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Nach der sogenannten Todesnacht von Stammheim zum 18. Oktober 1977 wurden die inhaftierten Anführer der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion in ihren Gefängniszellen in der JVA Stuttgart-Stammheim tot aufgefunden. Andreas Baader und Jan-Carl Raspe starben durch einen Schuss, Gudrun Ensslin durch Erhängen. Irmgard Möller wurde durch Messerstiche in der Herzregion schwer verletzt und überlebte. Bis heute gilt der Todesumstand als nicht im Detail von allen Seiten als aufgeklärt. So halten sich diverse Theorien zur Stammheimer Todesnacht, die neben ihren entsprechenden Indizien hier dargestellt werden.
Der Nährboden der drei nachstehend beschriebenen Thesen ist entstanden, weil
- die Behörden Informationen zurückhalten oder zurückgehalten haben,
- sich einige Zeitzeugen widersprechen,
- offizielle kriminaltechnische Untersuchungen unvollständig sind,
- die RAF-Mitglieder an einer Legendenbildung interessiert waren.
Anlyse der Einzelaspekte
BearbeitenMöglichkeiten zur Schmuggelei
BearbeitenBaumaßnahmen
BearbeitenIsolationsmaßnahmen während der Schleyerentführung
BearbeitenZugang und Besuche, Personenüberprüfung
BearbeitenHäftlingskommunikation
BearbeitenInterpretation von Äußerungen der Häftlinge vor der Todesnacht
BearbeitenAbhörung durch Geheimdienste
BearbeitenGesicherte Fakten
BearbeitenNach neuesten Erkenntnissen [1] ist es erwiesen, dass in der JVA Stuttgart Zellen verwanzt und damit einsässige Terroristen abgehört werden konnten und wurden.
Unklare und umstrittene Details
BearbeitenDer damalige BKA-Chef Horst Herold bestreitet, dass das BKA hieran beteiligt gewesen sei oder davon gewusst habe, jedoch schließt auch er eine entsprechende Tätigkeit der Geheimdienste nicht aus. [2] Inzwischen fordert er die Überprüfung des Verdachts der behördlich unterlassenen Hilfeleistung.
Bewertung
BearbeitenWolfgang Kraushaar konstatiert in seinem Aufsatz „Mythos RAF“, dass sich die Frage ob es sich um Mord oder Selbstmord handelt überhaupt nur deswegen bis heute behaupten kann, weil der Staat bei der vollständigen Aufklärung
„damit möglicherweise ein doppeltes Vergehen einräumen müsste – zum einen die Zellen der im 7. Stock untergebrachten RAF-Gefangenen abgehört zu haben und zum anderen nicht eingeschritten zu sein, um das, was als »suicide action« längst angekündigt war, noch in letzter Minute zu verhindern.[3]“
Stromausfall
BearbeitenNachricht über die Befreiung der Landshut
BearbeitenAuffinden
BearbeitenSpurensicherung
BearbeitenObduktionen
BearbeitenParlamentarische Untersuchungsausschüsse
BearbeitenPathologische Ermittlungen
BearbeitenStadelheim
BearbeitenTheorien
BearbeitenSelbstmordthese ohne behördliche Verantwortung
BearbeitenSusanne Albrecht und Monika Helbing, die beide 1977 in der RAF aktiv waren und später zu den DDR-Aussteigern gehörten, haben nach ihrer Verhaftung ausgesagt, es habe damals unter den RAF-Kadern einen Plan gegeben, „Suicide Action“, der beinhaltete, dass man sich in einer Situation, in der es gar keine andere Chance mehr gebe, umbringt. Beide berufen sich dabei auf Brigitte Mohnhaupt, die im Frühjahr 1977 entlassen worden war und dann wieder zu den „lllegalen“ gegangen ist.[4] Auch Peter-Jürgen Boock bestätigte diesen Ausspruch Mohnhaupts[5]. Das ehemalige RAF-Mitglied Karl-Heinz Dellwo erklärte 1998 in einem Interview mit der tageszeitung nüchtern: „Wir haben der Entstehung des Mythos zugeschaut und teilweise nachgeholfen.“ (siehe Quellen: „Mythos RAF“ von Wolfgang Kraushaar)
Gegen einen Geheimdienstmord spricht in der Argumentation vieler auch das Überleben Irmgard Möllers [6]
Fazit: Die fanatischen Terroristen haben alle Umstände bei ihrem Selbstmord so geplant, dass die Behörden in einem zweifelhaften Licht dastehen. Es musste Raum für eine Legendenbildung da sein und als "politische" Häftlinge wollten sie als Märtyrer gelten.
