Das Dämonische Das Dämonische (griech. daimonion) ist in der griechischen Philosophie eine den Menschen mit dem Göttlichen verbindende Macht, die warnend (Platon) oder auch ratend (Xenophon) im Menschen ihre Stimme erhebt. Das Dämonische vermittelt zwischen der weltlichen und der himmlischen Sphäre und vereinigt Wesenszüge beider Ebenen: „Alles Dämonische ist eben das Mittelglied zwischen Gott und Mensch. Welche Aufgabe hat es denn? Dolmetsch und Bote zu sein von den Menschen bei den Göttern und von den Göttern bei den Menschen, von den einen für ihre Gebete und Opfer, von den anderen für ihre Befehle und ihre Vergeltungen der Opfer, und so die Kluft zwischen beiden auszufüllen, so dass durch seine Vermittlung das All sich mit sich selber zusammenbindet. ... Nämlich nicht unmittelbar tritt die Gottheit mit dem Menschen in Berührung, sondern durch seine Vermittlung geht aller Verkehr und alle Zwiesprache der Götter mit den Menschen im Wachen wie im Schlafe.“[1]

Auch Johann Wolfgang Goethe hielt an dem Begriff des Dämonischen fest, um jene Kraft, „nicht göttlich“ - „nicht menschlich“, zu bezeichnen, die das Göttliche mit dem Menschlichen in Beziehung setzt: „Dieses Wesen, das zwischen allen übrigen hineinzutreten, sie zu sondern, sie zu verbinden schien, nannte ich dämonisch“.[2]

Friedrich Schleiermacher wählte für diesen Themenbereich den Begriff des Mittlertums. Mittler zeichnen sich nicht notwendigerweise durch eine besondere Gelehrtheit oder eine höhere philosophische Einsicht aus, sondern durch das Erlebnis „der Anschauung und des Gefühls des Universums“. Dies ist kein Akt, den ein Mensch durch Willensanstrengung oder Schulung erreichen kann, sondern „alles Anschauen gehet aus von einem Einfluß des Angeschaueten auf den Anschauenden“. [3] Dadurch, dass die Anschauung die Subjekt-Objekt-Schranke durchbricht, wird sie zu einem Medium religiöser Erfahrung. Dem Mittler ist ein Bereich der Wahrnehmung zugänglich, in dem sich Profanes und Heiliges durchdringen, und er erfährt das auf den Menschen gerichtete Handeln des Universums als fortgesetzte Manifestationen des Heiligen in der Sphäre des Profanen.

Rudolf Otto bezeichnete diese Fähigkeit eines intuitiven Begreifens des Heiligen als Divination. Diesen Begriff übernahm er ebenfalls von den frühen Romantikern, die unter Divination die Fähigkeit des Menschen verstanden, die Manifestationen des Göttlichen im Profanen wahrzunehmen. So definierte Otto Divination als „Anschauung des Ewigen im Zeitlichen“ [4] bzw. als „das etwaige Vermögen, das Heilige in der Erscheinung echt zu erkennen und anzuerkennen“[5].

Auch Mircea Eliade ging davon aus, dass die Polaritäten des Heiligen und des Profanen „durch ihren Zusammenstoß ein Tertium hervor(bringen)“, ein Zentrum der Begegnung, in dem das Heilige mit dem Profanen eine Verbindung eingeht und mit historischen Methoden zu untersuchen ist[6]. Doch machte Eliade dieses Tertium, in dem die Gegensätze in einer coincidentia oppositorum verschmelzen und in einem dynamischen Zustand unendlicher Möglichkeiten nebeneinander wohnen, nicht zum Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung und gab ihm auch keinen eigenen Namen. Obwohl der Bereich der Hierophanien, Manifestationen, Offenbarungen, Durchbrüche und Übergänge das zentrale Thema seiner Forschungen war, schuf Eliade dafür keinen speziellen Begriff.

In neuerer Zeit versucht der Religionswissenschaftler Rainer Neu diesen Themenkomplex für die Frage nach der Einheit der Religionen zu aktualisieren, wobei er in Anlehnung an Schleiermachers "Mittler" (auf Latein mediator, auf Französisch médiateur und auf Englisch mediator (adj. medial)) den Begriff des Dämonischen durch den weniger missverständlichen Begriff des Medialen zu ersetzen versucht. Neu erhebt das Mediale zu einem eigenen Forschungsgegenstand der Religionswissenschaft. Er geht davon aus, dass auch Begegnungen des Göttlichen mit dem Menschlichen einer Geschichte unterliegen und jede Manifestation des Heiligen ein geschichtlich gewordenes Eigenleben führt. In seinen empirischen Untersuchungen geht Neu dieser Vergeschichtlichung des Heiligen nach und macht deutlich, dass die Durchdringung des Heiligen und des Profanen eine eigene Sphäre, eben das Mediale, bildet, die ihren Raum in der Geschichte hat und mit historisch-wissenschaftlichen Methoden untersucht werden kann [7].

Einzelnachweise

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  1. Platon, Das Gastmahl (202e), Sämtliche Werke in drei Bände, hg. v. E. Loewenthal, Band I, Darmstadt 2004, S. 699
  2. Wahrheit und Dichtung, 20. Buch, Sämtliche Werke in 18 Bänden, Band 10, Zürich 1977, S. 840
  3. Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern, hg. v. R. Otto, [Erstauflage 1799] 4. Auflage, Göttingen 1920, S. 55
  4. Das Heilige, [Erstauflage 1917] München 1987, S. 196
  5. Das Heilige, S. 173
  6. Die Sehnsucht nach dem Ursprung. Von den Quellen der Humanität, Frankfurt a. M. 1989, S. 214
  7. Das Mediale. Die Suche nach der Einheit der Religionen in der Religionswissenschaft, Kohlhammer, Stuttgart 2010

Literatur

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  • Rudolf Otto, Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, 1917
  • Mircea Eliade, Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte, Frankfurt a. M./Leipzig 1998
  • Rainer Neu, Das Mediale. Die Suche nach der Einheit der Religionen in der Religionswissenschaft, Stuttgart 2010

Kategorie:Religionswissenschaft