Benutzer:Heinz Huster/Lebenszeichen (Zeichensystem)

Lebenszeichen sind ein Zeichensystem des Grafikers und Künstlers Wolfgang Schmidt. Es entstand ohne Auftrag und Auftraggeber als freie künstlerische Arbeit in den 1970er Jahren.

Definition

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Die Journalistin Gisela Brackert schrieb 1979 im Katalogblatt zur Ausstellung lebenszeichen im Frankfurter Kunstverein: „ Das System Lebenszeichen bezieht sich nicht nur auf den menschlichen Körper. Es wurde 1972 begonnen und umfasst heute, wenn ich recht gezählt habe, 893 Zeichen in Planung. Von A und 0 bis Zylinder. Es ist der Versuch, den Kosmos der Erfahrungen zu vermessen. Ein gigantisches Projekt.“ [1]

Wolfgang Schmidt selbst definierte 1976 für eine Radiosendung lebenszeichen hören im Süddeutschen Rundfunk Stuttgart sein Zeichensystem so:

„lebenszeichen sind ein system zeichnerisch-geometrisch und fotografisch hergestellter schrift- und bildzeichen zur beschreibung menschlicher eigenschaften und fähigkeiten – auch der dinge, die dazugehören:

herz und hand,

a bis z,

gott und die welt,

hund und katz’,

sonne, mond und sterne,

kraut und rüben

von null bis unendlich.

oder, anders gesagt: lebenzeichen bezeichnen personen, sachen, zustände, ereignisse, orte, tätigkeiten, eigenschaften, lebenszeichen, sonstwas."[2]

Das ikonografische System der lebenszeichen ist keine visuelle Zeichensprache im Sinne einer Kommunikation mit Piktogrammen. Wolfgang Schmidt spricht von einem „spiel“ das „strikten regeln folgt“. Die Lebenszeichen wollen „ein spielzeug für alles mögliche werden – vielleicht in der gegend visuelle poesie anzusiedeln.“[3] Die Lebenszeichen wollen somit nicht der Orientierung dienen, sondern vielmehr Geschichten erzählen.[4]

In seinem Beitrag für PRO 24 – ein schriftlicher Vorgang[5] listet Wolfgang Schmidt die Themen seiner ‚lebenszeichen‘ in alfabetischer Reihefolge auf: „a A (…) auge, (…) bett, brust, buch, buchstabe, (…) darm, daumen, donner, (…) feuer, film, (…) hand, (…) herz, (…) kopf, (…) möse, molekül, mond, mund, (…) punkt, (…) schraube, schrift, schwanz, (…) skelett, sonne, (…) tisch, tier, tod, tropfen, (…) wind, windung, wirbel, (…)“ An das Ende der Liste setzt er in doppelter Klammer die Anmerkung „((wird fast jeden tag mehr))“. Im Typoskript für die Radiosendung lebenszeichen hören notiert er:

„das alles gliedert sich in 1. den katalog der zeichen von a (klein-a, groß-A, abend) bis z (zwille, zwitter, zylinder, zylinder (sic!))

– am 16. april 1976 waren von geplanten 893 zeichen 247 fertig, ferner 394 varianten von basiszeichen. eine heidenarbeit. die hilfe eines computers mit angeschlossenem zeichengerät täte not –

und 2. den katalog der möglichkeiten, das heißt der dinge, die man mit der kombination von schrift- und bildzeichen darstellen könnte vom a (adam und eva) über m (mein horizont) bis z (ziellos?),

zusammen 188 kurze und längere geschichten. diese zahlen ändern sich ständig. manches wird weggeworfen, vieles kommt hinzu.“[6]

Ausführung

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Die lebenszeichen werden aus den Elementen Punkt und Linie gebildet. „die zeichen werden in der regel auf einem rasterfeld 128 x 128 mm, dem die geometrische reihe 1 2 4 8 16 32 64 128 undsoweiter zugrunde liegt, mit präzisen geräten – tuschehalter, zirkel, reißschiene und winkel – in den linienstärken 1 = mager, 2 = normal, 4 = halbfett, 8 mm = fett auf transparentpapier gezeichnet und dann fotografisch reproduziert, damit vergrößerungen und verkleinerungen möglich sind.“[7]

Bildzeichen können – um Geschichten zu erzählen – zu Gruppen verbunden werden. Bei diesen Gruppenbildungen werden die Zeichen „nebeneinander, untereinander, übereinander, durcheinander, sonstwie.“ kombiniert.

Ausstellungen

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Galerie Niedlich, Stuttgart, 1974

Print Gallery Pieter Brattinga, Amsterdam 1975

Galerie Seuss, Buchschlag, 1976

Modus, Berlin, 1977

Frankfurter Kunstverein, 1979

Publikationen

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  • Hansjürgen Bulkowski (Hrsg.): PRO 24 – ein schriftlicher Vorgang, Düsseldorf 1974, ISBN 3-921173-04-3.
  • wolfgang schmidt: augen münder herzen hände überlagern sich zu augenmünderherzenhänden, Mappe mit 16 Blättern DIN A2, Offsetdruck, Auflage 250, Print Gallery Pieter Brattinga, Amsterdam 1975
  • Hansjürgen Bulkowski (Hrsg.): PRO 25 – Jahrbuch für Mitteilungssysteme, Düsseldorf 1975, ISBN 3-921173-05-1.
  • wolfgang schmidt: lebenszeichen hören. Typoskript in Schreibmaschine, Süddeutscher Rundfunk Stuttgart, 27 Blätter DIN A4 und DIN A3 geheftet, Dreieichenhain 1976
  • OETZ Nr. 2 / Juli 1980, Zeitschrift im Fachbereich Design an der Fachhochschule Düsseldorf, S. 41
  • Anke Jaaks: Worte und Bilder. Wolfgang Schmidt. Verlag Hermann Schmidt Mainz, 1992, ISBN 3-87439-238-4
  • Friedrich Friedl, Nicolaus Ott, Bernard Stein (Hrsg.): Typographie – wann wer wie. Köln 1998, ISBN 3-89508-473-5, S. 471
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Einzelnachweise

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  1. Anke Jaaks (Hrsg.): Worte und Bilder. Wolfgang Schmidt. Hermann Schmidt, Mainz 1992, S. 75.
  2. wolfgang schmidt: lebenszeichen hören. Dreieichenhain 5. Dezember 1976, S. Blatt 3.
  3. systematische gestalter 2: wolfgang schmidt. In: Fachbereich Design, Fachhochschule Düsseldorf (Hrsg.): OETZ. Nr. 2. Zeitschrift im Fachbereich Design an der Fachhochschule Düsseldorf, Düsseldorf Juli 1980, S. 41–43.
  4. Anke Jaaks (Hrsg.): Wolfgang Schmidt Worte und Bilder. Hermann Schmidt, Mainz 1992, S. 75.
  5. Lebenszeichen. In: Hansjürgen Bulkowski (Hrsg.): PRO 24 – ein schriftlicher Vorgang. Düsseldorf 1974, ISBN 3-921173-04-3, S. o. S.
  6. wolfgang schmidt: lebenszeichen hören. Dreieichenhain 5. Dezember 1976, S. Blatt 5.
  7. wolfgang schmidt: lebenszeichen hören. Dreieichenhain 5. Dezember 1976, S. Blatt 6.


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