Selbstmordthese mit behördlicher Verantwortung
BearbeitenBezeichnet nach einem Zitat Hans-Christian Ströbeles in einem Spiegel-Interview [7] basiert diese These im wesentlichen darauf, dass die Behörden die Kommunikation über die selbstgebaute Wechselsprechanlage abgehört haben könnten. Somit seien die Behörden auch von den Waffen in Stammheim informiert gewesen, hätten die Gefangenen aber gewähren lassen, um sie los zu werden. Ein am 10.9.2007 in der ARD ausgestrahlter Dokumentarfilm von Stefan Aust gibt Indizien in diese Richtung. [8]
Auch das ehemalige RAF-Mitglied Karl-Heinz Dellwo vertritt die These „Selbstmord unter staatlicher Beobachtung“ seit Jahren öffentlich.
Mordthese
BearbeitenWesentliche Basis-Argumente der These, die vier Stammheimer RAF-Köpfe hätten sich nicht selbst umgebracht, listet Pieter Bakker Schut in seinem Buch über den Stammheim-Prozess auf [9]
- So musste Andreas Baader nach einem BKA-Gutachten mit einer Schalldämpfer-Pistole erschossen worden sein: die bei ihm gefundene Waffe hatte keinen Schalldämpfer. Darüberhinaus kam man zu dem Schluss, die Waffe sei zu lang gewesen um von ihm im Verlauf des Schusskanals betätigt worden zu sein. An der Hand, die er dafür hätte benutzen müssen, konnten keine Pulverdampfspuren nachgewiesen werden.
- Der Obduktionsbericht widerspricht sich in der Lage des Projektils nach Austritt aus dem Schädel.
- Ensslins Leichnam zeigte zahlreiche leichte Verwundungen und Blutergüsse in den Bereichen Nacken, linke Brust, Handgelenke, Leiste, Oberschenkel und Kniescheiben. Diese könnten auf Handgreiflichkeiten zurückgeführt werden. Offiziell versuchte man die „Quetschungen“ mit den Todeskrämpfen beim Hängen zu begründen, welche dazu geführt haben sollten, dass sie an harte Gegenstände stieß - für die meisten Verwundungen war diese Begründung im Ansatz nicht hinreichend.
- Der Stuhl den sie zur Selbst-Erhängung gebraucht hätte, stand später viel zu weit von ihr weg - sie hätte ihn selber hierfür nicht verwenden können.
- Als man die Leiche abnahm, brach das Elektrokabel an dem sie aufgehängt war, sofort an der Stelle am Fenstergitter ab: es wurde nicht überprüft, ob es überhaupt für Kräfte wie die eines fallenden menschlichen Körpers stark genug gewesen wäre. Auch mit den Enden des Plattenspielers wurde das Kabel nicht verglichen.
- Wie bei Meinhof unterließ man auch bei Ensslin den sogenannten Histamintest: als einziger Test hätte er Hinweise darüber bringen können, ob ein lebendiger oder toter Mensch gehängt worden war.
- Da außer bei Ensslin keine Kampfspuren zu finden waren, ist davon auszugehen, dass sie betäubt wurden. Eine toxikologische Untersuchung fand jedoch nur in ganz beschränktem Rahmen statt.[10]
- Als merkwürdigste Beobachtung verzeichnet Schut, dass einer der ausländischen Sachverständigen an Baaders Schuhsohle eine Schicht leichten feinkörnigen Sandes entdeckt hatte.
- In Baaders Zellenboden waren säuberlich vier Patronen – die vorgesehene Opferzahl – in den Estrich eingegossen und stammten nachweislich aus Beständen der rheinland-pfälzischen Polizei. Ein Sprecher erklärte lediglich, diese seien wohl gestohlen worden.
