[1]

Ibrahim Pascha (ابراهیم پاشا / İA İbrāhīm Paşa; * um 1493 bei Parga; † 15. März 1536 in Istanbul), genannt مقبول / maḳbūl / ‚der Günstling‘[2] und später مقتول / maḳtūl / ‚der Hingerichtete‘, war zwischen 1523 und 1536 Großwesir des Osmanischen Reiches. Aufgrund der besonderen Nähe zu Süleyman dem Prächtigen, den er zuweilen als seinen „Bruder“[3] bezeichnete, verfügte er im Vergleich zu anderen Würdenträgern über eine Sonderstellung mit außergewöhnlichen Vollmachten.

Herkunft

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Die Herkunft Ibrahim Paschas ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. Vermutlich wurde „der Europäer“ (فرنك / frenk) um 1493 in einem Dorf bei Parga an der Küste von Epirus geboren. Sein Vater, ein griechischer[4][5] Schiffer, trat wohl später mit dem Namen Yūnūs zum Islam über. Unter welchen näheren Umständen und wann genau Ibrahim als Sklave an den Hof Şehzade Süleymans kam, ist ebenfalls nicht abschließend zu klären.[6]

  • bereits während der Regentschaft Bayezids II. als Sechsjähriger erbeutet und dem jugendlichen Süleyman zu Kefe geschenkt
  • von türkischen Korsaren verschleppt und an eine Witwe aus Manisa verkauft, die ihm den Namen İbrāhīm gab

Aufstieg zur Macht

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„Die Innigkeit Suleiman’s und Ibrahim’s war die grösste, noch je von einem Sultane gegen seine Weſire erhörte. Sie assen nicht nur oft mit einander, sondern schliefen auch oft neben einander Bett an Bett.“[7]

Nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1520 erhob Süleyman seinen „Busenfreund“[8] Ibrahim mit dessen Ernennung zum Oberst-Falkonier (iç-şāhīnciler-aġası) sowie zum Vorsteher der großherrlichen Kammer (ḫāṣṣ-oṭa-başı) in den Rang eines Agha.

  • Belgrad
  • Rhodos

Im Juni 1523 wurde Ibrahim Agha entgegen der üblichen Gepflogenheit zum Großwesir und zugleich zum Beğler-beğisi von Rumelien ernannt.[6]

Ob er mit Hadice Sultan, der Schwester Süleymans, verheiratet und damit ein Dāmād wurde, ist umstritten.[9][10] Dafür spricht zwar die mehrere Wochen dauernde, mit größter Pracht ausgerichtete Hochzeit,[11] doch sowohl zeitgenössische Quellen[12] als auch die Mehrzahl späterer Chroniken[13] geben keíne Auskunft über eine großherrliche Schwägerschaft.[14] Aus einem von einer gewissen Muhsine Hatun an Ibrahim Pascha gehenden Brief[15] geht ferner hervor, dass es sich bei der Verfasserin um die Frau des Großwesirs handelt. Zum einen ist jedoch denkbar, dass „Muḥsine“ ein zweiter Name Hadice Sultans war bzw. sie diesen als Alias-Namen nutzte, zum anderen könnte Muhsine Hatun tatsächlich eine Geliebte des Großwesirs gewesen sein.[16]

Großwesirat

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Ägypten

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Der beim Wechsel des Großwesirats übergangene und darüber äußerst erboste[17] Zweite Wesir Ahmed Pascha war auf eigenes Begehren als Großgouverneur nach Kairo versetzt worden, wo er sich jedoch Anfang 1524 mit mamlukischer Unterstützung zum Sultan von Ägypten erklärte.[18] Gegen den „Verräter“ (خائن / ḫāʾin) Ahmed Pascha

  • Janitscharenaufstand März 1525 → Plünderung unter anderem des Ibrahim-Pascha-Palastes
    • Rückberufung Ibrahim Paschas

Die Schlacht bei Mohács endete mit der Niederlage des ungarischen Heeres.

Bei der Eroberung Ofens wurden Bronzestatuen der Diana, des Apollon und des Herkules erbeutet, die der Sultan seinem Großwesir schenkte. Ibrahim Pascha ließ die von Giovanni Dalmata geschaffenen[19] Statuen nach Istanbul versetzen und vor seinem Palast am Hippodrom auf Säulen aufstellen.[20][21]

und bald war auch ein persischsprachiger, den Großwesir des Götzendienstes bezichtigender Doppelvers in Umlauf:

دو ابراهیم امد بدیر جهان
[22]یکی بت شکن یکی بت نشان

Dü İbrāhīm āmed be-deyr-i cihān
Yekī büt-şiken, yekī büt-nişān

Zwei Ibrahims kamen in [den Tempel] der Welt,
Der eine [d.i. Abraham] zerstörte die Götzen, der andre richtet sie wieder auf.[23]


Hans Dernschwam, der etwa 20 Jahre nach Ibrahim Paschas Tod die Stadt bereiste, schrieb in seinem Tagebuch:

