Die Ballade Nr. 4 f-moll op. 52 von Frédéric Chopin entstand im Jahr 1842 und wurde 1843 veröffentlicht. Die Musik der vierten Ballade ist düster und nachdenklich. Spannungsgeladene Harmonien zeichnen eine Entwicklung mit tragischem Ausgang. Chopin widmete die Ballade der Baronin Nathaniel de Rothschild.[1]
Analyse
BearbeitenDie vierte Ballade ist im Vergleich zu den früheren Balladen weniger romantisch, sondern gibt sich vielmehr dem freien Spiel der Phantasie hin. Die thematische Gegenüberstellung ist noch weniger ausgeprägt als in der 3. Ballade. Schon in den ersten Takten tritt an die Stelle rhapsodischer und etwas schwülstiger Verzierungen eine zart verschleierte Introduktion, deren Thema an der Schwelle der Erinnerung zu zögern scheint. Es handelt sich um die Kunst des Andeutens, bei der der Dichter noch weit entfernt von der Stelle, an der sie entspringen soll, die Wendung sucht. Schließlich stellt sie sich aber ein: In klarer, monodischer Exposition, bevor sie sämtliche Mittel des Helldunkels und sinnlicher Harmonik zu Hilfe nimmt.
Der erzählerische Duktus ist bei dieser Ballade vermutlich am überzeugendsten ausformuliert, wobei Elemente der Sonate, der Variation und des Rondos verwendet werden. Dennoch wird nicht auf formale Freiheit verzichtet.
Das erste Thema könnte das eines Nocturnes sein. Eine kontrapunktische Episode entwickelt den Hauptgedanken in Sechzehnteln und führt zum zweiten Thema, das an eine Barcarole denken lässt. Aus den beiden Themen entwickelt Chopin Veränderungen in ornamental verblüffender Ausgestaltung und eine polyphone Verdichtung von partiell impressionistischer Färbung. Am Ende der fast überwirklichen Reexposition der ersten Einleitungstakte zeigt die strahlende Kadenz in A-Dur aufgelockerte Virtuosität. Sodann kehrt das Hauptthema in langsam sich steigendem Thema wieder. Im Dahinstürmen des Schlusses bilden zwischen Stretto und Agitato fünf Akkorde einen schönen Ruhepunkt.[2]
Aus dem Nocturne und der Barkarole gelangt der Komponist mittels genialer Übergänge zu einer Atmosphäre der Gewalt, die sich der Träumerei widersetzt und in einem Agitato endet. Die vierte Ballade schließt mit einer stürmischen Coda, die technisch äußerst schwierig zu spielen ist.
Durch ihre Innerlichkeit ist diese Ballade schwerer zugänglich und ihre Wirkung nicht so breit wie bei der Ballade Nr. 1 g-moll op. 23. Möglicherweise ist die 4. Ballade die substanzreichste, polyphonste und subtilste aller Chopin-Balladen.
Inspiration
BearbeitenRobert Schumann hatte in einer Rezension behauptet, die literarischen Balladen des polnischen Dichters Adam Mickiewicz hätten Chopin zu den Balladen inspiriert. Es seien dies zweifellos Mickiewicz' "Litauische Balladen". Tatsache ist, dass Chopin nichts ferner lag als Programmmusik. Schumann ging vom Balladenlied aus, Chopin schrieb jedoch Klavierballaden und die waren seine ureigene Erfindung. Man sollte Chopins Überschriften wie z.B. Ballade nicht mit programmatischen Vorgaben verwechseln. Mit der Bezeichnung "Ballade" meinte der Komponist sicherlich nicht heimliche Übertragungen von tatsächlichen Balladen. Die Titel geben lediglich die atmosphärisch-emotionale Grundstimmung an. Die einzige Parallele ist der epische Erzählduktus, der zum Vorschein kommt.[3][4]
Es ist schwer nachzuvollziehen, weshalb die vierte Ballade, an die litauische Sage von den "Drei Brüdern Budry" anknüpfen soll, die von ihrem Vater ausgesandt wurden, "Marderschweife und Silberschleier" zu suchen, und die, als man sie schon tot geglaubt hatte, "eine Braut aus dem Leschitenland" heimbrachten. Die auf die Sage vertrauenden Kommentatoren waren der Meinung, die abgründigen fünf Akkorde bedeuteten die Rückkehr der Budry-Söhne mit der "Braut aus dem Leschitenland". Vor dem rasend schnellen abschließenden Agitato sind die Akkorde als Atempause jedenfalls nicht zu entbehren.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Schrammeck,B./Blaich,D.,"Am Klavier erzählt"- Frederic Chopin:Ballade Nr. 4 f-Moll op.52,in: [1] abgerufen am 6.10.2013
- ↑ Bourniquel, C., unter dem Stichwort: Die Balladen, in: K. Kusenberg (Hg.), Frederic Chopin in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, o.O. 1965, S. 139 ff.
- ↑ Lotz, J., Frederic Chopin, Reinbek bei Hamburg, Dezember 1995, 7. Auflage April 2010, S. 82f.
- ↑ Das Reclambuch der Musik, von Arnold Werner-Jensen, 2012
Quellen
Bearbeiten- Bernard Gavoty, Rainer Wunderlich Verlag / Rowohlt, Camille Bourniquel 1959