- Erst Mitte 1977 hatte die internationale wie (west)deutsche Presse ausführlich über geheime CIA-Dokumente berichtet, in welchen Methoden Beschreibung fanden, wie ein Mensch getötet werden könne, ohne das bei gründlicher Obduktion später ein Fremdverschulden aufgedeckt werden könne. [11] Diese Methoden blieben bei den Untersuchungen in Stammheim unberücksichtigt.
In seiner Zusammenfassung [12] führt Rechtsanwalt Karl-Heinz Weidenhammer noch weitere Kritik am Ermittlungsverfahren auf [13]:
- man unterließ es die drei in Baaders Zelle abgefeuerten Geschosse und ihre Hülsen mit der aufgefundenen Waffe zu vergleichen. So konnte weder die Tatwaffe zweifelsfrei identifiziert noch die Reihenfolge der Schüsse rekonstruiert werden.
- eine »tatspezifische« Probe aus Blut- und Geweberesten von der Abprallstelle (Spur Nr. 6) wäre laut Ermittlung beim Obduzenten Professor Rauschke »verlorengegangen«.
- auch bei Raspe hätten Schmauchspuren an der Hand gefehlt und darüberhinaus Blutspuren an der Tatwaffe wie sie bei einem solchen Nahschuss hätten auftreten müssen.
- Die Berichte und polizeilichen Kommentare widersprechen sich fortlaufend im Zustand der Waffen in Bezug auf Fingerabdrücke: »daß die Waffen so voll Blut waren, daß Spuren nicht mehr festgestellt werden konnten«, »eingedickt«, »abgewischt« und schließlich von einem »Ölfilm« bedeckt »Fingerabdrücke würden sich auf eingefetteten Waffen nicht halten« [14]
- Bei Baader und Ensslin sei die Feststellung des Todeszeitpunkts dadurch verhindert worden, daß den Gerichtsmedizinern acht Stunden lang unter Vorwänden der Zutritt zu den Zellen verweigert wurde.
- Der Pullover Irmgard Möllers wird mal als derart zerstört bezeichnet, dass er einer Untersuchung auf Einstiche nicht mehr dienlich sei, später heißt es in der Einstellungserklärung der Staatsanwaltschaft wörtlich:
„Der von Irmgard Möller als einzige Bekleidung ihres Oberkörpers getragene Pullover war zwar auf der Vorderseite von Blut durchtränkt, jedoch nicht beschädigt; ein mit Tötungsabsicht Angreifender hätte auf die Kleidung seines Opfers erfahrungsgemäß keine Rücksicht genommen.“
1980 deckte das Magazin Stern eine Reihe von Merkwürdigkeiten und Schlampereien in den Ermittlungen auf [15] und forderte neue Ermittlungen. Die vier Kernpunkte des Stern-Artikels waren:
- Von der kriminalpolizeilichen „Sonderkommission Stammheim“ wurde nie überprüft, ob es Mord hätte sein können.
„Von der Staatsanwaltschaft haben wir keine entsprechenden, über den Selbstmord hinausgehenden Ermittlungsaufträge bekommen.“
- In der staatsanwaltlichen Einstellungsverfügung im Fall Raspe wird die Waffe als „neben ihm aufgefunden“ bezeichnet, tatsächlich erinnern sich die damaligen Justizbeamten jedoch diese in seiner rechten Hand gesehen zu haben.
„Immer wenn ein Selbstmörder die Waffe in der Hand hält, ist das natürlich ein Verdachtsmoment auf Mord.“
Erklärung: Bei einer Pistole in der Hand muß kriminaltechnischen Erkenntnissen zufolge grundsätzlich auf Verschleierung einer Fremdtötung geschlossen werden, weil die Tatwaffe bei Suizid durch den Rückstoß aus der Hand geschleudert würde.
- Die Staatsanwaltschaft verschwieg einen circa sieben Zentimeter langen Stichkanal der bis zur Rippe Möllers durchdrang und vom operierenden Arzt der Tübinger Universitätsklinik, Professor Hans-Eberhard Hoffmeister, festgestellt wurde. Dagegen die Staatsanwaltschaft:
„... zwei davon waren etwa zwei Zentimeter tief, die anderen beiden etwa vier Zentimeter.“
- Wie auch Bakker Schut kritisiert der Stern das Fehlen des Histamintests.