„Die turkhen geben fwr, weil der Ibraim, ein albaneser, von cristlichen elttern geporn worden sey, das er noch ein haimlicher gawer [d.i. Kāfir] vnd crist sold gewesen sein, dorumb er die haidnischen bilder hab auffgericht vnd die geerth.“

Hans Dernschwam[24]

1532 wurde der Diwan-Dichter Fighani, dem der Doppelvers zugeschrieben wurde, verhaftet, gefoltert und letztlich hingerichtet.[25]

Kalender Schah

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  • 1527 von Kalender Schah angeführter Aufstand

Nach der Niederlage Yakub Paschas (Beylerbey von Rum) konnte der Beylerbey Diyarbakırs Deli Hüsrev Pascha zwar die Aufständischen auf der Ebene von Pasin besiegen, doch bei Karaçayır wurde Behram Pascha, der Beylerbey Anatoliens, nach Tokat zurückgedrängt und letztlich geschlagen. Ibrahim Pascha zog nun in Eilmärschen mit 3000 Janitscharen und 2000 Sipahi bis vor Elbistan.

der „Ketzer“ (ملحيد / mülḥīd) Molla Kabız

„Feldzug der beiden Irak“

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Der Anschluss der Provinz Bitlis an die persischen Safawiden gab den Anlass für den „Feldzug der beiden Irak“ (سفر عراقین / Sefer-i ʿIrāḳeyn). Als Oberbefehlshaber (serʿasker) wurde Ibrahim Pascha mit außergewöhnlichen Vollmachten ausgestattet.[26]

Hinrichtung Defterdar Iskender Çelebis → Traum Süleymans

Tod und Begräbnis

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Im Ramadan des Jahres 942hicrī wurde Ibrahim Pascha völlig unerwartet hingerichtet.

Der großherrliche Befehl zur Hinrichtung Ibrahim Paschas wird oftmals dem Einfluss Hürrem Sultans zugeschrieben.[27] Zeitgenössische Historiker hingegen sehen den Grund für die Hinrichtung in Ibrahim Paschas Hochmut. Matrakçı Nasuh etwa schreibt von memleket-gīrlik sevdāsı[28]. Dafür spricht auch, dass sich Ibrahim Pascha als سرعسکر سلطان / Serʿasker Sulṭān / ‚Oberbefehlshaber-Sultan‘ bezeichnen ließ, obwohl der dem Namen vorangestellte Titel „Sultan“ allein dem Herrscher vorbehalten war.

  • Ḳasṭamūnīli ʿAbdüllāṭīf Çelebi (Laṭīfī): Risāle-i Enīsü l-Füṣahā der Haḳḳ-ı Merḥūm İbrāhīm Paşa.

beherrschte neben seiner griechischen Muttersprache sowie Türkisch, Arabisch und Persisch auch „europäische“ (wie etwa Italienisch[29] und Kroatisch[30]) Sprachen.

