich in boxenden Posen fotografieren [11]. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Jahrmarktboxen und damit auch das Frauenboxen wiederum vollständig untersagt. Ab 1933 durften weder Showkämpfe, noch privates Training durchgeführt werden [11]. Gründe hierfür lassen sich in der Ideologie der Nationalsozialisten finden, die Frauen in der stereotypischen Rolle als Mutter und Verwalterin des Haushaltes sahen.
Das Frauenboxen nach Ende des Zweiten Weltkriegs
BearbeitenNach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde an zunächst nicht erneut an die Box-Tradition angeknüpft, zumindest nicht mit sportlichen Ambitionen. Zudem kritisierte und diffamierte die mediale Berichterstattung das Frauenboxen mit zunehmender Häufigkeit. Dies zeigt beispielsweise die Bezeichnung „billigste Jahrmarktsensation“ für die Auswahlkämpfe für eine Weltmeisterschaft im Frauenboxen, zu der sich die Obersteirische Volkszeitung 1947 hinreißen ließ [12]. Mitte des 20. Jahrhunderts erlangte das Damenboxen für kurze Zeit wieder etwas Popularität. Zu dieser Zeit war die ehemalige Präsidentin des WIBF Barbara Buttrick in Großbritannischen eine der bekanntesten Persönlichkeiten. Auf 30 Siege kommen in ihrer Statistik nur ein Unentschieden und eine Niederlage [4]. Besonders bei der Thematik der entgegengebrachten Akzeptanz für weibliches Boxen seitens der Gesellschaft weisen verschiedene Länder enorme Unterschiede auf. Im Gegensatz zu Deutschland entstand in den USA bereits 1950 offizielle Boxwettbewerbe für Frauen.
In Deutschland wurde eine ernsthafte Weiterentwicklung des Frauenboxens dagegen erst in den 1990er Jahren erfasst. Etwa 60 Jahre nachdem die Nationalsozialisten das Verbot verhängt hatten, gab es zahlreiche Bestrebungen, um die Entwicklung des Frauenboxens erneut zu fördern. Zu Beginn stützte sich das Frauenboxen hierzulande allerdings auf dem Wunsch des Publikums, eine unterhaltende Show geliefert zu bekommen und diente vielmehr zur Belustigung. Auch in den darauffolgenden Jahren scheiterten die Versuche, dem Frauenboxen die eigentliche sportliche Komponente zu verleihen. Parallel zum Varieté-Boxen entwickelte sich zusätzlich das sogenannte Damenboxen, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Privaten ausgetragen wurde [11]. In Deutschland ließ der „Verein zur Förderung feministischer Sport- und Bewegungskultur“ 1994 anlässlich der "Ersten Hamburger Frauensporttage“ den ersten zulässigen Kampf austragen. Es standen sich dabei die Tübinger Theologiestudentin Ulrike Heitmüller und die Hamburger Fitnesstrainerin Marion Einsiedel im Ring gegenüber [5]. Etwas später, am 09. April 1994, bestritt Regina Halmich schließlich den ersten offiziell lizenzierten Profikampf in Deutschland [13]. Die damals noch unbekannte Sportlerin wurde vom neu gegründeten Weltverband Women’s International Boxing Federation unterstützt. Diesen Debütkampf gewann sie in fünf Runden gegen Fienie Klee aus den Niederlanden. Etwas später kam es im November desselben Jahres zur Legalisierung des internationalen Amateurboxens der Frauen durch den Weltverband AIBA [14]. 1996 wurde das Verbot schließlich auch seitens des Deutschen Amateur Boxverbandes aufgehoben.
Im April 2001 fand die erste Europameisterschaft im Frauenboxen in Saint-Amand-les-Eaux in Frankreich statt [14]. Im November wurde in Scranton (USA) die erste Weltmeisterschaft ausgetragen [14]. Ein Jahr später erfolgt die erste internationale Deutsche Meisterschaft in Meppen, Niedersachsen [14]. Fast zehn Jahre nach der offiziellen Legalisierung wurde Boxerinnen jedoch trotzdem die Teilnahme an der Europameisterschaft 2005 verwehrt. Dies war hauptsächlich auf die mangelnde sportliche Leistung und die fehlende globale Wettbewerbsfähigkeit potenzieller Teilnehmerinnen zurückzuführen. Ein weiteres Anzeichen für die ausbleibende öffentliche Akzeptanz gegenüber boxenden Frauen ist die Tatsache, dass das Frauenboxen erst im Jahre 2009 formell als olympische Disziplin anerkannt wurde. Im Jahre 2005 wurde es noch vom Internationalen Olympischen Komitee abgelehnt, weil es angeblich nicht den erforderlichen olympische Ansprüchen entsprach. Aufgrund der später eingeführten Richtlinie, die Frauenquote bei den Olympischen Spielen anzuheben, wurden schließlich einige Frauensportarten in das olympische System aufgenommen [11]. Einer der wohl bedeutendsten Meilenstein in der Geschichte des Frauenboxens ist daher eine Entscheidung des IOC aus dem Jahr 2009. Diese besagte, dass das Frauenboxen bei den Olympischen Sommerspielen 2012 mit einzubeziehen sei [15],[11]. Gekämpft wurde in drei Gewichtsklassen und die Zulassung wurde seither nicht mehr aufgehoben.
Kurze Zusammenfassung
BearbeitenZusammenfassend lässt sich sagen, dass die Geschichte boxender Frauen schon vor rund 300 Jahren begann. Seither hat der Sport einige Verbote, Vorurteile und weitere Hindernisse weitestgehend überwunden und einen langen Weg zur internationalen Anerkennung hinter sich gebracht. Auf dem Papier wird es mittlerweile in den meisten Fällen als gleichberechtigt zum Männersport betrachtet.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Star London England. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ WBAN HISTORICAL DATABASE: Woman Boxing History. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ WBAN HISTORICAL DATABASE: Woman Boxing History. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ a b Boxen Live. Keineswegs neu - nur vergessen, Seite 10
- ↑ a b c d Die Zeit Online: Martin Krauß: Raus aus der Schmuddelecke. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ Frauen die Hauen. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ Deutsche Hochschule für Leibesübungen. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ "Rumpelstilzchen" - Berliner Allerlei. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ Dokument der Österreichischen Nationalbibliothek:: Damen-Vorkämpfe in Berlin. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ Dplument aus der Österreichischen Nationalbibliothek: Der Sport der Frau. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ a b c d e Olympia Boxen: Boxen in der olympischen Bewegung. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ Dokument aus der Österreichischen Nationalbiliothek: Damenboxen. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ Regina Halmich: Historie. Abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ a b c d Martin Krauss: Geschichte des Frauenboxens. TAZ, abgerufen am 22. Februar 2021.
- ↑ Frauenboxen soll olympisch werden. Deutschlandfunk, abgerufen am 22. Februar 2021.