Bereits Anfang November 1977 war es auch der Stern, der berichtete, dass es in der Nacht zum 18. Oktober in weiten Teilen der JVA Stammheim einen Stromausfall gegeben habe und somit der Zugang zum Hochsicherheitstrakt im siebenten Stock für Unbefugte möglich gewesen sei. Einige Kritiker vermuteten daraufhin das Werk von Geheimdiensten, die die Häftlinge getötet hätten.
Die RAF-Anwälte Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Karl-Heinz Weidenhammer sprachen in den 1970er Jahren von Mord, alle drei haben diese These jedoch inzwischen widerrufen.
Landläufig wird die Stürmung der Landshut in Mogadischu und die damit verbundene Verzweiflung der Stammheimer Häftlinge als Grund für einen möglichen Kollektivsuizid genannt, faktisch ist es jedoch nicht klar ob Andreas Baader bei der ersten Sendung dieser Nachricht nicht bereits tot war. [16]
Auch die einzige Überlebende Irmgard Möller bestreitet vehement kollektiven Selbstmord. [17]
Literatur
BearbeitenWeblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Was wussten die Geheimdienste?
- ↑ Ex-BKA-Chef fordert Untersuchungsausschuss zu Abhörverdacht
- ↑ Aus einem Ausschnitt des Aufsatzes "Mythos RAF" von Wolfgang Kraushaar. Erschienen in: Die RAF und der linke Terrorismus, Hamburger Edition HIS Verlag, Hamburg 2007.
- ↑ Butz Peters in Welt online, vom 4.02.2007, [1]. Es heißt wörtlich: Brigitte Mohnhaupt interpretierte die Geschehnisse als „suicide action“ - als Suizid-Aktion. Sie erklärt, so berichtet das damalige RAF-Mitglied Monika Helbing später, „dass die Gefangenen in Stammheim keinen anderen Weg sahen, als sich selbst umzubringen, und zwar nicht aus Verzweifelung, sondern um die Politik der RAF voranzutreiben“.
- ↑ Peter-Jürgen Boock in: 2007 – Die RAF, Teil 2: Der Herbst des Terrors von Stefan Aust und Helmar Büchel
- ↑ Aus einem Ausschnitt des Aufsatzes "Mythos RAF" von Wolfgang Kraushaar. Erschienen in: Die RAF und der linke Terrorismus, Hamburger Edition HIS Verlag, Hamburg 2007.
- ↑ Zitat Hanns-Christian Ströbeles in einem Interview im SPIEGEL Nr.42/1978
- ↑ 2007 – Die RAF (D) Zweiteiliger Dokumentarfilm, Teil 2: Der Herbst des Terrors von Stefan Aust und Helmar Büchel, Erstausstrahlung: ARD, 10. September 2007
- ↑ Pieter Bakker Schut: "Stammheim - Die notwendige Korrektur der herrschenden Meinung"; Kapitel: "Selbstmord oder Mord?" ab S. 494
- ↑ Prof. Mallach gab an das toxikologische Gutachten habe sich auf eine begrenzte Zahl von Giftstoffen beschränkt.
- ↑ vgl. "International Herald Tribune" vom 21.7.1977; "Die Zeit" om 19.8.1977; "Konkret" Nr. 9/1977
- ↑ Karl-Heinz Weidenhammer, Selbstmord oder Mord? Todesermittlungsverfahren Baader:Ensslin Raspe, Neuer Malik Verlag, Kiel 1988
- ↑ vgl. auch: "Der zweite Tod" von Ron Augustin; online nachlesbar unter: http://www.jungewelt.de/2007/09-10/006.php
- ↑ Kriminaloberkommissar Günter Textor in der Frankfurter Rundschau, 27.10.1977 und 14.12.1977
- ↑ Stern, Nr. 45/1980: "Der Fall Stammheim"
- ↑ Isabel Erdem in einer Schrift des Kurt-Eisner-Vereins, online nachlesbar unter: http://www.kurt-eisner-verein.de/doks/040219_erdem_StadtguerillaBRD.pdf
- ↑ siehe z.B. Interview mit Irmgard Möller: http://www.rote-hilfe.de/publikationen/die_rote_hilfe_zeitung/1997/4/interview_mit_irmgard_moeller