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Feridun Emecen: İbrahim Paşa (Makbul). In: Yaşamları ve Yapıtlarıyla Osmanlılar Ansiklopedisi. 2. Auflage. Bd. 1, Yapı Kredi Yayınları, Istanbul 2008, ISBN 978-975-08-0072-9, S. 637 f.
  2. Selten auch محبوب / maḥbūb oder مرغوب / merġūb.
  3. Vgl. İsmail Hakkı Uzunçarşılı: Kanunî Sultan Süleyman’ın Vezir-i Âzamı Makbûl ve Maktûl İbrahim Paşa Padişah Damadı Değildi. In: Belleten. Türk Tarih Kurumu Basımevi, Band 29, Nr. 114, April 1965, S. 355–361 (360).
  4. Joseph von Hammer: Geschichte des Osmanischen Reiches. Grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven. Band 3, C. A. Hartleben’s Verlag, Pest 1828, S. 32.
  5. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 6. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-703-3, S. 120.
  6. a b Feridun Emecen: İbrâhim Paşa, Makbul. In: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Bd. 21, TDV Yayını, Istanbul 2000, S. 333–335.
  7. Joseph von Hammer: Geschichte des Osmanischen Reiches. Grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven. Band 3, C. A. Hartleben’s Verlag, Pest 1828, S. 53 m.w.N.
  8. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 6. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-703-3, S. 118.
  9. Vgl. İsmail Hakkı Uzunçarşılı: Kanunî Sultan Süleyman’ın vezir-i âzamı makbûl ve maktûl İbrahim Paşa padişah damadı değildi. In: Belleten. Türk Tarih Kurumu Basımevi, Band 29, Nr. 114, April 1965, S. 355–361.
  10. Vgl. Çağatay Uluçay: Kanunî Sultan Süleyman ve Ailesi ile İlgili Bazı Notlar ve Vesikalar. In: Kanunî Armağanı. TTK, Ankara 1970, S. 227–257 (233 ff.).
  11. Vgl. Joseph von Hammer: Geschichte des Osmanischen Reiches. Grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven. Band 3, C. A. Hartleben’s Verlag, Pest 1828, S. 38 f.
  12. Insbesondere Celāl-zāde Muṣṭafā Çelebi: Ṭabaḳāt ül-Memālik ve Derecāt ül-Mesālik.
  13. Für eine Ausnahme siehe etwa die Chronik des Müneccim-başı; Aḥmed Nedīm: Müneccim-başı Tārīḫi. Bd. 3, Maṭbaʿa-ʾi ʿĀmire, Istanbul 1285 (1868), S. 481 (ins Türkische übersetzte Kurzfassung).
  14. İsmail Hakkı Uzunçarşılı: Kanunî Sultan Süleyman’ın vezir-i âzamı makbûl ve maktûl İbrahim Paşa padişah damadı değildi. In: Belleten. Türk Tarih Kurumu Basımevi, Band 29, Nr. 114, April 1965, S. 355–361 (355 ff.).
  15. Siehe Çağatay Uluçay: Osmanlı Sultanlarına Aşk Mektupları. Şaka Matbaası, Istanbul 1950, S. 61 f.
  16. So Çağatay Uluçay: Kanunî Sultan Süleyman ve Ailesi ile İlgili Bazı Notlar ve Vesikalar. In: Kanunî Armağanı. TTK, Ankara 1970, S. 227–257 (236 f.).
  17. Vgl. Ṣolaḳ-zāde Meḥmed Hemdemī: Tārīḫ-i Ṣolaḳ-zāde. Maḥmūd Bey Maṭbaʿası, Istanbul 1297 (1879/80), S. 443 a.E.: وزیر اعظملك بنم یولم ایکن ایچرودن چیقمه بر چلبی یه ویرلدی / vezīr-i aʿẓāmlık benim yolum iken, içerüden çıḳma bir çelebiye vėrildi.
  18. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 6. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-703-3, S. 118.
  19. Markus Köhbach: Das Osmanische Reich und der Westen. Zur Rezeption europäischer Kultur durch die Osmanen. In: Museum für Kunsthandwerk (Hrsg.): Türkische Kunst und Kultur aus osmanischer Zeit. Band 1, Verlag Aurel Bongers, Recklinghausen 1985, ISBN 3-7647-0369-5, S. 105–107 (105).
  20. Vgl. Ṣolaḳ-zāde Meḥmed Hemdemī: Tārīḫ-i Ṣolaḳ-zāde. Maḥmūd Bey Maṭbaʿası, Istanbul 1297 (1879/80), S. 459: ابراهیم پاشای روشن ضمیر حسن تدبیر ایله ارباب بصیرت اولانلره عبرت ایچون اول اوج صورت غریبه یی استانبوله نقل ایتدیروب ات میداننده عمود اوزرینه قوندردیلر / İbrāhīm paşa-yı rūşen-żamīr ḥüsn-i tedbīr ile erbāb-ı baṣīret olanlara ʿibret içün ol üç ṣūret-i ġarībeyi İstanbula naḳl ėtdirüb at meydanında ʿamūd üzerine ḳondurdiler.
  21. Vgl. Franz Babinger (Hrsg.): Hans Dernschwam’s Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien (1553/55). Nach der Urschrift im Fugger-Archiv. 2. Auflage. Duncker und Humblot, Berlin/München 1986, S. 100.
  22. Ṣolaḳ-zāde Meḥmed Hemdemī: Tārīḫ-i Ṣolaḳ-zāde. Maḥmūd Bey Maṭbaʿası, Istanbul 1297 (1879/80), S. 460.
  23. Übersetzung nach Thomas Chabert: Latifi oder biographische Nachrichten von vorzüglichen türkischen Dichtern, nebst einer Blumenlese aus ihren Werken. Aus dem Türkischen des Monla Abdul Latifi und des Aschik Hassan Tschelebi. Gessner, Zürich 1800, S. 263.
  24. Franz Babinger (Hrsg.): Hans Dernschwam’s Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien (1553/55). Nach der Urschrift im Fugger-Archiv. 2. Auflage. Duncker und Humblot, Berlin/München 1986, S. 100.
  25. Klaus Kreiser: Istanbul. Ein historischer Stadtführer. 2. Auflage. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-59063-4, S. 115.
  26. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 6. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-703-3, S. 121 f.
  27. Statt vieler siehe.
  28. Maṭraḳçı Naṣūḥ: Süleymān-nāme. TSMK, Revan 1286, f. 289b.
  29. Joseph von Hammer: Geschichte des Osmanischen Reiches. Grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven. Band 3, C. A. Hartleben’s Verlag, Pest 1828, S. 53.
  30. Vgl. Bertold Spuler: Die europäische Diplomatie in Konstantinopel bis zum Frieden von Belgrad (1739). 2. Teil: Die diplomatischen Gebräuche. In: Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven. Neue Folge, Bd. XI, 1935, S. 171–222 (207).